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Was der Klimawandel mit Zugvögeln macht
Zugvögeln ist der Klimawandel besonders dicht auf den „Schwingen“, denn sie sind auf intakte Verhältnisse gleich an mehreren Orten der Welt angewiesen: an ihren Brutplätzen, in ihrem Überwinterungsgebiet und an den Rastplätzen entlang der Zugrouten. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass der derzeitig global wirksame Klimawandel Veränderungen in verschiedenen Bereichen für die Vogelwelt mit sich bringt: bei Zugzeiten und Brutbeginn, beim Zugverhalten, bei der geografischen Verbreitung und der Populationsentwicklung.
Viele Zugvögel kehren im Frühjahr etwa drei Wochen früher aus ihren Winterquartieren zurück als vor 40 Jahren, manche ändern ihre Abzugszeiten im Herbst, wodurch sich teilweise die Aufenthaltsdauer im Brutgebiet verlängert. Auch die Brut beginnt immer früher. Zum einen liegt die frühe Heimkehr an den steigenden Temperaturen in Afrika, zum anderen am abnehmenden Regen an den wichtigen Rastplätzen an der Mittelmeerküste. Die Vögel rasten nur kurz und fliegen schnell nordwärts weiter.
Verkürzte Zugwege
Diese Beobachtungen sind überraschend, gingen Forscher bis heute davon aus, dass genetische Prägungen der Transsaharazieher stärker fixiert sind als bei Kurz- und Mittelstreckenziehern. Diese können agiler auf Witterungsentwicklungen im Winterquartier reagieren und sich leichter an den Klimawandel anpassen, da ihre innere Uhr weniger von der Tageslänge geprägt wird. Insgesamt verkürzen sich die Zugwege, Saatkrähen aus Russland treffen beispielsweise in kleineren Winterschwärmen bei uns ein, weil sie vermehrt nur bis Osteuropa ziehen. Das erstaunlichste Beispiel für eine tatsächlich beschleunigte evolutionäre Anpassung ist die Mönchsgrasmücke. Dieser Art ist es bereits innerhalb weniger Generationen gelungen, neue Flugrouten und Winterquartiere im Erbgut zu speichern. Statt nach Spanien und Nordafrika zieht ein Großteil heute nach Großbritannien, wo das immer milder werdende Klima eine erfolgreiche Überwinterung möglich macht. Bei anderen Kurzstreckenziehern führt der Klimawandel dazu, dass sie immer mehr zu Standvögeln werden, die im Winter das Brutgebiet gar nicht mehr verlassen.
Verbreitungszonen verschieben sich
Wärmeangepasste Brutvogelarten Europas und Nordamerikas zeigen in den letzten Jahrzehnten eine grundsätzlich positivere Bestandsentwicklung als jene Arten, die an atlantische, boreale oder alpine Lebensräume angepasst sind. Die Ausbreitung nach Norden von Arten südlicher und gemäßigter Breiten wie Silberreiher, Wiedehopf oder Bienenfresser verläuft schon jetzt mit 2 bis 20 Kilometern pro Jahr. Dabei vergrößert sich jedoch nicht zwangsläufig ihr Verbreitungsgebiet, denn durch heftige Trockenheit im Süden und Osten gehen vormals geeignete Lebensräume auch verloren. Durch die Ausbreitung kommt es also zu Veränderungen der lokalen Vogelgemeinschaften mit derzeit unbekannten Auswirkungen auf Ökosystemfunktionen. Konkurrenzen um Nahrung und Brutplätze mit angestammten Vögeln oder die Begegnung mit unbekannten Feinden sind denkbar.
Längere Durststrecke
Die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) fand 2018 heraus, dass über 80 Prozent der europäischen Langstreckenzieher zunehmend längere und weitere Migrationsreisen unternehmen. Die Forscher schätzen, dass die Nachtigall im Jahr 2070 fast 800 Kilometer weiter reisen muss, wobei sich die Reisedauer um mindestens fünf Tage verlängern wird. Hunderte Kilometer müssen Nonstop zurückgelegt werden. Selbst wenn sich ein kleiner Vogel in seinem Überwinterungsquartier oder Rastgebiet ein maximales Fettpolster anfressen konnte, reicht dies gerade, um die Sahara zu überqueren. Mit fortschreitender Wüstenbildung bleibt ihm nichts anderes übrig, als erschöpft zu landen, ohne vor Ort tatsächlich Nahrung zu finden. Die RSPB fand heraus, dass Langstreckenzieher bei 37 Prozent der Zugwege in Zukunft einen zusätzlichen Zwischenstopp benötigen werden.
Engere Vernetzung nötig
Die Klimaveränderung betrifft derzeit bereits 33 Prozent der weltweit bedrohten Arten. Eine neuere Literaturstudie von BirdLife International zeigt, dass 24 Prozent der 570 weltweit untersuchten Vogelarten negativ und nur 13 Prozent positiv vom Klimawandel beeinflusst werden, der eine schnelle und immer fortwährende Anpassung der Arten erfordert. Was sonst in vielen Jahrhunderten schleichend geschah, passiert jetzt innerhalb von 70 bis 80 Jahren. Prof. Dr. Franz Bairlein vom Institut für Vogelforschung misst dem Lebensraumschutz insgesamt die höchste Priorität bei, um auch die Folgen des Klimawandels für die Zugvögel abzumildern. Zwar sei dieser für die massiven Veränderungsprozesse, denen Zugvögel ausgeliefert seien, oft nicht hauptverantwortlich, aber er komme verstärkend hinzu wenn etwa Rastgebiete verschwinden. Jüngst veröffentlichte das Sekretariat der Ramsar-Konvention einen weltweiten Verlust von Feuchtgebieten um mehr als ein Drittel von 1970 bis 2015, also dreimal schneller als bei Wäldern.
Der erforderliche Klimaschutz ist weltweit und in Deutschland unvermeidlich. Wir müssen außerdem nicht nur den Menschen sondern auch Zugvögeln und anderen Arten helfen, sich anzupassen. Dafür müssen derzeitige Zugvogel-Hotspots nicht nur gesichert, sondern auch enger vernetzt werden, in Europa und in Afrika.
Eric Neuling (Nh 4/18)
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