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Jetzt spenden!Seltene Arten gerettet, häufige Arten gefährdet
Zur Roten Liste der Brutvögel Deutschlands 2016
Kein Bauer steigt morgens auf den Trecker und sagt sich: „Heute fahre ich mal ein paar Feldlerchen platt“. Dennoch sind die Bestände keiner anderen Gruppe in den letzten Jahrzehnten so stark, ja dramatisch, zurückgegangen wie bei den Vögeln der Agrarlandschaft. Von 100 Rebhühnern vor 25 Jahren sind heute noch vier übrig, nicht besser sieht es bei Kiebitz oder Bekassine aus.
In der neuen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands gelten drei Viertel der Offenlandarten als gefährdet, einschließlich Vorwarnliste sind es sogar 87 Prozent. Während sich im Vergleich zu letzten Ausgabe Auf und Ab insgesamt fast die Waage halten, geht es bei den Offenlandarten vor allem abwärts. So werden das Braunkehlchen und der einst so häufige Wiesenpieper jetzt als „stark gefährdet“ eingestuft, ebenso wie schon länger Kiebitz, Wachtelkönig und Rebhuhn.
Wo bleibt das Positive?
Waren also die Naturschutzbemühungen der letzten Jahrzehnte vergebens? Durchaus nicht, sie setzten nur an anderer Stelle an, nämlich bei den bereits seltenen und stark bedrohten Arten. Für diese „Flaggschiffe“ des Naturschutzes, oft groß und spektakulär wie Kranich, Wanderfalke oder Seeadler, wurden spezielle Schutzprogramme entwickelt, jedes Nest wurde bewacht. Ihre Bestände haben sich daraufhin so gut entwickelt, dass sie längst als „geheilt“ von der Roten Liste entlassen werden konnten. Hier hat auch die EU-Vogelschutzrichtlinie ihren Teil beigetragen.
Stattdessen sind es die häufigen Arten, die bedenklich zurückgehen. Die Goldammer musste auf die Vorwarnliste gesetzt werden – Rückgänge, aber noch keine Gefährdung –, wo sie auf Haus- und Feldsperling trifft. Von der Vorwarnliste auf „gefährdet“ hochgestuft wurden Mehl- und Rauchschwalbe, Trauerschnäpper und Star haben die Vorwarnliste sogar übersprungen und gelten jetzt ebenfalls als gefährdet. Innerhalb von nur acht Jahren seit der letzten Roten Liste ist das eine rasante Entwicklung.
Der Star: häufig und gefährdet
Mit drei bis vier Millionen Brutpaaren bleibt der Star eine häufige Art, es sind die deutlichen kurzfristigen Rückgänge, die ihn in die Gefährdungsstufe gebracht haben – und damit in die gleiche Kategorie wie etwa der Wiedehopf. Dieser scheint mit derzeit höchstens 800 Brutpaaren schwer vergleichbar. Beim Wiedehopf führen Seltenheit und der immer noch vorhandene Rückstand gegenüber historischen Vorkommen zur Einstufung. Bei der Roten Liste lohnt sich also ein genauer Blick.
Die genannten Arten zeigen: Neben Wiesen und Äckern sind Siedlungen der zweite Problem-Lebensraum. Gebäudebrüter finden weniger Nistmöglichkeiten, Dörfer nehmen immer mehr städtischen Charakter an. Gleichzeitig nagt der Hunger, weil Insekten ebenso wie Sämereien schwinden.
Auch die Wälder, denen man es nicht sofort ansieht, bieten aufgrund der Nutzungsintensivierung spezialisierten Arten wie dem Wespenbussard immer weniger Lebensraum. Geradezu im freien Fall befinden sich die Bestände der Turteltaube. Hier macht sich die starke Verfolgung bemerkbar. Jedes Jahr werden auf dem Zug zwei bis drei Millionen Turteltauben geschossen und gefangen. Diesen Aderlass kann die Art nicht ausgleichen.
Abnahme um 420 Millionen Vögel
Bis 2020, so hat es die EU einst beschlossen, sollen 75 Prozent aller Vogelarten ungefährdet sein oder es soll ihnen wenigstens besser gehen als zuvor. Schon jetzt ist klar: Dieses Ziel wird nicht erreicht. EU-weit ist man deutlich davon entfernt und auch in Deutschland beträgt die Quote momentan nur 53 Prozent.
Der Artenschutz tritt auf der Stelle. Schaut man von den Arten zu den Individuen, sieht es noch schlechter aus. In Europa hat die Zahl der Vögel in 30 Jahren um 420 Millionen abgenommen! Es sind die kleinen, häufigen Arten, die rapide weniger werden und für diese Bilanz sorgen. Tausend mehr Seeadler können eben den Verlust von zig Millionen Sperlingen und Schwalben nicht ausgleichen. Dabei geht es nicht nur um Stückzahlen, sondern auch um die Funktion in den Ökosystemen. Es sind die Arten der Normallandschaft, die entscheiden.
Wollen wir Vögel künftig nicht nur in Schutzgebieten erleben, ist es mit Brutflößen und Horstbewachung nicht getan. Nun sind dickere Bretter zu bohren, das heißt vor allem: Die Landwirtschaft muss naturverträglicher werden. Bisher hat die EU-Agrarpolitik trotz der sogenannten Agrarumweltmaßnahmen die Negativentwicklung weiter beschleunigt.
Helge May
Die Rote Liste wird in Band 52 der „Berichte zum Vogelschutz“ veröffentlicht. Neben ausführlichen Angaben zur Entstehung, zu den Kategorien und zu den Gefährdungsursachen ist auch eine Gesamtliste aller deutschen Brutvogelarten einschließlich Bestandszahlen enthalten. Preis 18 Euro plus Versand (im Abo 14 Euro), ISSN 0944-5730. Bestelladresse: bzv@lbv.de oder www.drv-web.de/zeitschrift.
Die Änderungen gegenüber der Vorgängerliste 2008
Verbessert
- von 0 auf R: Steinhuhn, Zwergsumpfhuhn, Weißflügel-Seeschwalbe
- von 1 auf 2: Zwergdommel, Nachtreiher, Steinrötel
- von 1 auf 3: Tüpfel- und Kleines Sumpfhuhn
- von 2 auf R: Steinadler
- von 2 auf 3: Rohrdommel, Steinkauz, Wiedehopf, Zaunammer
- von 2 auf V: Gänsesäger
- von 2 auf ungefährdet: Dreizehenspecht
- von 3 auf ungefährdet: Grauammer
- von R auf ungefährdet: Mantelmöwe
- von V auf ungefährdet: Schilf- und Drosselrohrsänger, Schwarz- und Blaukehlchen
- von 2 auf 1: Birkhuhn, Kornweihe, Küsten- und Brandseeschwalbe
- von 3 auf 2: Turteltaube, Braunkehlchen
- von V auf 2: Wiesenpieper
- von V auf 3: Wespenbussard, Rotschenkel, Rauch- und Mehlschwalbe, Feldschwirl, Baumpieper, Bluthänfling
- von ungefährdet auf 3: Sperbergrasmücke, Star, Trauerschnäpper
- von ungefährdet auf V: Wachtel, Rotmilan, Uferschwalbe, Grau- und Zwergschnäpper, Gartenrotschwanz, Goldammer
Die Liste
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