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Kein Plastik in die Biotonne
Mehr als 1.200 Tonnen Mikroplastik werden laut einer NABU-Studie über die Ausbringung von Komposten und Gärprodukten pro Jahr in die landwirtschaftlichen Böden in Deutschland eingetragen. Ein zentraler Grund hierfür ist, dass zu häufig Plastiktüten und sonstige Plastikabfälle in der Biotonne entsorgt werden. Eine Studie der Universität Bayreuth aus dem Jahr 2018 wies Mikroplastikpartikel in allen untersuchten Komposten aus Bioabfällen nach. Erfahrungsberichte aus den Kommunen deuten darauf hin, dass der Anteil an Fremdstoffen in der Biotonne tendenziell steigt. Neben Kunststoffen landen auch Glas und Metalle regelmäßig in der braunen Tonne. Da die Fremdstoffe später technisch nicht vollständig abgetrennt werden können, führt der steigende Fremdstoffgehalt zu einer verminderten Kompostqualität und schließlich dazu, dass diese Stoffe in den Gärten und auf den Ackerflächen landen.
Der NABU fordert die Kommunen daher auf, Maßnahmen zu ergreifen, um hochwertigen, fremdstoffarmen Kompost zu gewährleisten. Denn das ökologische Potenzial einer hochwertigen Verwertung von Bioabfällen ist enorm: Kompost dient als Ersatz für Kunstdünger und torfhaltige Erden, schützt dadurch Ressourcen und Klima und trägt als Nährstoff- und Humuslieferant zur Bodenverbesserung bei.
Fremdstoffanteile im Bioabfall: Ursachen, Folgen, Grenzwerte
Auswirkungen und Quellen von Fremdstoffen in der Biotonne
Um die Risiken der Fremdstoffeinträge in die Umwelt zu minimieren und die Akzeptanz der Getrenntsammlung von Bioabfällen sicherzustellen, ist eine hohe Qualität und Sortenreinheit des in der Biotonne gesammelten Materials elementar.
Es gibt bislang keine einheitliche Definition von Fremdstoffen im Bioabfall. Meist werden als Fremdstoffe diejenigen Bestandteile in der Biotonne bezeichnet, welche nach den geltenden Sortiervorgaben des lokalen öffentlich-rechtlichen Entsorgers nicht dem Biogut zuzuordnen sind. Bisherige Analysen von Biotonneninhalten haben gezeigt, dass insbesondere biologisch abbaubare Kunststoffbeutel (in den meisten Kommunen in der Biotonne nicht erlaubt), klassische Mülltüten (Polyethylen-Beutel), verpackte Lebensmittel, aber auch Glas, Metalle und Restmüll regelmäßig als Fehlwürfe in der Biotonne landen.
Welche Auswirkungen Fremdstoffe in Kompost- und Gärprodukten auf Bodenstruktur und -organismen haben, wird derzeit erforscht. Einige Studien bieten jedoch Anlass zur Sorge: Demnach kann Mikroplastik das Wachstum von Bodenlebewesen negativ beeinflussen und Partikel in Nanogröße können die Zellwände von Pilzen passieren sowie über die Wurzeln von Pflanzen aufgenommen werden (weitere Informationen).
Problematisch ist außerdem, dass Fremdstoffe in Komposterde und Gärprodukten die Vermarktung der Dünger an Gartenbesitzer*innen und Landwirt*innen erschweren. Darüber hinaus verursacht die Störstoffentfernung und -entsorgung erhöhte finanzielle Belastungen, welche letztlich die Abfallgebührenzahler*innen zu tragen haben. Ein besonders negativer Nebeneffekt ist, dass bei der Entsorgung der Sortier- und Siebreste nicht nur die Fremdstoffe, sondern auch das Biogut entfernt werden. Größere Plastiktüten werden häufig vor den Vergärungs- oder Kompostierungsanlagen aus dem Abfallstrom entfernt – dann jedoch oft mit Inhalt: Der wertvolle Bioabfall, der sich in ihnen befindet, geht dadurch verloren.
Gründe für Fremdstoffanteile
Zahlreiche Kommunen und Bioabfallverwerter berichten, dass der Fremdstoffanteil in der Biotonne in den letzten Jahren zugenommen hat. Die Bundesgütegemeinschaft Kompost (BGK) führt den steigenden Anteil unter anderem auf eine vernachlässigte Öffentlichkeitsarbeit zurück. Zwar erfolgte in den Kommunen zur Einführung der Biotonne in der Regel eine anfängliche Aufklärungskampagne, diese wurde in der Folgezeit jedoch oftmals eingestellt. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Osnabrück, wo der Fremdstoffanteil nach flächendeckender Einführung der Biotonne 1996 bei 2 Gewichtsprozent (Gew.-%) lag. 2008 waren es bereits 5 Gew.-%.
Der Fremdstoffanteil in den Biotonnen weist sowohl jahreszeitliche als auch lokale Schwankungen auf. In der vegetationsreichen Jahreszeit fallen mehr Gartenabfälle an. Der Fremdstoffanteil ist in dieser Zeit deshalb niedriger. Gängige Durchschnittswerte von Kommunen liegen bei 3 bis 5 Gew.-%. Analysen zeigen außerdem, dass die Fremdstoffe zunehmen, je dichter und urbaner die Siedlungsstrukturen sind. Dort liegen die durchschnittlichen Fremdstoffanteile teilweise bei über 10 Gew.-%. Unabhängig davon gilt, dass ein Großteil der Fremdstoffe über Punktquellen eingetragen wird, das heißt über einzelne, besonders stark verunreinigte Biotonnen, während die Mehrheit der Biotonnen-Nutzer*innen ihren Müll gut trennt.
Für die Analyse der Fremdstoffanteile hat die BGK standardisierte Methodenvorschriften entwickelt („Gebietsanalyse“). Diese liefern Vorgaben und Empfehlungen zur Vorbereitung, Personal- und Materialausstattung, Durchführung, Dokumentation sowie Auswertung der Fremdstoffanalyse im Untersuchungsgebiet. Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass die Daten zeitlich und räumlich verglichen werden können. Dies hilft, sinnvolle Maßnahmen zur Reduzierung des Fremdstoffanteils zu entwickeln und deren Wirksamkeit zu überprüfen.
Grenzwerte für Fremdstoffanteile
Die Bioabfallverordnung sieht hinsichtlich des maximal zulässigen Fremdstoffgehalts des Kompostprodukts folgende Grenzwerte vor:
- Maximal 0,1 Gew.-% bei plastisch verformbaren Kunststoffen über einen Millimeter Siebdurchgang
- Maximal 0,4 Gew.-% bei sonstigen Fremdstoffen ((z.B. Glas, Metalle, plastisch nicht verformbare Kunststoffe) über einen Millimeter Siebdurchgang
- Maximal 5,0 Gew.-% bei Steinen über zehn Millimeter Siebdurchgang
Die Anforderungen der RAL-Gütesicherung gehen darüber hinaus, sind jedoch nicht gesetzlich verpflichtend. Anlagenbetreiber können sich freiwillig dieser Gütesicherung unterziehen. Sie bewertet den Fremdstoffgehalt nicht nur nach Gewicht, sondern betrachtet außerdem die sogenannte „Flächensumme“, das heißt die Fläche, die die Fremdstoffe (größer zwei Millimeter) im Kompost einnehmen. Dies trägt vor allem Fremdstoffen wie Folien Rechnung, die einerseits ein geringes Gewicht, andererseits aber einen überproportionalen Anteil am visuellen Eindruck der Kompostqualität aufweisen. Der Grenzwert liegt bei 15 cm²/l Fremdstoffe und führt zu einer deutlich strengeren Regelung der Fremdstoffe als in der Düngemittelverordnung. Um die beschriebenen Grenzwerte einhalten zu können, empfiehlt die BGK einen Fremdstoffgehalt in der Biotonne von maximal 1 Gew.-%. Dieser wird allerdings nach vorliegenden Informationen in kaum einer Kommune erreicht.
Neben den Grenzwerten für das finale Kompostprodukt gelten ab Mai 2025 zusätzlich Kontrollwerte für dem Fremdstoffgehalt des Bioabfalls. Diese müssen im Zuge der Sammlung vor der Anlieferung an die Vergärungs- oder Kompostierungsanlage erreicht werden und stellen sich folgendermaßen dar:
- Maximal 1,0 Gew.-% Kunststoffe größer 20 mm bei festen Bioabfällen (Frischmasse) aus der getrennten Sammlung von Privathaushalten und Kleingewerbe
- Maximal 0,5 Gew.-% Kunststoffe größer 20 mm bei sonstigen festen Bioabfällen (Frischmasse)
- Maximal 0,5 Gew.-% Kunststoffe größer 2 mm bei flüssigen, schlammigen und pastösen Bioabfälle (Trockenmasse; v. a. Substrat aus entpackten Lebensmitteln)
Besteht der Verdacht, dass eine angelieferte Charge zu hohe Fremdstoffanteile aufweist, müssen die Fremdstoffe reduziert werden. Bei Unklarheit muss der konkrete Kunststoffgehalt durch eine Untersuchung ermittelt werden (Chargenanalyse). Werden die Kontrollwerte überschritten, muss die zuständige Behörde informiert werden. Bei Fremdstoffanteilen über 3,0 Gew.-% hat der Bioabfallbehandler das Recht, die Charge vollständig zurückzuweisen.
Maßnahmen zur Reduzierung des Fremdstoffanteils im Bioabfall
Kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit
Eine Öffentlichkeitsarbeit, die die Bürger*innen stetig und umfassend informiert, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Abfälle getrennt gesammelt werden. Viele Praxisbeispiele zeigen, wie sich eine vernachlässigte Öffentlichkeitsarbeit negativ auf die Sammelqualität auswirkt. Die Bürger*innen müssen verstehen, warum es sich für Ressourcen- und Klimaschutz lohnt, Bioabfälle getrennt zu sammeln. Durch eine positive Tonalität und die Vermittlung eines „Wir-Gefühls“ sollte die Mülltrennung nicht als Bürde, sondern als gemeinsame sinnhafte Aufgabe empfunden werden.
Um die breite Masse an Nutzer*innen zu erreichen, sind verschiedene Maßnahmen und Angebote notwendig. Ein lokaler Bezug kann hilfreich sein, um sich gegen die große Zahl an Werbebotschaften durchzusetzen, denen die Menschen im Alltag ausgesetzt sind. Die Öffentlichkeitsarbeit sollte einheitlich über das betroffene Gebiet erfolgen, um Widersprüche zu vermeiden.
Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit:
- Kampagnen, z.B. „Aktion Biotonne Deutschland“ und #wirfuerbio
- Printmaterial, z.B. Flyer, Broschüren, Gratis-Postkarten
- Mehrsprachige Sortierhinweise
- Aufkleber auf der Biotonne mit Sortierhinweisen
- Online-Inhalte, z.B. Webseiten, soziale Medien, FAQs, Videos, Abfall-ABC, Trennratgeber
- Beiträge in lokalen Zeitungen, Zeitschriften, Radio und TV
- Plakatwerbung im öffentlichen Raum
- Werbefläche auf Müllfahrzeugen
- Offensive kommunale Abfallberatung und Bürgerfragestunden
- Pressetermine
- Kooperation mit lokalen Persönlichkeiten
- Bildungsarbeit in Kindergärten und Schulen
- Angebote für Öffentlichkeit, z.B. Tag der offenen Tür (Vergärungsanlage, Kompostwerk, etc.)
- Bereitstellung kompostierbarer Biomülltüten und von Vorsortierbehältern
Für eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit und Beratung der Bürger*innen ist eine enge, zielorientierte Kooperation zwischen den an der Bioabfallsammlung beteiligten Akteuren elementar. Hierzu zählen nicht nur Kreisverwaltung, Kommunen, Abfuhrunternehmen und Abfallbehandler, sondern auch Wohnungsgesellschaften, Wohnungsgenossenschaften, Mietervereine und Vermietergruppen und die Biotonnennutzer*innen selbst.
Kontrolle der Abfallbehälter
Kontrollen der Biotonnen können die Öffentlichkeitsarbeit ergänzen, insbesondere in Abfuhrbezirken mit wiederholt stark verunreinigten Biotonnen. Sie können durch manuelle Sichtung und elektronische Kontroll- und Detektionssysteme (siehe „Technische Maßnahmen“) erfolgen.
Damit die Kontrollen wirkungsvoll sind, sollten sie mit Sensibilisierungs- und gegebenenfalls Sanktionsinstrumenten kombiniert werden. Bei geringfügiger Beanstandung des Tonneninhalts kann ein Hinweis zum richtigen Trennverhalten hinterlassen werden, um die Nutzer*innen zu sensibilisieren. Viele Kommunen nutzen ein Ampelsystem mit gelben und roten (sowie vereinzelt grünen) Klebekarten oder Banderolen. Bei wiederholter Beanstandung aufgrund starker Verunreinigung kann die Biotonne mit einer Benachrichtigung stehen gelassen werden. Die Nutzer*innen haben dann die Möglichkeit, ihren Abfall nachzusortieren oder separat als Restmüll gegen eine zusätzliche Gebühr entsorgen zu lassen. Diese finanzielle Sanktion muss in ihrer Höhe so gestaltet sein, dass sie oberhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt und so eine Lenkungswirkung entfaltet.
Wenn es bei einzelnen Punktquellen mit hohem Fremdstoffanteil trotz Aufklärung, Kontrollen und Sanktionen zu keiner ersichtlichen Verbesserung im Trennverhalten kommt, können diese als ultima ratio von der Getrennterfassung der Bioabfälle ausgeschlossen werden. Die Biotonne wird dann abgezogen und stattdessen ein größerer Restmüllbehälter zur Verfügung gestellt.
Anpassung der Abfallsatzung
Für Kontrollen und Sanktionen ist gegebenenfalls eine Anpassung der kommunalen Abfallsatzung notwendig. Beispielhaft im Folgenden ein Auszug aus der kommunalen Abfallwirtschaftssatzung des Landkreises Vorpommern-Rügen:
„Biotonnen und Papiertonnen, die entgegen ihrer Zweckbestimmung gefüllt wurden, können auf Antrag des Anschlusspflichtigen kostenpflichtig als Restabfallbehälter entleert werden. Im Wiederholungsfall kann der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Landkreises diese Behälter nach vorheriger Anhörung des Anschlusspflichtigen entsprechend durch Restabfallbehälternach § 10 Absatz 1 ersetzen“ (AbfS awi-vr, §15 Abs. 6).
Sonderfall: Mehrfamilienhäuser/Großwohnanlagen
Zu beachten ist, dass insbesondere bei mehrgeschossiger Wohnbebauung die Wirksamkeit von Abfallkontrollen begrenzt ist, da aufgrund geteilter Müllsammelbehälter die Verantwortlichen in der Regel weder eindeutig identifizierbar noch gezielt sanktionierbar sind. Hier können sich gezielte Aufklärungsarbeit und Kooperation mit Wohnungsgesellschaften/Vermieter*innen als wirkungsvoller erweisen. Darüber hinaus spielen bei mehrstöckigen Wohnhäusern häufig die praktischen und hygienischen Anforderungen der Bewohner*innen eine zentrale Rolle. Der weite Weg zur Biotonne erschwert den Einsatz von Mehrweg-Sammelbehältern. Meist werden die Küchenabfälle beim Verlassen des Hauses mitgenommen, weshalb der sofortige Rücktransport eines Mehrwegbehälters in die Wohnung unattraktiv ist. Stattdessen werden (Bio-)Plastiktüten verwendet, die dann häufig als Fremdstoff in der Biotonne landen. Gemeinsam mit Architekt*innen, Wohnungsgesellschaften und Hausverwaltungen sollten daher nutzerfreundliche Lösungen gefunden werden.
Das Umweltministerium in Baden-Württemberg bietet Kommunen ein umfassendes Paket an Maßnahmenvorschlägen für mehrgeschossige Wohnanlagen.
Standardisiertes Monitoring
Fundiertes Wissen über die Fremdstoffanteile in den Biotonnen ist die Grundlage dafür, Maßnahmen zur Reduzierung der Störstoffe abzuleiten und deren Wirksamkeit zu überprüfen. Die Bundesgütegemeinschaft Kompost bietet hierfür die Methode der „Gebietsanalyse“ an. Diese basiert auf der Sächsischen Sortierrichtlinie, welche bundesweit als Grundlage für Sortieranalysen von Restabfällen verwendet wird, und wurde für die Analyse von Bioabfällen angepasst. Durch das standardisierte Vorgehen werden belastbare und vergleichbare Daten über die Art und Menge der Fremdstoffe eines Entsorgungsgebiets generiert. Die Analysen werden in der Regel von den kommunalen Entsorgungsträgern ausgeschrieben und durch geeignete Untersuchungsstellen durchgeführt.
Die Ergebnisse der Gebietsanalyse können für Vereinbarungen zwischen Kommune und Bioabfallverwerter über die Qualität des gelieferten Bioguts genutzt werden. Des Weiteren dienen sie dazu, Kommunikationsmaßnahmen und Biotonnen-Kontrollen in den Sammelgebieten zu optimieren.
Vereinbarungen zur Sortenreinheit
Verträge zwischen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (örE) und Bioabfallbehandlern sollten Vereinbarungen über die zugesicherte Sortenreinheit der bereitgestellten Bioabfälle enthalten. Wird die Sortenreinheit nicht eingehalten, sind entsprechende Gebühren fällig. Dadurch wird ein Anreiz für Kommunen geschaffen, den Fremdstoffgehalt möglichst niedrig zu halten. Insbesondere bei Neuausschreibungen der Entsorgungsdienstleistung bietet es sich an, eine hohe Bioabfallqualität vertraglich zu gewährleisten. Aber auch bei bestehenden Verträgen können unter Umständen Anpassungsverhandlungen angestrebt werden.
Technische Maßnahmen
Durch Detektionssysteme an den Sammelfahrzeugen können Fremdstoffe in der Biotonne besser identifiziert werden. Sie ermöglichen eine flächendeckende, objektive und standardisierte Erfassung der Qualität des Bioguts. Bisherige Detektionstechnologien sind jedoch auf metallische Abfälle, also zum Beispiel Dosen, Chipstüten und bestimmte Verbundverpackungen beschränkt. Für die Detektion nicht-metallischer Abfälle, insbesondere Kunststoffabfälle, ist eine visuelle Kontrolle daher unumgänglich.
Die Möglichkeiten der Fremdstoffentfrachtung durch technische Maßnahmen im Kompostwerk sind begrenzt und werden allein keinesfalls zur notwendigen Einhaltung der Grenzwerte führen können. Laut Expert*innen ist die Vermeidung von Zerkleinerungsprozessen, zum Beispiel durch rotierende Aggregate, in Kombination mit einer fachgerechten Kompostierung mittels Intensiv- und Nachrotte in Tunneln eine Möglichkeit zur Erzeugung gut klassierbarer Rohkomposte. Dies ist Voraussetzung, um ein fremdstoffarmes Endprodukt herstellen zu können. Weitere Optionen könnten die Nutzung des Potenzials moderner Technologien wie Deep-Learning-Architekturen bei der Kontrolle und Sortierung von Biogut sein.
Best-Practice-Beispiele aus den Kommunen
Erhebungen des NABU zeigen, wie sich die Sammelmengen von Bioabfall je nach Kommune unterscheiden. Dies geht auf unterschiedliche Siedlungsstrukturen zurück, aber auch auf Maßnahmen, die Kommunen ergriffen haben, um die Nutzung der Biotonne zu erhöhen. Die Steigerung der Quantität und die Verbesserung der Qualität der Bioabfallsammlung muss hierbei Hand in Hand gehen. Zahlreiche Kommunen haben Maßnahmen ergriffen, um Fremdstoffe in der Biotonne zu reduzieren. Im Folgenden stellt der NABU ausgewählte Best-Practice-Beispiele vor.
Kreis Euskirchen – der Vorreiter
- 156 Einwohner*innen pro km² (2020)
- Sammelmenge Biotonne: 140 kg pro Einwohner*in und Jahr (2020)
Ausgangssituation
Die Biotonne wurde im Kreis Euskirchen bereits im Jahr 1995 flächendeckend eingeführt. Nach anfänglich guten Biogutqualitäten stieg der Fremdstoffanteil in der Tonne in den Folgejahren kontinuierlich an – im Jahr 2000 auf durchschnittlich über 4 Gew.-%. Einzelne Frachten wiesen Fremdstoffgehalte von über 10 Gew.-% auf. Im Abfallwirtschaftskonzept des Kreises wurden daraufhin Maßnahmen eingeleitet.
Maßnahmen
Durch Öffentlichkeitsarbeit wurden die Bürger*innen kontinuierlich informiert. Diese umfasste Informationsbroschüren für alle Haushalte, fremdsprachige Infoblätter sowie Pressemitteilungen zu den Themen Mülltrennung und Fremdstoffe im Biogut.
Zusätzlich wurden die Biotonnen punktuell mit Hilfe eines Detektionssystems kontrolliert. Bei geringfügiger Beanstandung des Tonneninhalts wurde eine gelbe Infokarte mit Hinweisen zur richtigen Trennung hinterlassen. Bei wiederholten Fehlwürfen wurde eine rote Karte angebracht und die Tonne stehen gelassen. Die Nutzer*innen konnten dann entweder nachsortieren oder das Gefäß durch Kauf einer Gebührenmarke als Restmüll beseitigen lassen (240 Liter = 20 Euro).
Um entsprechende Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen durchführen zu können, wurde die Abfallsatzung angepasst.
Als Anreiz für die Kommune, möglichst sortenreines Biogut beim Abfallbehandler anzuliefern, vereinbarte man einen höheren Gebührentarif für die Behandlung und Verwertung von Biogut mit mehr als 3 Gew.-%.
Ergebnisse
In Folge der Maßnahmen konnte eine deutliche Verbesserung der Qualität des Bioguts festgestellt werden. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde unter anderem im Rahmen der Kampagne #wirfuerbio weitergeführt. Die Tonnenkontrollen erfolgen verstärkt in Gebieten mit Verbesserungsbedarf. Zusätzlich wurde der Kontakt mit Wohnungsgesellschaften gesucht, um geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Abfallqualität in Großwohnanlagen zu erarbeiten.
Schwarzwald-Baar-Kreis – der Analyst
- 208 Einwohner*innen pro km² (2021)
- Sammelmenge Biotonne: 48 kg pro Einwohner*in und Jahr (2021)
Ausgangssituation
Die Einführung der flächendeckenden Biotonne im Schwarzwald-Baar-Kreis ging mit einem Bündel an Maßnahmen einher, um die Qualität des Bioguts sicherzustellen. Dies umfasste unter anderem Tonnenkontrollen mittels Detektionssystem sowie stichprobenartige Sichtkontrollen. Bei geringfügiger Beanstandung des Tonneninhalts wurde eine gelbe Infokarte, bei wiederholt starker Verunreinigung eine rote Karte angebracht und die Biotonne stehen gelassen. Die Nutzer*innen konnten dann entweder nachsortieren oder die Tonne durch Zahlung einer zusätzlichen Gebühr als Restmüll beseitigen lassen. Um den Erfolg dieser Maßnahmen bewerten zu können, wurde eine fundierte Analyse des Bioguts benötigt.
Maßnahmen
Die LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg wurde mit der Analyse des Fremdstoffgehalts in den Biotonnen im Landkreis beauftragt (Gebietsanalyse). Als Leitfaden dienten die Methodenvorschriften für die Qualitätskontrolle von Biomüll der BGK. Im Ergebnis wies die Gebietsanalyse einen mittleren Gehalt an Fremdstoffen von 2,6 Gew.-% nach.
Ergebnisse
Die Gebietsanalyse ermöglichte einen fundierten Überblick über den Status Quo der Bioabfallsammlung im Kreis. Daraus wurden weitere Maßnahmen abgeleitet.
Der Kreis vereinbarte mit dem lokalen Bioabfallverwerter eine Bonusregelung. Demnach erhält der Kreis einen günstigeren Abnahmepreis, wenn der Fremdstoffanteil im Bioabfall unter 2 Gew.-% liegt. Der Fremdstoffgehalt muss vom Kreis durch regelmäßige Gebietsanalysen nachgewiesen werden. Durch die Bonusregelung wird ein deutlicher Anreiz gesetzt, die Sammelqualität weiter zu verbessern.
Die Sammelmenge des Landkreises liegt mit 48 kg pro Einwohner*in und Jahr unter dem Bundesdurchschnitt. Die Kommune sollte die flächendeckende Nutzung der Biotonne daher weiter vorantreiben, in Kombination mit Maßnahmen zur Reduzierung des Fremdstoffanteils.
Kreisfreie Stadt Münster – die Eifrige
- 1.043 Einwohner*innen pro km² (2020)
- Sammelmenge Biotonne: 55 kg pro Einwohner*in und Jahr (2020)
Ausgangssituation
Die Biotonne wurde in der Stadt Münster im Jahr 1998 flächendeckend eingeführt. 2017 lag der Fremdstoffanteil im Bioabfall bei durchschnittlich ca. 3,5 Gew.-% und wies insbesondere einen hohen Anteil an Plastiktüten und Folienbeuteln auf.
Maßnahmen
Mit der Aktion Biotonne Münster wurde ab Sommer 2017 in einer groß angelegten Kampagne Öffentlichkeitsarbeit betrieben, um die Qualität und Menge des gesammelten Bioabfalls zu erhöhen. In der ersten Phase wurde ein öffentlicher Auftaktpressetermin durchgeführt, Aufkleber „Kein Plastik“ auf allen Biotonnen und Plakate an öffentlichen Orten angebracht sowie Informationen an alle 144.000 Haushalte verschickt. In der zweiten Phase wurden Papier-Biotüten und Vorsortierbehälter angeboten, Broschüren und Gratis-Postkarten verteilt, Aufsteller auf Recyclinghöfen platziert und Sonderseiten in der Lokalzeitung geschaltet. In der dritten Phase wurde eine kontinuierliche Sensibilisierung für das Thema sichergestellt, unter anderem mit Hilfe des „Biomobils“,ein Sammelfahrzeug mit auffälligen und informativen Gestaltungsmerkmalen, regelmäßigen Plakatwerbungen sowie Infoständen auf Wochenmärkten.
Ein weiterer Baustein der Kampagne war schließlich die Einführung von Tonnenkontrollen, um besondere „Härtefälle“ sanktionieren zu können. Bei geringfügiger Beanstandung des Tonneninhalts wurde eine gelbe Infokarte mit Hinweisen zur richtigen Trennung hinterlassen. Bei wiederholt starker Verunreinigung der Biotonne wurde eine rote Karte angebracht und der Sammelbehälter stehen gelassen. Die Nutzer*innen konnten dann entweder nachsortieren oder das Gefäß durch Kauf einer Gebührenmarke als Restmüll beseitigen lassen (bis 120 Liter = 15 Euro). Um den durch die Kontrollen verursachten Mehraufwand zu bewältigen, wurden zwei neuen Stellen geschaffen.
Ergebnisse
Die Öffentlichkeitskampagne erhöhte das Bewusstsein für die Biotonne. Laut einer repräsentativen Umfrage wussten Ende 2017 bereits 73 Prozent der Bürger*innen, dass kompostierbare Folienbeutel nicht in die Biotonne geworfen werden dürfen. Vor der Kampagne waren es nur 27 Prozent. Der durchschnittliche Fremdstoffanteil in der Biotonne sank von 3,5 Gew.-% im Sommer 2017 auf 1,9 Gew.-% im Frühjahr 2018.
NABU-Forderungen: Minimaler Fremdstoffanteil – maximale Sammelmenge
- Kommunen müssen Maßnahmen zur Reduktion des Fremdstoffanteils ergreifen. Diese sollten langfristig angelegt sein, entsprechende Stellen in den Behörden und Entsorgungsunternehmen müssen geschaffen werden.
- „Weiche“ (z.B. Abfallberatung) und „harte“ Maßnahmen (z.B. Tonnenkontrollen und Sanktionen) müssen sich sinnvoll ergänzen.
- Technische Ansätze, die die Fremdstoffe einzelner Chargen entfrachten, können Maßnahmen am Beginn der Abfallerfassung (bessere Mülltrennung) ergänzen, nicht aber ersetzen.
- Bioabfallbehandler sollten verpflichtet werden, alle Untersuchungsergebnisse von Fremdstoffanalysen an die Behörden zu übermitteln.
- Verpflichtende Mindeststandards für die kommunale Abfallberatung sollten bundesweit festgelegt werden.
- NABU-Forderungen zur Steigerung der Bioabfallsammelmengen finden Sie hier.
Weiterführende Literatur und Links
- Aktion Biotonne Deutschland
- Aktion "Wir für Bio"
- Bundesgütegemeinschaft Kompost (2020): Sortenreine Bioguterfassung
- Bundesgütegemeinschaft Kompost (2019): Kunststoffe in Kompost und Gärprodukten
- Kehres, B. (2018): Problem Fremdstoffe/Kunststoffe in Bioabfall und Kompost
- Kehres, B. (2018): Standardisierung der Untersuchung von Fremdstoffen in Bioabfällen
- Umweltbundesamt (2019): Ermittlung von Kriterien für eine hochwertige Verwertung von Bioabfällen und Ermittlung von Anforderungen an den Anlagenbestand
- Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie (2019): Leitfaden zur hochwertigen Behandlung und Verwertung von Bio-und Grüngut im Freistaat Thüringen
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