Junger Hausrotschwanz - Foto: Frank Derer
Mischbruten bei Rotschwänzen und Störchen
Patchwork in der Vogelwelt
Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen den Himmel erhellen, erhebt der Hausrotschwanz seine Stimme. So vielfältig wie sein Gesang ist manchmal sein Familienstand. Denn hin und wieder stimmt ein anderer Sänger mit ein: der Gartenrotschwanz. Und manchmal endet diese Begegnung mit einer Familienüberraschung, Mischbrut.
Plan B für die Fortpflanzung
Dann teilen sich Hausrotschwanz und Gartenrotschwanz nicht nur die Bühne, sondern auch das Nest – eine außergewöhnliche Familienkonstruktion, die zeigt, wie kreativ die Natur das Zusammenleben gestalten kann. „Das Besondere an Mischbruten von Haus- und Gartenrotschwanz ist, dass der Nachwuchs voll fruchtbar, also fortpflanzungsfähig ist“, erklärt der Ornithologe Bernd Nicolai, ehemaliger Direktor des Museums Heineanum.
Das Phänomen der gemischten Fortpflanzung hat einige Vorteile, die das Überleben der Art sichern können. Die genetische Vielfalt, die durch die Paarung mit mehreren Männchen gefördert wird, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachkommen besser an sich ändernde Umweltbedingungen angepasst sind. Dadurch kann eine Population widerstandsfähiger gegen Krankheiten, Temperaturschwankungen und andere Umweltveränderungen werden.
Wenn aus Nachbarn Eltern werden
Die Lebensräume von Hausrotschwanz und Gartenrotschwanz überschneiden sich teilweise, vor allem in ländlichen Gebieten und im städtischen Raum, wo Gärten und Parks die notwendige Vegetation bieten. Die Kombination aus offenen Flächen, geeigneten Nistplätzen und abwechslungsreicher Vegetation zieht beide Arten gleichermaßen an.
„Neben allen anderen Gründen spielt es eine Rolle, ob genügend Partnerinnen der eigenen Art zur Verfügung stehen. Ist dies nicht der Fall, kann es zu Mischbruten kommen, bei denen die Hybriden die Merkmale beider Eltern aufweisen. Das Brutverhalten der Vögel folgt einem festgelegten genetischen Programm und umfasst verschiedene Aspekte wie die Wahl des Nistplatzes, die Größe des Geleges und die Häufigkeit der Bruten pro Jahr. Alle diese Entscheidungen liegen in der Verantwortung des Weibchens, das instinktiv die optimalen Bedingungen für den Fortbestand des Nachwuchses schafft.“
Wer ist wer?
„Männliche Hybriden sind hierzulande zwar durch die ausgedehnte schwarze Kehl- und rote Brustfärbung gekennzeichnet, aber nur schwer von den asiatischen Unterarten zu unterscheiden, die selten ihren Weg nach Mitteleuropa finden. In freier Wildbahn ist ein Hybridweibchen wohl nicht zu erkennen“, erklärt Nicolai. Sie sind daher auch kaum beschrieben. Was man allerdings feststellen konnte: Unter den Hybriden dominiert der Gesang des Hausrotschwanzes.
Und so teilen sich Haus- und Gartenrotschwanz nicht nur Lebensraum und Gesang, sondern zeigen mit ihrer ungewöhnlichen Partnerschaft Einfallsreichtum und Anpassungsfähigkeit. Was wie eine Laune der Natur anmutet, ist eine clevere Überlebensstrategie: zwei Arten, ein gemeinsames Nest – der beste Beweis dafür, dass das Leben manchmal ganz eigene Wege geht. Wie im vergangenen Jahr in Niedersachsen. Dort fanden überraschend eine Schwarzstörchin und ein Weißstorch zueinander, trotz sehr unterschiedlicher Lebensweisen.
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Junges Gartenrotschwanzmännchen bei der Herbstrast auf Helgoland - Foto: Nadine Röhnert/www.naturgucker.de
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Gartenrotschwanzmännchen - Foto: Frank Derer
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Hausrotschwanzmännchen mit Insektenbeute - Foto: Frank Derer
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Gartenrotschwanzweibchen - Foto: NABU/Ursula Doll
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Hausrotschwanzweibchen - Foto: Frank Derer
Vogelliebe in Schwarz und Weiß
„Schwarzstörche sind eher scheu und meiden menschliche Siedlungen. Sie sind Kulturflüchter, während Weißstörche als Kulturfolger auch auf Wiesen und Weiden nach Nahrung suchen“, erklärt Kai-Michael Thomsen, Storchenexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Michael-Otto-Instituts im NABU. Während der Weißstorch Gras als Nistmaterial bevorzugt, nutzte die Schwarzstörchin Moos; statt Fröschen jagte sie eher Mäuse und Insekten. Dennoch gelang es dem ungewöhnlichen Paar, zwei Küken großzuziehen.
Warum sie sich gefunden haben, ist nicht abschließend geklärt. Tatsächlich hatte die Schwarzstörchin bereits im Jahr zuvor versucht, die Aufmerksamkeit mehrerer Weißstörche zu gewinnen. Doch erst als „Ilse“, die ursprüngliche Partnerin von Weißstorch „Heinrich“, nicht aus ihrem Winterquartier zurückkehrte, ließ sich Heinrich auf die Annäherungsversuche der Schwarzstörchin ein. „Weißstörche sind nicht ein Leben lang treu, wie manchmal angenommen wird“, erläutert Thomsen. „Sie führen eine Saisonehe. Im Normalfall kehren sie zu ihren Ursprungsnestern zurück, was den Eindruck erweckt, als würden sie ein Leben lang zusammenbleiben.“
In diesem Jahr jedoch sind die Schwarzstörchin und der Weißstorch getrennte Wege gegangen. Ihre Jungvögel sind flügge und könnten frühestens 2025 zurückkehren. Falls sie sich das Verhalten des Weißstorchvaters abgeschaut haben, werden sie sich vermutlich in einem Radius von 70 bis 80 Kilometern um ihr Geburtsnest niederlassen. Storchenexperte Thomsen ist sicher: Kehren die Jungvögel eines Tages zurück, wird man sie wiedererkennen.
Katrin Jetzlsperger (aus „Naturschutz heute“ 4/24)
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