8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Kurztrip statt Langstreckenflug
Vögel reagieren auf die Klimaerwärmung
Kaum stellen sich die ersten milderen Temperaturen ein, machen heimkehrende Zugvögel auf das Ende des Winters aufmerksam. Ziehende Trupps von Gänsen und Kranichen, das auf einmal wieder erklingende zilp-zalp im Garten oder Stadtpark sind Frühlingsboten, die nicht nur von Vogelkundlern alljährlich mit Freude wahrgenommen werden.
Seit jedoch die Anzeichen einer globalen Erwärmung zunehmen, mischt sich auch Sorge in diese Beobachtungen: Das Leben der Zugvögel gerät offensichtlich mehr und mehr durcheinander. Auswirkungen des Klimawandels auf das Zuggeschehen lassen sich bereits an vielen Beispielen ablesen. So kehren Mehlschwalben inzwischen durchschnittlich zehn Tage früher aus Nordafrika nach Deutschland zurück als noch vor 30 Jahren. Eine Analyse in England hat gezeigt, dass dort jede dritte Vogelart früher brütet als Anfang der 70er Jahre - durchschnittlich um etwa neun Tage.
Im Winter nach Spanien
Auch der Wegzug in südliche Gefilde setzt zunehmend später ein. Manche wiederum verkürzen ihre Zugstrecke, wie in diesem Frühjahr der Loburger Weißstorch "Jonas". Dank eines Satellitensenders, den der Vogel im Rahmen des NABU-Storchenzugprojektes erhielt, konnten Tausende Internet-Besucher mitverfolgen, wie Jonas die Wintermonate lediglich in der milden spanischen Extremadura verbrachte, anstatt seine Reise bis nach Afrika fortzusetzen, und dann schon Anfang März wieder zurück in Deutschland war. Manche Vogelarten reagieren noch heftiger: Kiebitz, Singdrossel, Star und Hausrotschwanz galten noch bis vor wenigen Jahrzehnten als klassische Zugvögel. Inzwischen verbringen sie immer öfter den Winter in Mitteleuropa.
Andere Arten entwickeln sogar neue Zugrouten, wie die Forscher der Vogelwarte Radolfzell anhand von Untersuchungen an der Mönchsgrasmücke nachweisen konnten. Viele der kleinen Vögel steuern inzwischen nicht mehr Südfrankreich, Spanien oder Nordafrika an, sondern überdauern den Winter in Südengland. Sie haben innerhalb weniger Generationen ihre Zugrichtung verändert. Ausschlaggebend für Zugbewegungen ist in erster Linie die Ernährungslage. Vor allem insektenfressende Arten sind im Vorteil, wenn sie rechtzeitig gen Süden ziehen. Umgekehrt werden Brutgebiete in mittleren und nördlichen Breiten aufgesucht, um an diesen Orten von einem zeitweilig besonders reichen Nahrungsangebot zu profitieren.
Genetische Flexibilität ist gefragt
Nahrung ist jedoch kein unmittelbarer Auslöser des Zugverhaltens, denn meist wird das Brutgebiet schon wieder verlassen, obwohl noch genügend zur Verfügung steht. Zugvögel besitzen vielmehr eine innere Uhr, die im jahreszeitlichen Rhythmus alle wichtigen Lebensvorgänge steuert. Diese biologische Langzeituhr bestimmt auch das Zugverhalten. Sie löst im Tier eine Zugunruhe aus, ebenso wie sie dafür sorgt, dass rechtzeitig Energievorräte im Körper - so genannte Fettdepots - gebildet werden, um die oftmals enormen Flugleistungen überhaupt bewältigen zu können.
Nach Ansicht des Radolfzeller Teams um Peter Berthold verfügen Vögel über Gene, die sowohl das Zugverhalten wie auch die Zugstrecke steuern. Die langjährigen Studien der Vogelwarte zeigen auch, dass klassische Langstreckenzieher wie Dorngrasmücken oder Trauerschnäpper trotz des Klimawandels stärker an ihren Zugmustern festhalten als Kurzstreckenzieher. Ihr Zug ist genauestens im Erbgut fixiert, damit sie es schaffen, Mittelmeer und Sahara sicher und ohne Abweichungen zu überqueren.
Nachteil für Spätheimkehrer
Demnach wäre klar: Auf das Tempo, mit dem unser Globus einer Klimaerwärmung zusteuert, können in erster Linie Kurz- und Mittelstreckenzieher wie die Mönchsgrasmücke reagieren, deren "genetisches Programm" eine höhere Plastizität besitzt. Dadurch ist es dieser Art bereits innerhalb weniger Generationen gelungen, neue Flugrouten und Winterquartiere im Erbgut zu speichern.
Wer weniger flexibel ist, wird zunehmend in Bedrängnis geraten - aus mehreren Gründen: Zum einen verschlechtert sich für viele dieser Arten die Ernährungslage. Da sich mit dem Klimawandel auch etliche Insekten früher als sonst entwickeln, fehlt es solchen Spätheimkehrern immer öfter an genügend Nahrung, um ihre Schar an Jungvögeln großzuziehen. Hinzu kommt, dass sich für Langstreckenzieher wie Gartenrotschwanz, Trauerschnäpper, Nachtigall oder Pirol die Konkurrenz um geeignete Reviere weiter verschärfen wird: Die wachsende Zahl an Überwinterern und flexiblere Arten, die aus Gründen der Klimaerwärmung früher in ihr Brutgebiet zurückkehren, halten die besten Reviere dann bereits besetzt.
Zwischenmahlzeiten werden knapp
Aber auch durch die zunehmende Versteppung weiter Landstriche Afrikas, die Ausbreitung der Wüsten und sich häufende Dürreperioden drohen Sahara-Durchquerer buchstäblich auf der Strecke zu bleiben. Wenn die Pol-Eiskappen und die Gletscher weiter abschmelzen und dadurch die Meeresspiegel steigen, werden küstennahe Lebensräume wie Marschen, Flussmündungen und Wattgebiete großflächig abnehmen und damit lebensnotwendige Rastplätze verloren gehen. Auch den nordischen Arten selbst droht Gefahr. Zwei Drittel der weltweiten Gänsepopulationen brüten in der Arktis. Doch wo sich das Pflanzenkleid der Tundra verändert, gerät der Bruterfolg dieser hochspezialisierten Vögel in Gefahr. Auf der Südhalbkugel sind vor allem die Pinguine dramatischen Veränderungen ihrer Brutplätze und Nahrungsressourcen ausgeliefert.
Den klimabedingten Verlusten steht allerdings auch manche Bereicherung unserer Vogelwelt gegenüber - durch südeuropäische Arten, die mehr und mehr nach Norden wandern. So könnte der farbenfrohe Bienenfresser bald regelmäßig in weiten Teilen Mitteleuropas brüten. Am Kaiserstuhl in Süddeutschland hat sich seit 1990 eine feste Population etabliert, die bereits 70 Brutpaare umfasst.
Sichere Prognosen für die künftige Entwicklung unserer Vogelwelt in Mitteleuropa zu treffen, ist derzeit kaum möglich. Fest steht nur: Unterschiedliche Anpassungsfähigkeiten der Arten werden letztlich über Gewinner oder Verlierer entscheiden. Aber auch der Vogelschutz wird rechtzeitig die zu erwartenden klimabedingten Veränderungen in seine Strategien und Maßnahmen einbeziehen müssen.
von Markus Nipkow
Die Klimakrise kommt als laues Lüftchen daher, freundlich und unscheinbar. 40 Jahre sind in der Erdgeschichte nicht einmal ein Wimpernschlag und doch sind in dieser Zeit unsere Winter ganze zehn Tage kürzer geworden. Mehr →
Zwar gibt es auch Gewinner, doch in der Summe wird sich der Klimawandel negativ auf die europäische Vogelwelt auswirken. Dies zeigt eine internationale Studie, die Vogeldaten von rund 50.000 ehrenamtlichen Beobachtern ausgewertet hat. Mehr →