Gemeldete Verdachtsfälle von kranken und toten Blaumeisen 2021 - Grafik: NABU
Erste Verdachtsfälle gemeldet
Blaumeisensterben im Frühjahr 2021?
Update, 19. April 2021 - Die Zahl der in diesem Jahr beim NABU gemeldeten Verdachtsfälle toter und kranker Blaumeisen beträgt inzwischen 1498. Die Zahl der täglich eingehenden Meldungen steigt weiterhin an und liegt derzeit bei bundesweit etwa 50 Fällen pro Tag. Der regionale Schwerpunkt der Meldungen liegt weiterhin im Norden des Landes.
Da während der ersten großen Blaumeisen-Epidemie im vergangenen Jahr die Meldemöglichkeit von Verdachtsfällen erst am 8. April freigeschaltet worden war, ist erst jetzt ein vorsichtiger Vergleich mit dem Vorjahr möglich: Die Anzahl der täglich gemeldeten Fälle beträgt bisher weniger als ein Zehntel des Vorjahres. Allerdings scheint der Gipfel der Krankheits-Saison in diesem Jahr noch nicht erreicht, während er im Vorjahr um den 10. April lag. Der Höhepunkt der Welle liegt daher offensichtlich um mindestens eine Woche später als im Vorjahr, was mit dem in diesem Jahr deutlich verzögerten Frühjahr zusammenhängen dürfte. Die Region mit den meisten Verdachtsfällen liegt derzeit deutlich weiter nördlich als 2020. Damals war ein Streifen in der Mitte Deutschlands von Luxemburg bis ins westliche Thüringen besonders betroffen. Dies wäre typische für die Ausbreitung eines neuen Krankheitserregers, der immer dort größere Opfer fordert, wo er auf eine immunologisch naive Population trifft.
Bei den Laboruntersuchungen der im Jahr 2020 eingesandten toten Vögel konnte der bakterielle Erreger des Blaumeisensterbens namens Suttonella ornithocola außer bei Blaumeisen in wenigen Fällen auch bei anderen Vogelarten festgestellt werden. Suttonella-positiv waren auch mehrere Kohlmeisen und je eine Mönchsgrasmücke, Heckenbraunelle und ein Gartenbaumläufer.
Tote Meisen melden
Um den Verlauf der Krankheit weiter zu beobachten, bittet der NABU weiterhin darum, Fälle von kranken oder offensichtlich an Krankheit verstorbenen Vögeln zu melden.
Zum Online-FormularVideo einer erkrankten Blaumeise
Update, 8. April 2021 - Im Kalenderjahr 2021 sind inzwischen fast 900 Verdachtsmeldungen toter und kranker Blaumeisen beim NABU eingegangen. Die Zahl der Meldungen steigt dabei seit Mitte März deutlich an. Derzeit gehen pro Tag bereits über 30 Verdachtsmeldungen beim NABU ein.
Auch ein regionaler Schwerpunkt der Herkunft der Meldungen zeichnet sich bereits ab: Besonders viele Meldungen kommen in diesem Jahr aus den nördlichen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und den Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Beides deutet darauf hin, dass nach dem erstmaligen großräumigen Ausbruch eines Blaumeisensterbens dasselbe Phänomen auch in diesem Jahr wieder zu beobachten ist. Allerdings scheint sich der regionale Schwerpunkt im Vergleich zum Vorjahr nach Norden verschoben zu haben.
Bisher lässt sich die Stärke der durch das Bakterium Suttonella ornithocola ausgelösten Epidemie noch nicht mit dem Vorjahr vergleichen. Damals rief der NABU erst ab dem 8. April zur systematischen Meldung von Verdachtsfällen erkrankter oder verstorbener Meisen auf. Der NABU bittet auch in diesem Jahr darum, verstärkt auf tote oder kranke Meisen, insbesondere Blaumeisen zu achten und diese über das Online-Meldeformular zu melden. Auf diese Weise können die Entwicklung und die Auswirkungen dieser neuartigen Vogelkrankheit verfolgt und erforscht werden.
Update, 10. März 2021 - Im Jahr 2020 erreichten den NABU um den 10. März die ersten Meldungen von Blaumeisen, die offensichtlich krank sind und kurz darauf versterben. Bis Jahresende wurden über ein daraufhin eingerichtetes Meldeformular über 24.000 Verdachtsmeldungen dieser Epidemie an den NABU gemeldet. Mehr als 400 tote Vögel wurden zudem an unsere Laborpartner*innen übersandt und wurden dort untersucht.
Ziemlich genau die Hälfte der bisher beprobten Vögel ist an einer Infektion mit dem in Deutschland neuartigen Bakterium Suttonella ornithocola gestorben, was damit als Auslöser der Epidemie identifiziert werden konnte. Dieses bisher vor allem aus Großbritannien bekannte Bakterium befällt fast ausschließlich kleine Meisenarten wie die Blaumeise. Ein großer Teil der übrigen Vögel erlag allerdings einem Schädeltrauma, z.B. durch den Anflug gegen eine Glasscheibe, auch wenn diese Vögel meist weitab von Fenstern gefunden wurden.
Die Epidemie begann im März, hatte um den 10. April ihren Höhepunkt und war Ende April schon fast wieder vorbei. Hauptsächlich betroffen war ein Streifen von Luxemburg bis Thüringen sowie vom Ruhrgebiet bis ins nördliche Niedersachsen.Da die Krankheit saisonal im Frühjahr auftritt, ist aber damit zu rechnen, dass jetzt im März und April 2021 eine weitere Welle auf die Meisen wartet.
Erste Verdachtsmeldungen, die zu den typischen Symptomen der Krankheit passen, sind bereits beim NABU eingegangen. Eine auffällige Häufung oder klare regionale Schwerpunkte sind jedoch noch nicht erkennbar. Halten Sie in den kommenden Wochen die Augen offen und melden Sie verdächtige kranke oder verstorbene Blaumeisen oder andere Kleinvögel. Nur so können wir herausfinden, ob die Epidemie des vergangenen Jahres ein einmaliges Ereignis war oder der Beginn eines jährlich wiederkehrenden Problems.
Zum Onlineformular
Update, 18. Mai 2020 - Bis zum 14. Mai sind 19.500 Verdachtsmeldungen zum durch das Bakterium Suttonella ornithocola verursachten Blaumeisensterben eingegangen. Diese Meldungen betreffen knapp 36.000 Vögel – neben Blaumeisen in geringer Zahl auch andere Vogelarten. Gleichzeitig nehmen jahreszeitbedingt nun auch wieder die Meldungen möglicherweise am Usutu-Virus verendeter Amseln zu, die über eine separate Meldemöglichkeit gesammelt werden.
Wie die Darstellung der Meldungen pro Fundtag (siehe Bildergalerie) deutlich zeigt, ist die große Welle der Epidemie in der zweiten Hälfte des April deutlich abgeflaut. Seit dem 29. April hat sich das Niveau der Meldungen auf nur noch etwa 150 Meldungen pro Tag eingependelt. Ob sich unter den toten Vögeln aus diesem Zeitraum tatsächlich noch Suttonella-Opfer befinden, oder ob dieses Niveau nun lediglich eine Reflexion der normalen Sterblichkeit von Blaumeisen ist, lässt sich erst mit Sicherheit beantworten, wenn die ersten Opfer aus dieser Zeit im Labor untersucht worden sind. Darauf, dass der Anteil der normalen Sterblichkeit an den Verdachtsmeldungen in den letzten beiden Wochen deutlich höher ist, deutet auch die Tatsache hin, dass die Melderate in den besonders betroffenen Bundesländern nur noch dreimal so hoch ist wie in den kaum betroffenen Ländern, während dieser Faktor über alle Meldungen gerechnet etwa neun beträgt.
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Meldungen zum Meisensterben je Landkreis pro 100.000 Einwohner, Stand 5. Mai 2020 - Grafik: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin/Renke Lühken
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Bestätigte Sutonella-Fälle aus dem Leibniz-Institut für Zoo-und Wildtierforschung (IZW) und verschiedenen anderen Untersuchungsämtern - Grafik: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin/Renke Lühken
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Zeitlicher Verlauf der Funddaten der Verdachtsfälle (Stand 11.5.2020)
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Verteilung der Meldungen pro 100.000 Einwohner eines Bundeslandes (Stand 11.5.2020) - Grafik: NABU
Am vergangenen Wochenende fand mit der „Stunde der Gartenvögel“ die große Vogelzählung in den Gärten und Parks der Republik statt. Natürlich stand die Blaumeise in diesem Jahr im Mittelpunkt des Interesses. Bundesweit betrachtet sind 22 Prozent weniger Blaumeisen pro Zählpunkt („Garten“) gemeldet worden. Statt 2,16 Blaumeisen pro Meldung sind es in diesem Jahr nur noch 1,66 – mit Abstand der niedrigste Wert seit Beginn der Zählungen im Jahr 2005.
Um herauszufinden, ob der Rückgang wirklich auf das Konto der Epidemie geht, haben die Ornithologen des NABU für jeden Landkreis und jeden Postleitzahlen-Bereich die Veränderungen der Blaumeisenzahlen zwischen 2019 und heute mit der Anzahl der Meldungen kranker Meisen verglichen. Es ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang. Je mehr Berichte toter Meisen aus einem Landkreis bei uns ankamen, desto größer waren dort auch die Bestandsrückgänge. Wir können daher davon ausgehen, dass zumindest ein Teil des Rückgangs gegenüber dem Vorjahr direkt auf das diesjährige Blaumeisensterben zurückzuführen ist. Ob auch noch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben, kann jedoch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
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Korrelation der Bestandsveränderungen zwischen 2019 und 2020 auf Ebene von PLZ-Bereichen mit der jeweiligen Anzahl von Verdachtsmeldungen zum Blaumeisensterben: Je mehr Verdachtsfälle, desto stärker der Rückgang - ein hochsignifikanter Zusammenhang.
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Korrelation der Bestandsveränderungen zwischen 2019 und 2020 auf Landkreisebene mit der Anzahl von Verdachtsmeldungen zum Blaumeisensterben pro 100.000 Einwohner eines Landkreises: Der Bestandsrückgang ist signifikant größer wo mehr Verdachtsfälle der Epidemie gemeldet wurden.
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Bestandsentwicklung der Blaumeise im Siedlungsraum nach Daten der Stunde der Gartenvögel. Der Wert für 2020 ist um 22 Prozent niedriger als der des Vorjahres.
Bei einem Gesamtbestand von etwa 7,9 Millionen erwachsenen Blaumeisen in Deutschland, den der jüngste offizielle Bericht zur Lage der Vogelwelt ausweist, entspräche ein Rückgang um 22 Prozent gut 1,7 Millionen Vögeln - jedenfalls solange man davon ausginge, dass der im Siedlungsraum bei der Stunde der Gartenvögel festgestellte Verlust, auch im Wald in gleicher Weise auftrete. Nur etwa ein Drittel aller Blaumeisen Deutschlands brütet im Siedlungsraum.
Besonders interessant wird es, wenn man untersucht, ob auch andere Vogelarten durch die Suttonella-Epidemie betroffen sind. Erste Erkenntnisse zeigen, dass die Rückgänge von Kohlmeisen und Haubenmeisen nur leicht und nicht signifikant mit der Zahl gemeldeter Suttonella-Verdachtsfälle zusammenhängt. Bei allen anderen Meisenarten und bei der Schwanzmeise ist dagegen überhaupt kein Zusammenhang festzustellen. Überraschend ist aber, dass es bei Heckenbraunelle und Goldammer signifikante negative Korrelationen mit dem Blaumeisensterben gibt. Beide Arten wurden neben der Blaumeise auch öfter als Opfer in den gemeldeten Fällen angegeben. In der Literatur gibt es noch keinen Nachweis von Suttonella bei diesen Arten, aber das Hessische Landeslabor berichtete bereits von einem Labornachweis des Bakteriums bei einer Heckenbraunelle. Der NABU wird in den nächsten Tagen entsprechende Zusammenhänge bei weiteren Vogelarten prüfen. Wenn man weiß, welche Arten von Suttonella betroffen sind, kommt man vielleicht auch der Antwort auf die Frage einen Schritt näher, welche Faktoren für die besondere Empfindlichkeit einzelner Arten verantwortlich sein könnten.
Update, 7. Mai 2020 - Die Zahl der Meldungen pro Fundtag geht weiter zurück. Es sind inzwischen weniger als 100 Meldungen pro Tag (zum Vergleich: Das Maximum waren fast 1.300 Meldungen am Karfreitag, den 10. April). Wir erwarten, dass das „Meisensterben“ im Laufe des Mai zu einem Ende kommt – jedenfalls für dieses Jahr.
Insgesamt sind beim NABU bis zum 5. Mai knapp 18.000 Verdachtsmeldungen zum Blaumeisensterben mit knapp 33.000 betroffenen Vögeln eingegangen. Dem NABU liegen inzwischen Informationen zu positiven Suttonella ornithocola-Befunden aus 18 Landkreisen aus den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Brandenburg vor.
Spannend werden die Ergebnisse der Stunde der Gartenvögel am kommenden Wochenende. Der NABU wird anschließend eine Analyse der Blaumeisenbestandstrends vornehmen, um abzuschätzen, ob und wo eine erhöhte Sterblichkeit bei Blaumeisen in Deutschland festgestellt werden kann.
Update, 30. April 2020 - Bis zum 28. April sind beim NABU bereits über 17.000 Meldungen – also Verdachtsfälle kranker und toter Vögel – meist Blaumeisen – eingegangen. Laut den eingegangen Meldungen sind etwa 32.000 Vögel betroffen.
Eine gute Nachricht gibt es immerhin für die Blaumeisen: Die Zahl der pro Tag gefundenen Vögel geht inzwischen deutlich zurück, obwohl die Bürger*innen über die Medien weiter zur Meldung aufgerufen werden. Wurden am Spitzentag, Karfreitag, den 10. April, in fast 1200 Fällen tote Meisen gefunden, sind es derzeit nur noch knapp 200 Verdachtsfälle pro Tag. Vergangene kleinere Ausbrüche von Suttonella ornithocola-Infektionen dauerten nie länger als bis Ende April.
Nicht nur die Meldeaktivität der Vogelfreund*innen im Land ist bemerkenswert: Bei unseren Kooperationspartnern Bernhard-Nocht-Institut (BNI) und Leibniz Institut für Wildtierforschung (IZW) sind inzwischen bereits über 420 verendete Vögel zur Untersuchung eingegangen. Auch hier wurde inzwischen das Bakterium Suttonella ornithocola als Auslöser des Blaumeisensterbens bestätigt. Pro Woche können jedoch nur zehn Vögel untersucht werden, so dass sich die Untersuchungen noch längere Zeit hinziehen werden. Viele weitere Vögel gingen zur Untersuchung an die staatlichen Veterinärämter. Dort wurde nach NABU-Informationen S. ornithocola bis heute bei mind. 30 Meisen nachgewiesen, nämlich aus acht Landkreisen aus Hessen, den Landkreisen Diepholz und Ammerland in Niedersachsen, dem Landkreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen und aus dem Landkreis Teltow-Fläming in Brandenburg.
Die Labore berichten von einem sehr guten Erhaltungszustand der eingesandten toten Vögel, die sich gut zur Untersuchung eignen. Dafür danken wir ganz herzlich allen Einsendern, die auch die Kosten und Mühen des Versands nicht scheuen.
Die höchsten Melderaten von Verdachtsfällen gibt es aus Rheinland-Pfalz, gefolgt von Saarland, Hessen und Niedersachsen. Auch Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Bremen gehören zu den betroffenen Gebieten. Damit ergibt sich der Westen und Nordwesten des Landes als Kerngebiet der Epidemie. Unklar ist noch die Lage in den anderen Bundesländern, aus denen weniger Fälle gemeldet werden: Der laborbestätigte Fall aus Brandenburg zeigt, dass Suttonella auch in Landkreisen mit einer sehr geringen Zahl an gemeldeten Verdachtsfällen bereits vorkommen kann. Außerhalb Deutschlands setzt sich das aktuelle Blaumeisensterben auch in Luxemburg, Belgien und im Osten Frankreichs fort.
22. April 2020 - Der mysteriöse Krankheitserreger, der das aktuelle Meisensterben verursacht hat, ist identifiziert: Es handelt sich um das Bakterium Suttonella ornithocola, das bei betroffenen Vögeln vor allem eine Lungenentzündung verursacht. Die Identität des Erregers wurde gestern von mehreren Landesuntersuchungsämtern vermeldet. Damit bestätigt sich der Verdacht, den NABU-Expert*innen bereits seit einiger Zeit hegten. Das Bakterium ist erst seit 1996 bekannt und wurde erstmals aus Großbritannien beschrieben.
Bereits seit Anfang März wurden in Deutschland auffallend viele Blaumeisen beobachtet, die offensichtlich krank wirken und kurz darauf versterben. Seit Anfang April ruft der NABU daher dazu auf, Verdachtsfälle dieses Phänomens über ein Online-Formular zu melden. Bis zum gestrigen Dienstag wurden innerhalb von nur 12 Tagen bereits 13.800 Fälle gemeldet, die etwa 26.000 Vögel betreffen.
Vor allem Meisen betroffen
Der Erreger ist für Menschen und Haustiere ungefährlich. Da Vögel aber auch an anderen Krankheiten gestorben sein könnten und grundsätzlich oft mehrere Krankheitserreger in sich tragen können, ist beim Umgang mit toten Vögeln immer mit Vorsicht vorzugehen.
Suttonella ornithocola betrifft fast ausschließlich Meisenarten, dabei vor allem die kleinen Meisenarten, von denen die Blaumeise mit Abstand am häufigsten in deutschen Gärten vorkommt. Mutmaßlich dürften auch die selteneren Arten betroffen sein, wie zum Beispiel die eher auf den Wald beschränkten Tannen- und Haubenmeisen und vermutlich auch Sumpf- und Weidenmeisen. Seltener betroffen sind offensichtlich die größeren Kohlmeisen.
Aktuelle Verbreitung
Die aktuelle Karte aller Meldungen bis zum 21. April zeigt eine deutliche Häufung von Fällen vom Saarland und Rheinland-Pfalz über das südliche Nordrhein-Westfalen und Hessen bis nach Thüringen und einen weiteren Schwerpunkt im nördlichen Nordrhein-Westfalen und dem westlichen Niedersachsen. Wie ein offenbar bestätigter Fall aus Brandenburg zeigt, kommt der Erreger auch in Regionen mit einer geringeren Melderate schon vor.
Lediglich in Regionen mit der geringsten Melderate, auf der Karte gelb dargestellt, ist es möglich, dass die Meldungen lediglich die üblichen Sterberaten von Vögeln widerspiegeln. Denn auch in Suttonella-Zeiten versterben Vögel selbstverständlich weiterhin auch an anderen Krankheiten oder aus anderen Gründen. Dies betrifft einen großen Teil Ost- und Süddeutschlands. Gerade aus Bayern und Baden-Württemberg gibt es Anzeichen, dass dort noch eine andere Krankheit kursiert, die vor allem Finkenvögel betrifft, nicht aber die seit einigen Jahren durch Trichomoniasis gefährdeten Grünfinken.
Aktuelle Fallzahlen
Wie stark die Meisenbestände tatsächlich von der für Deutschland neuen Vogelkrankheit beeinträchtigt wurden, werden die Ergebnisse der großen NABU-Gartenvogelzählung im Rahmen der „Stunde der Gartenvögel“ vom 8. bis 10. Mai zeigen. Besonders spannend wird es sein, die Ergebnisse der Zählungen der sich an der Aktion beteiligenden Bürger mit dem sich aus der Meldeaktion abzeichnenden Verbreitungsgebiet des „Blaumeisensterbens“ zu verschneiden.
Wie können wir den Meisen helfen?
Auch wenn bakterielle Infektionen grundsätzlich durch die Verabreichung von Antibiotika behandelt werden könnten, ist das bei Wildvögeln praktisch nicht möglich und daher nicht sinnvoll. In betroffenen Gärten müssen stattdessen besondere Anziehungspunkte für Vögel, also Futter- und Badestellen umgehend beseitigt werden, damit Vögel sich weniger leicht gegenseitig anstecken können. Damit betroffene Vogelbestände sich möglichst schnell wieder erholen können, ist es wichtig, den überlebenden Vögeln möglichst gute Bedingungen für die anstehende Brutzeit zu bieten. Ein naturnaher Garten bietet besonders viel Nahrung für die hungrigen Jungen. Tipps für einen vogelfreundlichen Garten hat der NABU unter www.NABU.de/Vogelgarten zusammengestellt.
Wie lange sollte man die Fütterung aussetzen, wenn man kranke/tote Blaumeisen beobachtet hat?
Die Vögel im Garten sollten für mindestens drei bis vier Wochen nicht mehr gefüttert werden. Ebenso sollte man so lange darauf verzichten, Trink- und Badestellen anzubieten. So kann sichergestellt werden, dass kranke Vögel entweder wieder gesund oder verstorben sind, bevor die Futterstellen wieder eröffnet werden.
Diese Regel gilt übrigens nicht nur beim Blaumeisensterben, sondern auch grundsätzlich, wenn man tote oder kranke Vögel im Garten bemerkt.
Können erkrankte Blaumeise die Infektion überleben?
Wahrscheinlich ja. Allerdings ist der es schwierig nachzuweisen, weil wir nur tote Vögel testen können.
Wenn ein Vogel offensichtlich krank aussieht, ist er allerdings meist schon sterbenskrank. Solche Vögel überleben laut der Meldungen, die bei uns eingehen, leider nicht.
Leicht erkrankte Vögel tun dagegen alles, um gesund zu wirken, damit sie von ihren Fressfeinden wie Sperbern oder Katzen als leichtes Ziel erkannt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Vögel nur leicht erkranken und die Infektion überleben können. Diese Vögel erkennen wir aber nicht.
Welche Folgen hat das Blaumeisensterben auf den Blaumeisenbestand?
In stark betroffenen Gebieten ist ein großer Teil der Blaumeisen sicherlich erst einmal verloren gegangen. Wie sich das langfristig auf den Bestand auswirkt, können wir bisher nur spekulieren: Im besten Fall können die überlebenden Meisen in diesem Jahr besonders erfolgreich brüten, da sie weniger Konkurrenz haben als normalerweise. Dann könnten sie die Lücken schnell schließen. Im schlechtesten Fall könnte mit der Krankheit ein andauernder Abwärtstrends des Blaumeisenbestands beginnen. So beobachten wir es derzeit beim Grünfink, der seit 2013 aufgrund der Krankheit Trichomoniasis abnimmt.
Und welche Folgen könnte es für das Ökosystem haben?
Wie sich die möglichen Bestandseinbrüche auf das Ökosystem auswirken, ist noch nicht absehbar. Vermutlich würden andere Vogelarten die entstandenen Lücken in der Natur füllen und eventuell dann sogar leicht zunehmende Bestände zeigen. Hoffen wir, dass wir nicht die Gelegenheit bekommen, diese Folgen zu erforschen.
Wir als Menschen hätten ohne Blaumeisen sicherlich einen großen Verlust in unseren Gärten zu beklagen.
Um herauszufinden, welchen Einfluss die Krankheit auf die Blaumeisenbestände hat, bitten wir alle Bürger*innen, bei der „Stunde der Gartenvögel“ mitzumachen und die Vögel im Garten zu zählen.
Was war bisher über den Erreger bekannt?
Das Bakterium wurde 1996 erstmals aus Großbritannien beschrieben und kommt dort flächendeckend regelmäßig vor, hat aber bisher nicht zu überregionalen Massensterben geführt. Erst 2017 wurde es erstmals außerhalb von Großbritannien nachgewiesen, nämlich in Finnland, wo es seitdem aber zu keinen weiteren Feststellungen gekommen ist. Im April 2018 wurde Suttonella ornithocola erstmals in Deutschland bei mehreren Meisen aus kleineren Krankheitsausbrüchen im südlichen Nordrhein-Westfalen nachgewiesen. Für den Erreger bisher einzigartig ist das massenhafte überregionale Auftreten in diesem Jahr, das außer Deutschland mindestens auch Luxemburg und Belgien betrifft. Bisherige Fälle wurden stets in den Monaten März und April festgestellt, was zum zeitlichen Auftreten der derzeitigen Epidemie passt.
Welche Ämter bestätigten den Verdacht?
Am 21. April meldete das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), dass bei untersuchten Meisen aus den Landkreisen Ammerland und Diepholz Suttonella ornithocola festgestellt und als mutmaßliche Todesursache ausgemacht werden konnte. Fast gleichzeitig wurde aus dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe bekannt, dass bei vier untersuchten Blaumeisen aus dem Kreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen der selbe Erreger festgestellt wurde. Auch das Landeslabor Berlin-Brandenburg in Frankfurt/Oder hat offensichtlich bereits Suttonella ornithocola bei einer untersuchten Meise feststellen können. In allen Landkreisen, in denen das Bakterium bestätigt werden konnte, zeigt auch die Karte der beim NABU gemeldeten Verdachtsfälle eine erhöhte Melderate.
Warum bittet der NABU weiter um Meldungen?
Um das Ausmaß, die räumliche Verbreitung und den zeitlichen Verlauf der Epidemie und die davon betroffenen Vogelarten ermitteln und dokumentieren zu können, ruft der NABU weiterhin dazu auf, Fälle von kranken oder offensichtlich an Krankheit verstorbenen Vögeln, insbesondere Meisen, über sein Online-Formular zu melden. Auch die Einsendung toter Vögel zur Untersuchung ist weiterhin sinnvoll. Dadurch kann die geographische Verbreitung der Epidemie durch Labornachweise abgesichert werden, was die Interpretation auf Basis der Verdachtsmeldungen unterstützt. Nur dadurch ist es außerdem möglich, Todesfälle durch Suttonella ornithocola von anderen Krankheiten zu unterscheiden.
Die mit dem NABU kooperierenden Labors nutzen die eingesandten Vögel zusätzlich für Untersuchungen zur Verbreitung anderer Erreger wie Trichomonas gallinae oder des Usutu- und des West-Nil-Virus. Das Interesse und die Untersuchungsmöglichkeiten der lokalen veterinärmedizinischen Untersuchungsstellen unterscheiden sich jedoch stark zwischen den verschiedenen Bundesländern und Landkreisen. Der NABU bittet daher um die Beachtung der jeweils aktualisierten Versandhinweise auf seiner Webseite.
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