Kranke Blaumeisen haben meist Atemprobleme und haben lange nichts mehr gefressen. - Foto: Otto Schäfer
Erreger, Geschichte und betroffene Arten
Gesammeltes Wissen über das Blaumeisensterben
Das Bakterium Suttonella ornithocola ist erst seit 1996 bekannt und wurde es erstmals in Großbritannien nachgewiesen. Dort kommt es seitdem regelmäßig im ganzen Land vor, hat aber bisher nicht zu überregionalen Massensterben geführt. In Deutschland wurde es zum ersten Mal im April 2018 entdeckt, führte aber auch hier bisher nur zu kleineren Krankheitsausbrüchen. Das massenhafte Auftreten im Frühjahr 2020 ist für den Erreger bisher einzigartig.
Betroffene Vogelarten
Am häufigsten sind Blaumeisen betroffen. Doch auch bei anderen Meisenarten und Schwanzmeisen wurden die Krankheit und Todesfälle, die durch das Bakterium ausgelöst werden, schon beobachtet. Insbesondere Tannenmeisen waren relativ oft betroffen, in geringerem Ausmaß auch die größeren Kohlmeisen. Bisher wurde Suttonella ornithocola nicht bei Vögeln anderer Vogelgruppen nachgewiesen.
Ein Großteil der Todesfälle in Großbritannien betraf bisher männliche Blaumeisen. Ob sich dies auch für den Ausbruch 2020 in Deutschland bestätigt, ist noch offen. Auch eine überzeugende Erklärung für diese ungleiche Verteilung auf die Geschlechter steht noch aus.
Erreger und ausgelöste Krankheiten
Suttonella ornithocola verursacht bei infizierten Vögeln eine Lungenkrankheit. Bei Laboruntersuchungen wurden typische Symptome für Lungenentzündungen festgestellt. Teilweise wird offenbar auch der Verdauungstrakt angegriffen.
Das Bakterium gehört zu der Familie der Cardiobacteriaceae. Obwohl es bereits 1996 zum ersten Mal isoliert wurde, wurde es erst 2005 als eigene Art erkannt und beschrieben. Daher ist es bisher vergleichsweise unbekannt. Auch die Bandbreite der von diesem Bakterium infizierbaren Arten ist kaum bekannt.
Symptome und Kennzeichen
Infizierte Vögel zeigen vor allem unspezifische Krankheitssymptome wie Apathie und gesträubtes Gefieder. Zusätzlich haben die Vögel häufig offensichtliche Atembeschwerden. Die meisten Vögel, die verendet sind, hatten vor dem Tod offensichtlich nichts mehr gefressen, da ihre Mägen leer sind. Häufig wird auch von einem scheinbar unstillbaren Durst berichtet. Ebenso sind betroffene Vögel oft recht mager. Das deutet darauf hin, dass die Krankheit sich vor dem Tod über einen Zeitraum von mehreren Tagen hinzieht.
Auch Vögel, die an anderen Krankheiten leiden, können ähnliche Symptome zeigen. Daher ist eine eindeutige Diagnose einer Infektion mit Suttonella ornithocola nur im Rahmen einer spezialisierten veterinärmedizinischen Untersuchung möglich.
Übertragungswege
Über mögliche Übertragungswege ist nur wenig bekannt. Da das Bakterium eine Lungenentzündung hervorruft, nimmt man an, dass eine Übertragung durch Aerosole (in der Luft verteilte Tröpfchen, zum Beispiel durch Husten oder Niesen) bei nahem Kontakt der Vögel untereinander am wahrscheinlichsten ist. Wie lange der Erreger in der freien Umwelt überleben kann und ob dies relevant für die Übertragung der Krankheit ist, ist bisher auch noch unbekannt.
Geschichte
Im Frühjahr 1996 wurden elf kleine Häufungen von Todesfällen bei Meisenarten in Großbritannien und Wales festgestellt. Betroffen waren vor allem Blaumeisen, aber auch Schwanzmeisen, Tannenmeisen und Kohlmeisen. Pro Ausbruch wurden zwischen einem und zehn Todesfälle registriert. Damals wurde Suttonella ornithocola erstmalig als neue Art von Bakterium und Ursache dieser Ausbrüche identifiziert.
Systematische Untersuchungen seit 2005 haben gezeigt, dass Infektionen mit diesem Erreger in Großbritannien regelmäßig vorkommen – zwar in geringem Umfang, aber über das ganze Land verteilt. Todesfälle wurden bisher nur in den Monaten März und April beobachtet. Für Großbritannien nimmt man an, dass es sich um einen innerhalb der Meisenpopulation verbreiteten und etablierten Erreger handelt.
Erst 2017 wurde es erstmals außerhalb von Großbritannien nachgewiesen, nämlich in Finnland. Dort ist es aber bei einem Einzelfall geblieben.
Ausbreitung in Deutschland, Luxemburg und Belgien
Im April 2018 wurde Suttonella ornithocola erstmals in Deutschland bei mehreren Meisen nachgewiesen. Dabei kam es zu kleineren Krankheitsausbrüchen im südlichen Nordrhein-Westfalen. Das massenhafte Auftreten im Frühjahr 2020 ist für den Erreger einzigartig. Außer Deutschland ist davon mindestens auch Luxemburg und Belgien betroffen.
Bisherige Fälle wurden stets in den Monaten März und April festgestellt, was zum zeitlichen Auftreten der Epidemie im Frühjahr 2020 passt.
Kein Risiko für Menschen oder Haustiere
Bisher sind keine Berichte von Infektionen mit diesem Bakterium bei Menschen oder anderen Säugetieren bekannt. Nachgewiesen wurden Infektionen nur bei Vögeln aus der Familie der Meisen (Paridae) und bei Schwanzmeisen (Familie Aegithalidae). Ebenso ist noch unklar, zu welchem Grad auch anderen Vogelarten befallen werden können.
Andere Krankheiten und Hygiene-Maßnahmen
Gartenvögel können in Deutschland mit verschiedenen anderen Erregern (z.B. Campylobacter, Chlamydia psittaci, Escherichia albertii oder Salmonella sp.) infiziert sein. Diese können potentiell auch Menschen und Haustiere befallen.
Wir empfehlen daher grundsätzlich, folgende Hygiene-Vorsichtsmaßnahmen zu befolgen:
- Fassen Sie niemals kranke oder tote Vögel direkt an, sondern benutzen Sie eine umgestülpte Plastiktüte oder Gummihandschuhe. Gleiches gilt für die Reinigung von Vogelfutterstellen oder Trink- und Badestellen für Vögel.
- Tücher, Bürsten und Schwämme, mit denen Sie Vogelfutterstellen reinigen, sollten Sie strikt von Reinigungstüchern für andere Bereiche trennen. Ebenso sollten sie unbedingt von Orten getrennt werden, an denen auch Nahrung zubereitet wird. Am besten bringen Sie sie überhaupt nicht ins Haus.
- Waschen Sie Ihre Hände gründlich mit Seife, nachdem Sie Kontakt mit Vögeln oder Futterstellen hatten.
Diagnose
Eine sichere Diagnose von Suttonella ornithocola ist nur durch eine Untersuchung der toten Vögel im Labor möglich. Rein äußerliche Anzeichen der Krankheit sind nicht eindeutig, so dass zusätzlich Labortests notwendig sind um den Erreger sicher nachzuweisen.
Behandlung und Vorbeugung
Es ist theoretisch denkbar, dass Suttonella ornithocola-Infektionen bei Vögeln in Gefangenschaft durch Medikamente behandelt werden könnten. Bei wildlebenden Vögeln ist dies jedoch unmöglich, da Medikamente den Vögeln nicht gezielt und in der korrekten Dosis verabreicht werden können.
Vogelkrankheiten werden besonders dort übertragen, wo viele Vögel aufeinandertreffen, ganz besonders an Futterstellen und Trink- und Badeschalen. Daher rät der NABU grundsätzlich dazu, die Futter- und Badestellen zu entfernen, sobald dort mehr als ein kranker Vogel beobachtet wird d. Erst wenn sich die bisherigen Gäste wieder verteilt haben und kranke Vögel entweder genesen oder verstorben sind kann wieder gefüttert werden. Üblicherweise sollte dies nicht eher als nach drei bis vier Wochen der Fall sein.
Grundsätzlich sollten einige grundlegende Regeln eingehalten werden , wenn man die Vögel im Garten füttert. Wichtig ist insbesondere, dass man statt traditioneller Futterhäuschen nur Futterspender (Futtersilos) verwendet. Dann können die Tiere nicht im Futter herumlaufen und es mit Kot verschmutzen.
Damit betroffene Vogelbestände sich möglichst schnell wieder erholen können, ist es wichtig, den überlebenden Vögeln möglichst gute Bedingungen für die anstehende Brutzeit zu bieten. Ein naturnaher Garten bietet besonders viel Nahrung für die hungrigen Jungen. Tipps für einen vogelfreundlichen Garten hat der NABU unter www.NABU.de/Vogelgarten zusammengestellt.
Weitere Meldungen willkommen
Wir wollen das Auftreten des Erregers und seine Auswirkungen auf Vögel und ihre Bestände weiter verfolgen. Daher bitten wir weiter darum, alle verdächtigen Todesfälle von Meisen, die mutmaßlich auf eine Krankheit zurückzuführen sind, zu melden.
Tote Meisen melden
Melden Sie Meisen und andere tote Vögeln, die Sie insbesondere in den Monaten Februar bis Mai entdecken, bitte über unser Formular.
Zum Online-FormularKrankheitsverdächtige tote Vögel – vor allem Amseln – aus den Monaten Mai bis November, sind dagegen eher dem Usutu-Virus oder dem nahe verwandten West-Nil-Virus zum Opfer gefallen. Um diese Vögel zu melden, nutzen Sie bitte unser separates Usutu-Meldeformular.
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