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Wie sich Vögel am Futterhaus verhalten
Eine weiße Schneedecke überzieht an diesem sonnigen Januarmorgen das Land. Als ich den Rollladen hochziehe, herrscht am Futterhaus Hochbetrieb. Meisen und Finken, zwei Kleiber und ein Buntspecht sind da.
Vogelfüttern ist Vogelgucken in der ersten Reihe: Bequem vom Fenster aus der warmen Wohnung kann man wildlebende Vogelarten hautnah erleben und ihr Verhalten studieren: Welche Arten kommen und wann? Welches Futter wählen sie und wie bearbeiten sie es? Wer streitet mit wem? Die Voraussetzungen, Vögel am Futterhaus kennen zu lernen, sind nicht schlecht. In Gärten ist unter optimalen Bedingungen mit zwei bis drei Dutzend Arten zu rechnen.
Was die Meisen unterscheidet
Häufigster Besucher ist die Kohlmeise. Sie holt sich einzelne Sonnenblumenkerne, trägt sie auf einen Ast, fixiert sie mit dem Fuß und hämmert ein Loch in die Schale, um sie dann abzureißen. Die kleineren, ebenfalls häufigen Blaumeisen schaben mit dem Schnabel einen Spalt in den Kern.
Kohlmeisen-Männchen mit dem breiten schwarzen Streifen auf gelber Brust sind die Chefs und vertreiben rangniedere Meisen. Gleichrangigen drohen sie mit erhobenen Flügeln, gespreiztem Schwanz und geöffnetem Schnabel. Mancherorts kommen die wenig scheuen Sumpfmeisen vor. Flink holen sie einen Kern und tragen ihn weg, um ihn in sicherer Distanz zu bearbeiten. In Waldnähe finden sich Tannen- und Haubenmeisen ein, die eher zurückhaltend und in der Rangfolge nachgeordnet sind.
„Kleine“ Meisenarten haben keine großen Hemmungen, Futter von der Hand aufzunehmen. Im Kurpark oder Stadtgarten sind es oft diese Arten, die man mit „Körperkontakt“ erleben kann. Meisen sind Zweigturner. Während die robusten Kohlmeisen im Geäst Nahrung suchen, hängen sich die zierlicheren Blau- oder Tannenmeisen an die äußeren dünnen Zweigenden. Diese unterschiedliche ökologische Einnischung bei der Nahrungsnutzung kann man auch am Futterhaus sehen, wenn Kohlmeisen am Futtersilo sitzen und die „kleinen“ Meisen am Meisenknödel hängen.
Man rückt sich näher
Der Winter bringt erhebliche Verhaltensänderungen mit sich. Bei vielen Vögeln nimmt die Territorialität ab, man duldet sich und bildet lockere Gruppen, um gemeinsam Nahrung zu finden. Da sich Angebote wie Beeren oder Samenstände rasch erschöpfen, müssen Vogeltrupps mobil sein und streifen ständig umher. Gerne genutzt werden Futterangebote auf Bauernhöfen oder eben am Futterhaus. Auch wenn es Stammgäste gibt, wechseln die meisten Individuen ständig, so dass nur selten die Kohlmeise, die im Frühjahr im Nistkasten gebrütet hat, dieselbe ist, die im Winter am Futterhaus frisst.
Nicht alle Arten trauen sich in Menschennähe. Kohlmeisen und Grünfinken haben kein Problem und sind häufige Besucher. Natürlich bestimmt auch das Angebot, welche Vögel zur Futterstelle kommen, denn viele Arten haben besondere Vorlieben. Für das schneefreie Getreide auf dem Bauernhof interessieren sich Körnerfresser wie Haus- und Feldsperlinge oder Goldammern. Meisen und Schwanzmeisen nutzen Fett sowie fett- und stärkehaltige Samen in Meisenknödeln, Stieglitze und Rotkehlchen Weichfutter wie Haferflocken.
Viele Arten verteidigen ihr Futter. Bekannte „Kämpfer“ sind die Grünlinge. Sie wollen den Futterplatz für sich und tolerieren in Schnabelhackweite kaum einen anderen Vogel und drohen ständig. Allein durch forsches Auftreten oder Körpergröße sind Kohlmeisen, Kleiber und Kernbeißer gegenüber anderen Vogelarten überlegen – wenn sie auftauchen, weichen die anderen zurück.
Familienväter und Zuzügler
Amseln und Wacholderdrosseln lieben Beeren, aber auch angefaultes Fallobst oder ausgelegte Apfelstücke. Dominante Amselmännchen mit ihrem tiefschwarzen Gefieder und goldgelben Schnabel verteidigen Vogelbeerbüsche bis zur letzten Beere. Manche Amsel besetzt blockierend das Futterhäuschen, pickt ihre Lieblingsfutterbrocken und wirft den Rest mit einem Schnabel-Wisch hinunter – und arbeitet damit einer Reihe von Vögeln zu, die nicht oder selten aufs Futterbrett kommen und lieber Futter am Boden aufnehmen.
Zu ihnen zählen Zaunkönig, Heckenbraunelle und Buchfink. Letzterer ernährt sich von Bucheckern, kommt aber auch in Trupps an Futterstellen. Buchfinken flüchten schnell, wenn man ganz genau hinschaut, handelt es sich meistens um erwachsene Männchen. Der Rest der Familie wandert im Winter ins mildere Südwesteuropa ab.
Umgekehrt können wir uns über Zuzügler und „Winterflüchter“ aus Nordosteuropa freuen. Wintereinbrüche lassen bei uns Millionen Bergfinken einfliegen, von denen sich manche unter Buchfinkenschwärme mischen und am Futterhaus erscheinen. Auch der imposante Kernbeißer oder der in unregelmäßigen Invasionen auftauchende, bunte Seidenschwanz sind Wintergäste. Und natürlich die Erlenzeisige: Immer im Schwarm hängen sie in Erlen und Birken und picken Samen. Auch am Futterhaus holen sie kopfunter hängend Erdnüsse und Samen aus Futterspendern. Ebenfalls im Trupp tauchen Schwanzmeisen auf. Meistens streift ein gutes Dutzend Vögel im lockeren Verband durch den Garten. Sie lieben Fettfutter. Akrobatisch hängen sie oft zu mehreren an der Fettfutterglocke.
Dauerbeschäftigung Futtersuche
Wintertage sind kurz. Meisen wenden die meiste Zeit des Tages zur Futtersuche auf und sind dann genauso aktiv wie während der Jungenaufzucht. Je kleiner ein Vogel, umso mehr Futtersuche: Kohlmeisen sind zu 75, Blaumeisen zu 90 Prozent und das nur fünf bis sechs Gramm schwere Goldhähnchen den ganzen Tag am Suchen und Fressen.
Im Winter sind Singvögel zwar schwerer, sie können sich aber keine Fettdepots für längere Zeit anfressen, sondern nur wenige Gramm für die nächste Nacht. Deshalb gibt es Stoßzeiten am Futterhaus: Morgens, wenn alle Reserven aufgebraucht und die Vögel hungrig sind, herrscht der größte Andrang. Gegen Mittag flaut das Interesse ab und am Nachmittag und in der Dämmerung nimmt es erneut zu. Und die Vögel versuchen, Energie zu sparen. Mit kugelrund aufgeplustertem Gefieder sitzen nicht nur Rotkehlchen an Frosttagen auf den Zweigen. Das Luftpolster zwischen den aufgestellten Federn isoliert gegen die Kälte.
Während Sumpfmeisen oder Kleiber nur wenige Sekunden auftauchen und mit einem Futterstück verschwinden, sitzen Sperlinge oder Amseln oft minutenlang. Weggetragenes Futter wird andernorts bearbeitet oder versteckt. Kleiber klemmen Kerne und Nüsse in Rindenspalten, um sie aufzuklopfen oder legen Depots an. Sonnenblumen oder Haselnussbüsche auf dem vermoosten Dach oder in Mauerritzen sprießen oft aus ehemaligen Kleiberdepots.
Erst Vertrauen fassen
Nicht alle Vögel nähern sich Futterstellen unbefangen. Typische „Argwöhner“ sind Gimpel und Haussperlinge. Erst wenn sie Vertrauen gefasst haben, belagern sie den Futterplatz oft in großer Zahl. Familientrupps der Gimpel kommen erst, wenn sie Zutrauen haben oder Artgenossen an der Futterstelle sehen. Rotkehlchen erscheinen meistens einzeln, denn sie sind auch im Winter territorial. Oft sind es zwar mehrere Vögel, die zum Fressen kommen, aber immer einzeln und abwechselnd, gemeinsam würden sie sich nicht vertragen.
Durch ihre Größe beeindrucken Spechte, Tauben und Eichelhäher. Sind große Bäume oder der Waldrand nicht fern, suchen Bunt- und Mittelspechte Futterstellen auf. Eichelhäher füllen sich den Kehlsack mit Futterstücken, Ringel- oder Türkentauben sitzen oft länger am Futterbrett, um Samen aufzupicken. Außergewöhnliche Besucher sind in alpennahen Tallagen Hochgebirgsvögel wie Alpendohlen und Alpenbraunellen.
Ein spektakulärer Besucher ist schließlich der Sperber. Er holt sich keine Kerne, dafür aber einzelne Singvögel, die 90 Prozent seiner Nahrung ausmachen. Als Überraschungsjäger hat er aus der Entfernung die Schar am Futterhaus beobachtet und schießt plötzlich mit 70 Stundenkilometern um die Hausecke, greift sich einen ahnungslosen Sperling und ist schon wieder verschwunden. Dann herrscht zunächst erschrecktes Erstarren und dann zeternde Aufregung am Futterplatz.
Wer das muntere Treiben vor dem Fenster verfolgt, kann viele interessante Entdeckungen machen. Denn Vögel beobachten macht Spaß – und der kann am Futterhaus beginnen.
Stefan Bosch
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