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Jetzt informieren!Keine Scheinlösungen im Gebäudeenergiegesetz
Breites Verbändebündnis appelliert an den Bundestag
Das Bundeskabinett hat am 19. April 2023 das Gesetzgebungsverfahren zur Novelle des Gebäudeenergiegesetzes eingeleitet. Ab 2024 sollen dann neu installierte Heizungen mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Der Gesetzentwurf sieht zugleich vor, dass mit Erdgas befeuerte Gasheizungen eingesetzt werden können, wenn diese technisch in der Lage sind, Wasserstoff zu verarbeiten („H2-ready“). Außerdem sollen demnach Gasverteilnetzbetreiber einen verbindlichen Transformationsplan vorlegen, wonach das entsprechende Versorgungsgebiet bis zum Jahr 2035 auf Wasserstoff umgestellt werden soll.
Was bedeutet „H2-ready“?
„H2-ready“ ist eine Bezeichnung für Erdgasheizungen, die rein theoretisch Wasserstoff verarbeiten könnten und deshalb laut aktuellem Gesetzesentwurf weiter eingesetzt werden dürfen. Diese Erdgasheizungen sind auf gut Deutsch „bereit für Wasserstoff“.
Der Einbau einer neuen Gasheizung, in der Zuversicht, diese kurz- oder mittelfristig mit klimaneutralem Wasserstoff betreiben zu können, ist mit immensen ökologischen und finanziellen Risiken verbunden. Denn Wasserstoff ist bislang knapp und sehr teuer. Angesichts der immer drängenderen Klimakrise bleibt keine Zeit auf Scheinlösungen zu setzen und durch sie viele Jahre weiter an Erdgas festzuhalten.
Der Appell des Verbändebündnisses in zehn Punkten
„Wir fordern die Mitglieder des Deutschen Bundestags auf, die Erfüllungsoption Wasserstoff (§ 71k) aus dem Gesetz zu streichen.“
Gegen die Erfüllungsoption „H2-ready” sprechen zuvorderst – aber nicht abschließend – die folgenden zehn Punkte:
1. Versorgungsstruktur kann nicht in der Breite auf Wasserstoff umgestellt werden
Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass eine Umstellung der bisher auf Erdgas basierenden Versorgungsstruktur (Netze, Hausanschlüsse, Heizungen) zu Wasserstoff in der Breite des Gebäudesektors weder technisch noch wirtschaftlich umsetzbar ist.
Ein in der Fachzeitschrift Joule veröffentlichter Vergleich wissenschaftlicher Untersuchungen zum Wärmesektor kam zu dem Schluss, dass nicht eine einzige unabhängige Studie den großflächigen Einsatz von Wasserstoff als sinnvoll erachtet (Joule 9/22, https://doi.org/10.1016/j.joule.2022.08.015).
2. Grüner Wasserstoff wird an anderen Stellen benötigt
Es ist davon auszugehen, dass Wasserstoff selbst im Zeithorizont nach 2030 ein knappes Gut bleibt und nur zu sehr hohen Preisen zur Verfügung stehen wird. Für Verbraucher*innen könnte sich die Investition in eine H2-ready-Gasheizung also selbst dann als Kostenfalle erweisen, wenn die Umstellung zu Wasserstoff in einzelnen Netzgebieten gelingt, aber zu sehr hohen Betriebskosten führt. Vermeidbare Nutzungskonkurrenzen zwischen Gebäudesektor, Industrieprozessen und Spitzenlastkraftwerken würden den Brennstoffpreis zusätzlich erhöhen.
3. Blauer Wasserstoff ist keine erneuerbare Energie
Auch aus Erdgas erzeugter „blauer Wasserstoff” wird im Gesetzentwurf als Option zur Umstellung der Gasnetze vorgesehen. Förderung und Transport des dafür benötigten Erdgases führen zu zusätzlichen CO₂-Emissionen. Blauer Wasserstoff ist also keine erneuerbare Energie oder unvermeidbare Abwärme im Sinne des Gesetzes und darf nur in absoluten Ausnahmefällen und vorübergehend zur Anwendung kommen. Für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors wird er nicht benötigt.
4. Beim Heizen spart Wasserstoff wenig CO₂-Emissionen
Wasserstoff weist pro Volumen einen deutlich geringeren Heizwert auf als Erdgas. Daher lassen sich durch seine Beimischung zum Erdgas nur sieben Prozent der Energie und damit auch nur sieben Prozent der CO₂-Emissionen einsparen (und auch nur, wenn es sich dabei um grünen Wasserstoff handelt). Der Rückgang im Heizwert muss durch einen erhöhten Gasverbrauch kompensiert werden.
5. Transformation auf 100 Prozent Wasserstoff würde ein komplett neues Leitungssystem erfordern
Die Transformation von Gasnetzen auf 100 Prozent Wasserstoff erfordert eine großflächige Umstellung von Leitungen auf allen Druckebenen bis hin zum Hausanschluss. Dafür müssen neue Netze parallel zu den bestehenden Gasnetzen verlegt werden. Die Umstellung kann zudem nur für ganze Straßenzüge synchron erfolgen und nur dann, wenn auch der letzte Anschlussnehmer an diesem Strang zu einer entsprechenden H2-ready-Heizung umgerüstet hat. Hierdurch entstünden weitere Kosten, die in ihrer Höhe derzeit nicht absehbar sind.
6. Kommunale Anschluss- und Benutzungszwänge durch hohe Kostenrisiken
Aus den vorgenannten Gründen sind diese Transformationsprojekte mit enormen Kostenrisiken verbunden, insbesondere für private Haushalte sowie für Mieterinnen und Mieter. Dabei ist zu befürchten, dass mit Transformationsplänen auch die Einführung von kommunalen Anschluss- und Benutzungszwängen für das Gasnetz gerechtfertigt würde, um Kosten und Risiken auf eine größere Anzahl von Anschlussnehmern zu verteilen. Kunden würden dann zur Verwendung CO₂-verursachender Gasheizungen und zur finanziellen Beteiligung am Gesamtprojekt gezwungen.
7. Bei Scheitern der Transformation hohes Kostenrisiko für die Allgemeinheit
Transformationsprojekte müssten wegen der hohen finanziellen Risiken durch die Anteilseigner des Gasnetzbetreibers, zumeist Stadtwerk oder Kommune, sowie in letzter Verantwortung auch durch die Allgemeinheit abgesichert werden. Diese müssten dann auch für die umgehende Nachrüstung einer alternativen Wärmeversorgung durch Wärmenetze oder Wärmepumpen finanziell aufkommen.
8. Die Wirksamkeit der Kriterien von Verbindlichkeit und finanzieller Absicherung ist noch unklar
Wie wirksam die im Gesetzentwurf enthaltenen Kriterien der Verbindlichkeit und finanziellen Absicherung sind, wird sich erst im Nachhinein erweisen. Verlautbarungen aus der Gaswirtschaft, die etwa eine Streckung der Transformationspläne auf einen Zeithorizont bis 2045 fordern, lassen jedenfalls befürchten, dass die Auflagen für diese Risikoprojekte gelockert werden könnten.
9. Die Erdgaspreise werden noch immer stark subventioniert
Aktuell werden Erdgaspreise noch immer stark subventioniert. So etwa durch die Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent, der aufgeschobenen Erhöhung des CO₂-Preises und die Gaspreisbremse. Durch die vermeintlich einfache H2-Ready-Lösung werden Gebäudeeigentümer*innen und Verbraucher*innen mutwillig getäuscht.
10. Für eine Umsetzung der Wärmewende braucht es Planungssicherheit
Die Umsetzer der Wärmewende benötigen dringend Planungssicherheit, um sowohl verstärkt in die Umstellung zu wirklichen Klimaschutztechnologien einzusteigen als auch unkalkulierbare finanzielle Risiken zu vermeiden. Das unbegründete Inaussichtstellen von Wasserstoff für die Gebäudeversorgung verfestigt hingegen Geschäftsmodelle mit fossilen Energieträgern. Nicht zuletzt würden die nur begrenzt verfügbaren Fachkräfte gebunden und stünden für viele wertvolle Baustellen der Energie- und Wärmewende nicht zur Verfügung.
Dieser Appell wird von folgenden Unterzeichner mitgetragen:
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