NABU-Dialogforum Kreislaufwirtschaft 2016: Dr. Eick v. Ruschkowski (NABU), Kersten Schüßler (Moderator), Peter Meiwald (GRÜNE), Gabriele Hässig (Procter&Gamble), Michael Wiener (DSD), Dr. Thomas Gebhart (CDU)(v.l.n.r.) - Foto: Adam Sevens
Recycling jenseits der Quotenpolitik
Dialogforum Kreislaufwirtschaft am 21. Juni 2016
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Podiusdiskussion mit auf dem NABU-Dialogforum mit Gabriele Hässig (Procter&Gamble), Michael Wiener (DSD) und Dr. Thomas Gebhart (CDU) (v.l.n.r.) - Foto: Adam Sevens
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NABU-Dialogforum Kreislaufwirtschaft 2016: Dr. Sven Rutkowsky (A.T. Kearny) - Foto: Adam Sevens
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Voller Saal beim NABU-Dialogforum Kreislaufwirtschaft 2016 - Foto: Adam Sevens
Schnell wurde klar, neben ökonomischen Anreizmodellen, die Produkte und Verpackungen in Zukunft recyclingfreundlicher und rezyklatintensiver machen, benötigt die Branche endlich einen verbindlichen Rechtsrahmen mit höheren ökologischen Vorgaben. NABU-Geschäftsführer Leif Miller kritisierte zu Beginn der Veranstaltung den jüngsten Entwurf des Wertstoffgesetzes als unzureichend, weil dieser keine gemeinsame Wertstofferfassung vorsieht und die Vermeidung von Abfällen völlig außer Acht lasse. Miller appellierte an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, nicht nur die Recyclingquoten anzuheben, sondern Verbrauchern über eine flächendeckende Wertstofftonne die Mülltrennung zu erleichtern. Nur so könnten mehr Kunststoffe – sowohl Verpackungen als auch stoffgleiche Nichtverpackungen - in besserer Qualität erfasst werden.
Die geringe Menge an verfügbaren Kunststoffabfällen sei genau das, was der Recyclingwirtschaft Probleme bereite, bestätigte Michael Wiener, Geschäftsführer der Duale System Holding GmbH & Co. KG. Die Sekundärrohstoffwirtschaft ist aber auf konstante Mengenströme angewiesen, um die steigende Rezyklat-Nachfrage aus der Industrie zu stillen. Langfristige Investitionen und Kooperationen für ein besseres Recycling entlang der Wertschöpfungskette entfalten sich nur durch einen verbindlichen Rechtsrahmen, mahnte Wiener. Zwar sei es bedauerlich, dass eine gemeinsame Wertstofferfassung nicht im Wertstoffgesetz enthalten ist, dafür lobte der DSD-Geschäftsführer die höheren Recyclingquoten im Entwurf und plädierte für eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes
Sascha Roth, NABU-Referent für Umweltpolitik, machte in einem einführenden Vortrag klar, dass es erhebliche Mängel im derzeitigen Produktverantwortungssystem für Verpackungsabfälle gebe und dass die derzeitige Ausgestaltung der Lizenzentgelte keine ökologische Lenkungswirkung habe. Stetig steigende Müllmengen verdeutlichten dies. Der Weg von der Linear- in die Kreislaufwirtschaft könne durch die Politik verkürzt werden, wenn man sich auf die Förderung abfallvermeidender Maßnahmen und klare Anreize für eine bessere Recyclingfreundlichkeit von Produkten und Verpackungen konzentrierte. Außerdem gelte es, nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU-Ebene sich verstärkt um eine Reduzierung der Verbrennung von recycelbaren Abfällen einzusetzen.
Dr. Michael Ritthoff vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie verdeutlichte mit seinem Vortrag das Potenzial des Recyclings für die Ressourcenschonung. Dort, wo Recycling wirtschaftlich betrieben werden kann, haben sich funktionierende Verwertungsstrukturen gebildet, wie bei Metallen, Altpapier und Glas, die unsere Ressourcen schonen. Wenig recycelt wird dort, wo keine oder nur wenig Konstanz hinsichtlich Mengen und Qualität eines Werkstoffs besteht und wo sich Primärrohstoffpreise im Verhältnis zum Rezyklat kaum unterscheiden. Ritthoff wies darauf hin, dass zwischen Recycling und Ressourcenschutz weitere Grundkonflikte bestehen: So ist erfolgreiches Recycling auf große Mengen desselben Werkstoffes angewiesen, die schnell umlaufen, also in kurzlebigen Produkten eingesetzt werden. Aus Perspektive des Ressourcenschutzes empfehlen sich jedoch Produkte mit langer Lebensdauer, die nicht zuletzt aus schwer recycelbaren, dafür aber innovativen Werkstoffen resultiert. Dieser Zielkonflikt lässt sich nur lösen, in dem der komplette Lebenszyklus von Produkten betrachtet und sie dort optimiert werden, wo die meisten Ressourcen eingespart werden können.
Dr. Michael Heyde, Geschäftsführer der DSD Resource GmbH machte deutlich, dass Rezyklate von hoher und konstanter Qualität, auf lange Sicht verfügbar und LCA-geprüft sein müssen, damit sie dauerhaft von Handel und Industrie eingesetzt werden können. Eine gemeinsame Wertstofferfassung könnte helfen, größere Mengen Altkunststoff zu erfassen und die Qualität der Rezyklate aus post-consumer-Abfällen zu verbessern. Heyde betonte stets die wichtige Rolle der Kommunikation: So müssten Hersteller und Industrie Anforderungen an Rezyklate und ihre Eigenschaften äußern, damit mit weiteren Stakeholdern neue Konzepte erarbeitet und umgesetzt werden können. Besondere Herausforderungen stellen aktuell der besondere Geruch von Recyclingplastik und seine Farbe dar. Unabhängig vom derzeitigen Wertstoffgesetz-Entwurf laufe der Trend über kurz oder lang in Richtung einer gemeinsamen Erfassung von Kunststoffen und Metallen. Laut Heyde wird sich der Markt für Rezyklate künftig grundlegend ändern, indem Hersteller und Verbraucher gezielt Produkte mit Rezyklatanteil nachfragen, so dass sich künftig die Grenzen zwischen dem Einsatz von Primär- und Sekundärrohstoffen auflösen werden.
Das Beratungsunternehmen A.T. Kearny hat im Bereich der Leichtverpackungen ökonomische Instrumente auf die größte positive Wirkung für recyclingfreundliches Verpackungsdesign und gesteigerten Rezyklateinsatz untersucht. A.T. Kearny-Partner Dr. Sven Rutkowsky erklärte den Teilnehmern des Dialogforums, dass ebenfalls Down-Cycling von Werkstoffen reduziert und die Kosteneffizienz der Recyclingprozesse sowie Kostengerechtigkeit und Rechtssicherheit des in der Kritik stehenden Verpackungsentsorgungssystems verbessert werden soll. Das Beratungsunternehmen schlägt dafür eine Kombination aus zwei Quoten – eine Quote pro Materialfraktion und eine Quote für die Sammelmenge - in Verbindung mit einem Ökofonds vor.
Die Quoten können als dynamische Quoten erhöht werden, in den Fonds zahlen alle Inverkehrbringer von Verpackungen ein, der zum einen durch Bonuszahlung umweltfreundliches Produktdesgin belohnt und zum anderen die Entwicklung und Einsatz qualitativ hochwertiger Rezyklate fördert. Im Modell können die Inverkehrbringer ihre Verpackungen freiwillig von einem vom Umweltbundesamt akkreditierten Experten für eine bestimmte Zeit zertifizieren lassen. Gegenüber den Dualen Systemen legt der Inverkehrbringer offen, wie viel Prozent der von ihm eingebrachten Materialien recyclingfähig sind. All das wird in einem Punktesystem angerechnet und einmal jährlich ein Bonus ausgeschüttet. Im Vergleich mit einem Modell ökologischer Lizenzentgelte, die Rezyklateinsatz finanziell belohnen, hat das Fonds-Modell den Vorteil, dass es gezielt die stoffliche Verwertungsmenge erhöht, Downcycling effektiver reduziert und gleichzeitig die Recyclingfähigkeit von Verpackungen erhöht. Die Kombination aus dynamischer Quote und Ökofonds kann laut Rutkowsky umgehend rechtlich abgesichert werden und anschließend schrittweise umgesetzt werden.
In der nachfolgenden Diskussion zwischen den umweltpolitischen Sprechern der Grünenfraktion, Peter Meiwald, und der CDU-Fraktion, Dr. Thomas Gebhart, sowie Gabriele Hässig (Procter &Gamble), Michael Wiener (DSD) und Dr. Eick von Ruschkowski (NABU) kritisierten NABU und Grüne, dass der Wertstoffgesetzentwurf keinerlei ökonomische Anreize für ein verbessertes Produktdesign enthält und die Ausgestaltung von Lenkungsinstrumenten wie ökologischen Lizenzentgelten den dualen Systemen überlassen anstatt ordnungsrechtlich erlassen werde. Meiwald bedauerte, dass das Wertstoffgesetz keinerlei Ideen für einen Nachfrageanschub nach Rezyklateinsatz enthalte. Mehrwegsysteme und ökologisch vorteilhafte Verpackungen fänden ebenso wenig Erwähnung wie die gemeinsame Wertstofferfassung, um größere Mengen zu erfassen. Dr. Eick von Ruschkowski betonte, dass mit dem Titel Recyclingweltmeister für Deutschland noch nichts gewonnen sei und dass das höchste Ressourcenschutzpotenzial vor allem durch eine stärkere Konzentration auf die Vermeidung von Abfällen erreicht werden könne.
Gabriele Hässig bedauerte, dass nur Verpackungen vom Wertstoffgesetz betroffen sein sollen, aber auch wenn der große Wurf in dieser Legislaturperiode nicht gelingen werde, müsse das Gesetz so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden, damit wenigstens die Recyclingquoten steigen. Für Industrie und Handel sei eine verlässliche Lieferkette das wichtigste Kriterium, um Rezyklate einzusetzen und so den ökologischen Fußabdruck von Produkten in Herstellung und Nutzung reduzieren zu können. Gebhart stimmte mit Hässig überein, das Wertstoffgesetz noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen und bedauerte, dass die Produktverantwortung unter diesem Gesetz noch nicht auf stoffgleiche Nichtverpackungen ausgedehnt werden kann und zeigte sich zugleich offen für Diskussionen über bessere Anreizsysteme wie das vorgestellte Ökofondsmodell . Michael Wiener sprach sich ebenfalls für die rasche Verabschiedung des Gesetzes aus, zu dessen positiven Seiten - die Einrichtung der zentralen Stelle und höhere Quoten – künftig auch Dynamisierungseffekte und der Ökofonds gehören sollten. Zudem möchte er auch die Verbraucher wieder stärker in die Pflicht nehmen und erinnerte daran: „Recycling kommt von Mitmachen“. In gemeinsamer Arbeit mit Kommunen könnte ein neues Kommunikationskonzept erarbeitet werden, dass den Sinn hoher Erfassungsmengen weitergibt.
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