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Genforscher untersuchen Verwandtschaftsverhältnisse
Sie sehen sich so ähnlich und doch haben sie wenig gemein: Die Falken, eine große Gruppe der Greifvögel, sind mit Habichten und Adlern gar nicht so nah verwandt, wie lange vermutet wurde. Zu dieser verblüffenden Erkenntnis kam eine internationale ornithologische Forschungsgruppe, die in jahrelanger Kleinarbeit den Stammbaum der Vögel unter die Lupe genommen hat.
150 Jahre ist es her, dass die „Entstehung der Arten“ veröffentlicht wurde. Charles Darwin revolutionierte die Weltansicht mit seiner Evolutionstheorie. Seit diese Theorie allgemein anerkannt ist, versuchen Forscher weltweit den genauen Hergang der Evolution und die Verwandtschaftsbeziehungen aller Tiere zueinander herauszufinden. Doch bis heute ließen sich noch lange nicht alle Geheimnisse aufdecken. Vor allem bei den verwandtschaftlichen Beziehungen in der Vogelwelt blieben viele Fragen ungeklärt.
Wer ist mit wem verwandt?
„Fast alle Fossilien der heute bestehenden Vogel-Ordnungen stammen aus der gleichen Zeit, ältere gemeinsame Vorfahren sind oft nicht überliefert. Welche Ordnungen nun näher miteinander verwandt sind, ist daher in vielen Fällen nicht gesichert. Daher müssen wir in den Stammbäumen die verschiedenen Ordnungen noch immer nebeneinander stellen, ohne dass dies ihre genaueren verwandtschaftlichen Verhältnisse anzeigen würde“, erklärt Hans-Günther Bauer, Forscher am Max-Planck-Institut für Ornithologie.
Als hätten sie heutigen Wissenschaftlern die Sache noch weiter verkomplizieren wollen, nahm die Zahl der Vogelarten vor 65 Millionen Jahren auf einmal explosionsartig zu. Um Ordnung in die Systematik der über zehntausend Vogelarten zu bringen, führte Thomas Huxley im Jahr 1867 bestimmte Merkmale der Schädelform als Kriterium ein, die darüber entschieden, wie einzelne Arten miteinander verwandt waren.
Körperbau führt in die Irre
Damals gab es noch keine molekularbiologischen Untersuchungen, mit deren Hilfe Verwandtschaftsbeziehungen bestimmt werden konnten. Allein körperliche Merkmale oder Verhaltensweisen entschieden über die Artenzugehörigkeit der Tiere. So kam es, dass die Falken zu den anderen Greifvögeln sortiert wurden, denn ihr Körperbau ist denen von Habicht und Co. sehr ähnlich.
Erst 1953 entdeckten Forscher die Erbmasse, die in jeder Zelle enthaltene DNA. Sie liefert die Anleitung zum Bau aller in der Zelle auftretenden Moleküle. Dieser „Bauplan“ wird an die Nachfahren vererbt. Je ähnlicher sich zwei solche Baupläne sind, desto höher ist auch der Verwandtschaftsgrad der Tiere. Diese Erkenntnis führte dazu, dass 1990 der Stammbaum der Vögel komplett überarbeitet werden musste. Die Biologen Charles Gald Sibley und Jon Edward Ahlquist verglichen die DNA-Moleküle verschiedenster Vogelarten. Dabei stellten sie fest, dass der Stammbaum, der aufgrund äußerlicher Merkmale aufgestellt wurde, mit den genetischen Beziehungen nicht übereinstimmt.
Auf den Kopf gestellt
Doch auch die von Sibley und Ahlquist aufgestellte Ordnung der Vogelwelt blieb nicht lange bestehen. 2002 startete das ehrgeizige Projekt „Early Bird“. Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler verglich in jahrelanger Arbeit die DNA von 169 Vogelarten mit dem Ziel, die evolutionären Zusammenhänge zwischen den größten Vogelordnungen herzustellen. Dabei wurde nicht das gesamte Erbgut überprüft, sondern 19 einzelne Bereiche des Erbguts miteinander verglichen. So entstand ein Stammbaum, der ein zweites Mal die Vogelwelt auf den Kopf stellte.
„Die Verwandtschaftsbeziehungen bei den Vögeln sind enorm unübersichtlich. Wahrscheinlich werden durch weitere gentechnische Untersuchungen noch eine ganze Menge alter Ansichten über den Haufen geworfen“, vermutet Hans-Günther Bauer. „Natürlich macht es die Forschung kompliziert, wenn sich die Systematik andauernd wieder ändert“, findet Bauer, „aber ich lerne gerne immer wieder dazu und letztendlich wollen wir doch alle wissen, wie die Evolution nun gelaufen ist.
Mönchsgrasmücke: Evolution im Zeitraffer
Die Entstehung neuer Arten ist ein Prozess, der in der Regel Jahrtausende oder gar Jahrmillionen in Anspruch nimmt. Doch im Moment kann man der Evolution geradezu über die Schulter schauen, wie Forscher um Martin Schaefer an der Universität Freiburg im Breisgau feststellten. Sie beobachteten, dass sich die heimischen Mönchsgrasmücken seit den 1960er Jahren immer stärker in zwei Fraktionen aufteilen. In wenigen Jahren, so prognostizieren die Biologen, werden die schwarzbemützten Singvögel sich in zwei verschiedene Arten aufgespalten haben.
Früher flogen die süddeutschen Mönche im Winter sämtlich nach Spanien. Doch seit etwa fünfzig Jahren überwintert ein zunehmender Teil der Vögel in England. Dort sind die Temperaturen zwar nicht so mild wie in Spanien, doch eine Vielzahl von Futterhäuschen lockt die Wintergäste an und nährt sie ausreichend.
Die Wahl der unterschiedlichen Winterquartiere führte bereits zu deutlich sichtbaren körperlichen Veränderungen. Können die in Spanien überwinternden Mönchsgrasmücken mit ihren Schnäbeln prima große mediterrane Früchte wie Oliven knacken, ist der kleinere Schnabel der England-Reisenden dazu inzwischen ungeeignet. Dafür können die England-Überwinterer mit ihren runderen Flügeln besser manövrieren als die Spanier. Für Langstreckenflüge sind sie dadurch allerdings weniger geeignet.
von Julja Koch