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Auswege aus der Müllverbrennung
NABU-Studie zeigt, wie die Verbrennungskapazitäten in Deutschland schrittweise reduziert werden können
Politik und Industrie betonen regelmäßig die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für eine ressourcen- und klimaschonende Zukunft. Die aktuelle Realität zeichnet jedoch ein anderes Bild. Über 26 Millionen Tonnen Abfälle werden jährlich in Müllverbrennungsanlagen und Ersatzbrennstoff-Kraftwerken in Deutschland verbrannt. Bis zu einer echten Kreislaufwirtschaft ist es noch ein weiter Weg.
Müllverbrennung hat ihre Berechtigung, sie muss jedoch auf ihre eigentliche Aufgabe beschränkt werden, nämlich diejenigen Abfälle zu verbrennen, für die es keine besseren Verwertungswege gibt. Denn die „energetische Verwertung“, wie die Verbrennung auch genannt wird, steht erst an vierter Stelle der Abfallhierarchie hinter der Vermeidung, der Wiederverwendung und dem Recycling.
Dass aktuell dennoch große Mengen Wertstoffe in der Verbrennung landen, hat vielfältige Gründe:
Große Lücken im Vollzug der Abfallgesetze
Abfallgesetze auf Bundesebene zu verabschieden bedeutet nicht automatisch, dass sie auch auf Länder- und Kreisebene vollzogen und umgesetzt werden. Lückenhafte Kontrollen und ein fehlender Umsetzungswille behindern das Recycling und füllen weiter die Öfen der Verbrennungsanlagen.
Beispiel 1 – Bioabfall: Seit 2015 muss laut Kreislaufwirtschaftsgesetz in den Kommunen Bioabfall getrennt gesammelt werden, z.B. über eine Biotonne. Der NABU hat jedoch nachgewiesen, dass sich nach wie vor viele Kreise einer Einführung verweigern und andere kein flächendeckendes Tonnenangebot haben. Die Folge ist, dass Bioabfälle anstatt zu Biogas und Kompost umgewandelt zu werden, stattdessen in der Müllverbrennung landen.
Beispiel 2 – Gewerbeabfall: Die Gewerbeabfallverordnung schreibt vor, dass Abfallfraktionen wie z.B. Metalle, Holz oder Kunststoffe getrennt gesammelt werden müssen. Aufgrund fehlender Vor-Ort-Kontrollen durch die Vollzugsbehörden wird jedoch nur ein kleiner Teil der Gewerbeabfälle tatsächlich getrennt gesammelt und anschließend recycelt. Der Rest landet in der Verbrennung.
Beispiel 3 – Verpackungsabfall: Das Verpackungsgesetz gibt Recyclingquoten für verschiedene Verpackungsabfälle vor, z.B. müssen bis 2022 63 Prozent der Kunststoffverpackungsabfälle recycelt werden. Weil Hersteller Möglichkeiten des recyclingfreundlichen Designs ungenutzt lassen, ist unklar, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Werden die Quoten nicht erfüllt, dann kann zwar im Einzelfall Dualen Systemen die Betriebsgenehmigung entzogen werden. Hersteller haben aber keine unmittelbaren Folgen zu befürchten. Die Wirksamkeit des Gesetzes ist also auch hier schwach.
Weder Wertstofftonne noch klare Regeln für Sperrmüll
Nach wie vor dürfen in den meisten Kommunen in Deutschland nur Verpackungsabfälle aus Plastik und Metall in den gelben Sack oder in die gelbe Tonne. Sogenannte stoffgleiche Nicht-Verpackungen, also sonstige Kunststoff- und Metallabfälle, seien es Plastikspielzeuge oder Kochtöpfe, landen deshalb meist in der Restmülltonne und somit in der Verbrennung. Mit einer flächendeckenden Wertstofftonne für alle Plastik- und Metallabfälle, egal ob Verpackung oder nicht, könnte mehr recycelt werden.
Etwa 45 Prozent des in Deutschland anfallenden Sperrmülls wird verbrannt. Häufig wird der Müll nach der Abholung direkt zur Müllverbrennung gefahren, dabei könnte vieles noch wiederverwendet oder recycelt werden. Pilotregionen belegen das große Potenzial einer schonenden Sperrmüllerfassung. In der Region Flandern in Belgien werden jährlich zwölf Kilogramm Sperrmüll pro Einwohner separat erfasst, von denen fünf Kilogramm wiederverwendet werden, z.B. Möbel, Haushaltswaren oder Elektroaltgeräte, und der Rest überwiegend recycelt wird. Dieses Potenzial muss auch in Deutschland genutzt werden.
Bessere Mülltrennung und mehr Abfallberatung nötig
Je besser die Mülltrennung, desto mehr Abfall wird recycelt und desto weniger Abfall muss verbrannt werden. In der Restmülltonne landen jedoch zu viele Abfälle, die eigentlich hochwertig verwertet werden könnten. Berechnungen zeigen, dass allein durchschnittlich etwa vierzig Prozent des Restmülls Bioabfall ist. Statt diesen zu vergären und zu kompostieren und somit Ressourcen und Klima zu schützen, wird er unwiederbringlich verbrannt.
Neben einem nutzerfreundlichen Sammelsystem ist eine stetige und engagierte Aufklärungsarbeit durch Kommunen, duale Systeme und Entsorgungsunternehmen wesentliche Voraussetzung für eine bessere Mülltrennung. Ein zweites wichtiges Instrument ist die Gestaltung des Abfallgebührensystems. Mittels eines Ident-Systems, bei dem die Müllmenge eindeutig dem einzelnen Haushalt zugeordnet wird, kann Gebührenberechnung haushaltsspezifisch erfolgen. Wenn ein Bewohner eines Mehrfamilienhauses oder einer Großwohnanlage nur für jene Restmüllmenge zahlen muss, die er selbst produziert, ist dies ein Anreiz, Abfälle sowohl zu vermeiden als auch getrennt zu sammeln.
In einem Pilotprojekt in Großwohnanlagen in Berlin-Wedding konnte durch verursachergerechte Abfallgebühren, kombiniert mit Aufklärungsarbeit und Abfallmanagement vor Ort (z.B. regelmäßige Reinigung der Sammelplätze), die Gesamtabfallmenge um 15 Prozent und die Restmüllmenge um zwei Drittel reduziert werden. Stattdessen wurde deutlich mehr Bio- und Verpackungsabfall sowie Altglas und Altpapier getrennt gesammelt.
Welche Maßnahmen führen zu weniger Müllverbrennung?
Welche Verbrennungskapazitäten werden noch benötigt, wenn Gesetze tatsächlich vollzogen, mehr Abfälle getrennt gesammelt und recycelt werden oder eine umfassende Abfallberatung dafür sorgt, dass Abfälle vermieden werden? Um diese Fragen zu beantworten, wurden in einer Studie von Öko-Institut und Alwast Consulting im Auftrag des NABU Szenarien berechnet.
Die NABU-Studie belegt, dass die derzeit ausgelasteten Müllverbrennungsanlagen kein Zukunftsmodell für eine Kreislaufwirtschaft sind. Zwar wird Verbrennung auch weiterhin ihre Berechtigung haben, sie darf jedoch nur noch für jene Abfälle genutzt werden, die nicht vermieden, wiederverwendet oder recycelt werden können.
Szenario 1: Vollzug gültiger Gesetze
Maßnahmen:
Die Vollzugsbehörden sorgen dafür, dass die bestehenden Abfallgesetze endlich umgesetzt werden. Dies umfasst ein stärkeres Recycling von Gewerbeabfällen (Gewerbeabfallverordnung) und von Verpackungen (Verpackungsgesetz) sowie eine flächendeckende Getrenntsammlung von Bioabfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz). Die zuständigen Behörden kontrollieren Mülltrennung und -behandlung wesentlich aktiver als bisher und berichten über die Anzahl und Erfolge ihrer Kontrollen. Die Kreise überarbeiten ihre Abfallsatzungen und machen die Biotonne zur Pflicht.
Folgen für die Müllverbrennung:
- 3,7 Millionen Tonnen weniger Restmüll (Bioabfall)
- 1,4 Millionen Tonnen weniger Gewerbeabfall
- 250.000 Tonnen weniger Verpackungsabfall
Durch Maßnahmenpaket 1 werden über fünf Millionen Tonnen weniger Verbrennungskapazitäten benötigt. Dies entspricht einem Fünftel der derzeitigen Kapazitäten.
Szenario 2: Vollzug gültiger Gesetze + weitergehende Maßnahmen
Maßnahmen:
Durch die Einführung einer flächendeckenden Wertstofftonne sammeln die Dualen Systeme und Kommunen nicht nur Verpackungsabfälle, sondern auch sonstiges Plastik und Metall. Basierend auf einer Sperrmüllverordnung wird außerdem die Sammlung von Sperrmüll ausgebaut und die Abfälle verstärkt wiederverwendet und recycelt. Durch intensive Abfallberatung in Verbindung mit einer flächendeckenden Einführung von verursachergerechten Gebührensystemen und einem umfassenden Abfallmanagement in Großwohnanlagen werden die getrennt gesammelten Abfallmengen weiter gesteigert. Durch Mindestvorgaben zu Art und Umfang der Abfallberatung im Kreislaufwirtschaftsgesetz wird eine hohe Beratungsqualität erreicht. Projektförderungen ermöglichen eine stetige Optimierung der Abfallgebührensysteme. Zusätzlich wird Maßnahmenpaket 1 umgesetzt (Vollzug gültiger Gesetze).
Folgen für die Müllverbrennung:
- 3,7 Millionen Tonnen weniger Restmüll (Bioabfall)
- 1,4 MillionenTonnen weniger Gewerbeabfall
- 1,5 Millionen Tonnen weniger Verpackungsabfall
- 600.000 Tonnen weniger Sperrmüll
Durch Maßnahmenpaket 2 werden knapp sieben Millionen Tonnen weniger Verbrennungskapazitäten benötigt. Dies entspricht einem Viertel der derzeitigen Kapazitäten.
Szenario 3: Umfassende Getrenntsammlung + Abfallvermeidung + keine Importe
Maßnahmen:
Durch eine umfassende Wertstoff- und Biomüllerfassung sowie umfangreiche Abfallvermeidungsmaßnahmen wird die Müllverbrennung minimiert. Darüber hinaus wird von einem leichten Bevölkerungsrückgang im Zuge der demografischen Entwicklung ausgegangen. Die Annahmen gehen auf eine Studie des Umweltbundesamts zurück (Buchert et al. 2018: Demografischer Wandel und Auswirkungen auf die Abfallwirtschaft). In Folge des Autarkie- und Näheprinzips der EU-Abfallrahmenrichtlinie, wonach Abfälle dort zu verwerten sind, wo sie anfallen, entwickeln die EU-Staaten außerdem eigene regionale Entsorgungs- und Recyclingstrukturen und exportieren dadurch keinen Abfall mehr zur Verbrennung nach Deutschland.
Folgen für die Müllverbrennung:
- 5,8 Millionen Tonnen weniger Restmüll und Sperrmüll
- 1,4 Millionen. Tonnen weniger Gewerbeabfall
- 700.000 Tonnen weniger Ersatzbrennstoffe
- 1,5 Millionen Tonnen weniger Importe
Durch Maßnahmenpaket 3 werden über neun Millionen Tonnen weniger Verbrennungskapazitäten benötigt. Dies entspricht über einem Drittel der derzeitigen Kapazitäten.
Kreislaufwirtschaft ist auch Klimaschutz
Die Kreislaufwirtschaft leistet einen erheblichen Beitrag zur Einsparung von CO2-Emissionen. Dies ist nicht nur auf das Deponierungsverbot unbehandelter Abfälle im letzten Jahrzehnt zurückzuführen, sondern auch auf eine bessere Getrenntsammlung verwertbarer Abfälle. Zwar bildeten CO2-Einsparpotenziale keinen Schwerpunkt der NABU-Studie, für einzelne Fraktionen können aber Angaben gemacht werden. Würde etwa das Verpackungsgesetz umgesetzt und gleichzeitig mehr Kunststoff- und Metallabfälle über die Wertstofftonne gesammelt, könnten bis zu 3,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente jährlich eingespart werden. Analog gilt für das Recycling von Gewerbeabfällen ein Einsparpotenzial von 3,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Gemeinsam entspricht dies dem jährlichen Gesamtausstoß von über 600.000 Deutschen.
In der Klimaschutzdebatte werden von Seiten der Verbrenner Müllöfen häufig als ökologischer Fernwärmelieferant ins Spiel gebracht. Müll als regenerative Energie zu klassifizieren, lehnt der NABU jedoch entschieden ab, allein schon aufgrund des Erdölanteils in den verbrannten Plastikabfällen. Wenn Kohlekraftwerke im Zuge der Energiewende nicht mehr als Wärmelieferanten in Frage kommen, können Müllverbrennungsanlagen als Übergangstechnologie eine Rolle spielen. Der Wärmebedarf muss langfristig aber durch den kontinuierlichen Ausbau erneuerbarer Energien gedeckt werden.
Ausstiegsfahrplan für marode Anlagen
Durchschnittlich etwa alle 25 Jahre müssen Müllverbrennungsanlagen modernisiert werden, weil Komponenten wie Kessel, Verdampfer oder Überhitzer erneuert werden müssen. Die NABU-Studie zeigt, dass 49 der 66 Müllverbrennungsanlagen in Deutschland bis zum Jahr 2030 modernisierungsbedürftig sein werden. Dies betrifft über 60 Prozent der heutigen Gesamtkapazitäten.
Dass allein der Vollzug bereits bestehender Gesetze zwanzig Prozent der Verbrennungskapazitäten einsparen würde, verdeutlicht, dass in einer Kreislaufwirtschaft zukünftig weniger Müllverbrennungsanlagen benötigt werden. Modernisierungsbedürftige Anlagen dürfen daher nicht einfach erneuert werden, sondern müssen auf den Prüfstand. Es bedarf eines Fahrplans für den Rückbau ausgewählter Anlagen. In Kooperation von Bundesumweltministerium, Landesministerien, Kommunen, Anlagenbetreibern und lokalen Interessenvertretern müssen Lösungen gefunden werden, wie regionale Kreislaufsysteme und ein räumlich sinnvoll verteiltes Netz an reduzierten Verbrennungskapazitäten entwickelt werden können. Die in der Folge zur Verfügung stehenden dreistelligen Millionenbeträge sollten in den Ausbau der Recyclinginfrastruktur investiert werden.
Download
Die Studie und eine Zusammenfassung steht hier zum Download bereit.
NABU-Forderungen
Kreisläufe schließen, statt Wertstoffe verbrennen: das muss die Devise einer ambitionierten Kreislaufwirtschaft sein. Daher fordert der NABU folgende Maßnahmen:
Wirkungsvolle Konzepte zur Abfallvermeidung und Wiederverwendung!
- Verbindliche Ziele und Maßnahmen für die Reduktion der Gesamtabfallmenge (5% weniger Siedlungsabfallaufkommen pro Einwohner und Jahr fordert der NABU für das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz) sowie spezifischer Abfallfraktionen, z.B. Verpackungsabfälle, Lebensmittelabfälle oder Einwegartikel
- Regionale Mehrwegsysteme, nicht nur für Getränke, sondern auch für Lebensmittel (etwa im Gastronomiebereich) und Non-Food-Artikel
- Ausbau von Re-Use-Strukturen, wie z.B. Gebrauchtwarenhäuser oder Reparaturbetriebe
- Besserer Zugang von Wiederverwendungsbetrieben zu Recyclinghöfen und weiteren Sammelstellen
Stetige und aktive Abfallberatung!
- Verbesserung der Mülltrennung durch engagierte Öffentlichkeitsarbeit von Kommunen, Entsorgern und dualen Systemen
- Ausbau kommunaler Abfallvermeidungsangebote (Flohmärkte, Second-Hand-Börsen, etc.)
Nutzerfreundliche Abfallsammlung!
- Flächendeckende und verpflichtende Bio-, Papier- und Wertstofftonne
- Dichtes Netz an Wertstoffhöfen
- Leicht zugängliche Rücknahmesysteme, z.B. für Elektroaltgeräte
- Verursachergerechte Gestaltung der Abfallgebühren
Vollzug der Gesetze!
- Flächendeckende Umsetzung bestehender Abfallgesetze, z.B. hinsichtlich Bio- und Gewerbeabfällen
- Schaffung personeller Kapazitäten in den Vollzugs- und Kontrollbehörden der Länder und Kreise
Umfassendes Recycling!
- Ambitionierte Recyclingquoten und Sanktionen bei Nicht-Erfüllung der Quoten
- Rezyklateinsatzquote, v.a. bei Kunststoffrezyklaten in Verpackungen und Produkten
- Verbindliche Vorgaben zum Öko-Design von Produkten und Verpackungen hinsichtlich Recyclingfähigkeit, Langlebigkeit und Reparierbarkeit
- Stärkung des Recyclings von bislang vernachlässigten Abfallfraktionen wie Sperrmüll und Textilien
Nachhaltige öffentliche Beschaffung!
- Abfallvermeidende Beschaffung mit Fokus auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendung
- Beschaffung von Produkten mit Rezyklatanteil zur Stärkung des Recyclingmarkts
Fahrplan für Rückbau der Müllverbrennung!
- Regionale Konzepte zur schrittweisen koordinierten Reduzierung der Verbrennungskapazitäten
- Kritische Evaluierung der Anlagen mit Modernisierungsbedarf
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Unsere Plastikabfälle werden nicht nur innerhalb Deutschlands entsorgt und verwertet. Ein beträchtlicher Teil wird exportiert. Insbesondere Ausfuhren in Länder wie Malaysia oder die Türkei sind problematisch und müssen dringend reguliert werden. Mehr →