Reinhard Schneider, Dr. Dirk Grünhoff, Kersten Schüßler, Frank Böttcher, Thomas Schmid-Unterseh, Dr. Benjamin Bongardt (v.l.n.r.) - Foto: NABU
Was bringt das neue Wertstoffgesetz?
NABU-Dialogforum 2014 stellte ökologische Ziele in den Mittelpunkt der Debatte
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Ralph Lenkert (Linke), Peter Meiwald (Grüne), Kersten Schüßler, Michael Thews (SPD), Dr. Thomas Gebhart (CDU) (v.l.n.r.) - Foto: NABU
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Die Gäste suchten den Dialog mit den politischen und wirtschaftlichen Vertretern - Foto: NABU
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Voller Saal in der Bundesgeschäftsstelle des NABU - Foto: NABU
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Reinhard Schneider von Werner & Mertz - Foto: NABU
Beim bisher vierten Dialogforum Kreislaufwirtschaft des NABU und der Duales System Deutschland GmbH am 26. November platzte der NABU-Konferenzraum fast aus allen Nähten. 120 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft diskutierten aktiv über Stärken und Herausforderungen des Kunststoffrecyclings in Deutschland und den möglichen positiven Beitrag des lange erwarteten und für Anfang 2015 angekündigten Wertstoffgesetzes.
NABU-Geschäftsführer Leif Miller stellte gleich zu Beginn klar, dass in der Diskussion um das zukünftige Gesetz die Debatte um Vollzugsstreitigkeiten in den Hintergrund treten müsse, um klar zu definieren, welche ökologischen Ziele man sich selbst stecken wolle. Nach 15 Jahren stagnierender Recyclingquoten und fehlender politischer Impulse, sei es endlich an der Zeit, dass die politischen Entscheidungsträger die Chance der Stunde nützten und einen robusten Rechtsrahmen für eine hochwertige Kreislaufführung von Kunststoffen schaffen. Hohe, dynamische und auf die Qualität des Recyclings ausgerichtete Quoten, eine ausdifferenzierte und auf stoffgleiche Nichtverpackungen erweiterte Produzentenverantwortung sowie eine verbraucherfreundliche Ausgestaltung bei der Wertstofferfassung sollten dabei die Grundpfeiler des Rechtstextes darstellen.
Dr. Joachim Christiani, Geschäftsführer der HTP GmbH & Co. KG, hat sich dem Thema Wertstofferfassung von der technischen Seite her genähert und gezeigt, dass eine gemeinsame Erfassung und Sortierung von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen zu einer Mengensteigerung an verwertbaren Wertstoffen führt. Aus der gemeinsamen Sammlung und Sortierung ergäben sich natürlicherweise anfangs Anpassungen in der Sortiertechnologie, aber keine durchgreifenden Veränderungen. Er appellierte an die politischen Entscheidungsträger, diesen Anpassungsprozess von Anfang an durch anspruchsvolle funktionale Vorgaben zu begleiten. Dr. Stephan Löhle von der cyclos GmbH stellte in seinem Vortrag die bisherigen Erfahrungen mit bestehenden Wertstofftonnensystemen dar: Mit der Einführung einer Wertstofftonne steigen die absoluten und spezifischen Sammelmengen und Kommunen werden vor allem aktiv, wenn es bereits eine eigene Erfassungs- und Verwertungsinfrastruktur gibt. Wird die Einführung verpflichtend, muss der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen klar definieren.
In seinem Impulsvortrag reagierte Herr Schmid-Unterseh vom Bundesumweltministerium auf die verschiedenen Appelle und Forderungen der Vorredner. Er sprach sich für einen Wettbewerb in der Verpackungsentsorgung aus, der zur Kosteneffizienz führe, aber auch einen robusten rechtlichen Rahmen brauche. So soll eine Zentrale Stelle die Kontrolle über die Mengenströme verbessern und zu einer besseren Verursachergerechtigkeit beitragen. Ziel des Wertstoffgesetzes seien neben der gemeinsamen Wertstoffsammlung, höhere und selbstlernende Recyclingquoten und eine erweiterte Produktverantwortung. Idealtypischen Lösungen erteilte er allerdings eine Absage. Beim Entwerfen des neuen Gesetzes würde man auf Kooperationsmodelle setzen, welche die unterschiedlichen Verantwortungen von Kommunen und Privaten berücksichtigen und auf dem betehen rechtlichen Rahmen aufsetzen. Den ersten Arbeitsentwurf kündigte Herr Schmid-Unterseh für Anfang des Jahres 2015 an.
Zu Beginn des zweiten Teils der Veranstaltung fasste Dr. Benjamin Bongardt vom NABU in einem kurzen Impulsreferat die Debatte rund um Kunststoffrecycling und Wertstoffgesetz in Zahlen zusammen. Wenn aus den 12 Millionen Einwohnern, die aktuell an ein Wertstoffsystem angeschlossen sind, durch ein Wertstoffgesetz 80 Millionen werden, können im Jahr bis zu 700.000 Tonnen CO2 eingespart werden.
Auf dem anschließenden Panel „Wertstofftonne, Kunststoffrecycling, Ressourcenschutz
– Welches Wertstoffgesetz wollen die Parteien?“ diskutierten die Fachvertreter der vier Bundestagsfraktionen, welche Anreize und Regulierungen der Staat in Angriff nehmen muss, um ein höherwertiges Wertstoffrecycling zu gewährleisten. Dr. Thomas Gebhart (CDU), Michael Thews (SPD), Ralph Lenkert (Die Linke) und Peter Meiwald (Grüne) zeigten zwar sehr differenzierte Meinungsverschiedenheiten, wenn es darum ging, ob beziehungsweise wie Duale Systeme oder Kommunen ausschreiben und sammeln sollen, wem die Vollzugsaufgaben in der Entsorgung zu überlassen sei und wie Finanzierungsmodelle aussehen könnten. Zudem zeigten sich die Vertreter der Oppositionsparteien als stärkere Befürworter von staatlichen Vorgaben zur besseren Wiederverwendung, wogegen die Regierungsparteienvertreter die mangelnden Kontrollmöglichkeiten solcher Instrumente hervorhoben. Es wurde aber relativ schnell klar, dass sich alle Parteien für differenzierte Lizenzentgelte bei den In-Verkehr-Bringern bei Kunststoffen aussprechen. Der NABU fordert diese Differenzierung seit langem, weil Sie Hersteller von Verpackungen, die leicht recycelbar sind, entlastet und Produzenten von schwer trennbaren und komplexen Materialverbünden stärker finanziell belastet. Auch der Einführung einer Mindesterfassungsmenge bei der Wertstofftonne stehen die Parteienvertreter eher positiv gegenüber. Der anschließende Austausch mit dem Publikum machte noch einmal deutlich, dass die Debatte mit viel Emotion geführt wird, vor allem wenn es um Fragen des Vollzugs der Finanzierung, des Zugriffs auf die Wertstoffe und der Innovationsfähigkeit ging.
Das zweite Panel „Wie passt der Kunststoff in die Kreislaufwirtschaft?“ leitete Herr Reinhard Schneider von Werner & Mertz mit einem Impulsreferat ein. Am Beispiel der Produktion von Spülmittelflaschen mit hohem Recyclatanteil aus dem Gelben Sack zeigte er, wie durch innovative Methoden bereits heute ein hochwertiges Kunststoffrecycling gelingt. Diese Methoden werden aber solange Nischen bleiben, solange die Politik nicht bessere Anreize für alle Hersteller schafft.
In der nachfolgenden Diskussion zwischen Herrn Schmid-Unterseh (Bundesumweltministerium), Dr. Dirk Grünhoff (Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz), Frank Böttcher (Deutsche Gesellschaft für Kreislaufwirtschaft und Rohstoffe mbH) und Dr. Benjamin Bongardt (NABU) ging es darum, wo wir bereits heute mit dem Kunststoffrecycling stehen. Es wurde noch einmal deutlich, dass Produkte aus Sekundärplastik bereits heute sehr hohe Qualitätsansprüche erfüllen und sich die Nachfrage in der Industrie entsprechend erhöht habe. Die Politik müsse daher unterstützend tätig werden, um der Anbieterseite zu helfen, hohe Mengen in einer hohen Qualität an diesen Rohstoffen zu generieren. Dabei können Anreize bessere Wirkungen entfalten als zu starke Regulierungen. Gelingen könne dies nur mit einer von den finanzierenden und betroffenen Stellen absolut unabhängigen zentralen Stelle. Die Industrievertreter befürworteten daher auch eine Zentrale Stelle, die nicht nur Mengenströme kontrolliert, sondern auch Qualitätsvorgaben über alle Wertschöpfungsprozesse hinweg macht. Herr Schmid-Unterseh warnte allerdings vor einer ausufernden Zentralen Stelle, die zu bürokratisch und komplex würde. Man dürfe auch die Rolle des Konsumenten nicht vernachlässigen, den man stärker für nachhaltige Konsummuster gewinnen müsse.
Herr Bongardt schloss die Veranstaltung mit der Bitte an das Ministerium, sich mit dem Arbeitsentwurf für das Wertstoffgesetz nicht zu lange Zeit zu lassen. Die aktuelle Debatte sei von zu vielen Wenns geprägt. Die Veranstaltung habe gezeigt, dass sowohl die betroffenen Branchen, als auch die Fachpolitiker sich relativ einig sind über Höhe und Art der Recyclingquoten, über eine ausgeweitete Produzentenverantwortung und einer Mindesterfassung bei der Wertstoffsammlung. Nun bedürfe es eines veröffentlichten Arbeitsentwurfs, um die Debatte weiter zu spinnen.
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