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Jetzt spenden!Inseln für den Kiebitz
Gemeinsam ackern
Die Zahlen sind dramatisch: Zwischen 1992 und 2016 sind die Kiebitzbestände in Deutschland um 88 Prozent zurückgegangen. Hauptgrund ist die hochintensive Landwirtschaft, die Feuchtwiesen trockenlegt und in Ackerland umwandelt oder die Bewirtschaftung nicht an die Bedürfnisse der Wiesenbrüter anpasst. Hinzu kommt neuerdings die Klimakrise: Die trockenen Phasen sorgen dafür, dass zusätzliche Flächen nicht mehr feucht gehalten werden können.
Ein Jungvogel muss es schaffen
Wiesenvögel sind in Norddeutschland noch Dorfgespräch – aber wie lange noch? Um den Kiebitzbestand zu erhalten, müssen pro Brutpaar etwa 0,8 flügge Jungvögel aufgezogen werden. Ein Kiebitz legt vier Eier, das heißt ein Küken von vier muss überleben.
Das ist ein Ergebnis des Verbundprojektes „Sympathieträger Kiebitz“ in der Agrarlandschaft, das von 2014 bis 2020 durchgeführt wurde. Gemeinsam haben Landwirt*innen und regionale Partner in acht Regionen Deutschlands herausgearbeitet, was dem Kiebitz wirklich hilft, um seine Bestände stabil zu halten. Beteiligt war unter anderem die NABU-Station Münsterland. Rund 14 Prozent des deutschen Bestandes brüten in Nordrhein-Westfalen (NRW) (6.000 bis 9.000 Paare) – vor allem am Unteren Niederrhein und in der Westfälischen Bucht mit einem Dichtezentrum im nördlichen Münsterland.
Eine Insel muss es sein
„Kiebitzinseln sind die effektivste Maßnahme zum Schutz des Kiebitzes im Ackerland. Wie groß sie sein müssen, hängt davon ab, ob es sich um eine Winter- oder Sommerfrucht handelt“, erklärt Dominic Cimiotti, der das NABU-Projekt betreut hat. Bei den Inseln handelt es sich um 0,5 bis 1 Hektar große kurzzeitig still gelegte Flächen (Kurzzeitbrachen) innerhalb von landwirtschaftlichen Flächen, die speziell für Kiebitze angelegt werden können, wenn diese im Gebiet vorkommen.
Kiebitzinseln sollten von Mitte März bis Mitte Juli nicht befahren und nicht gedüngt werden. Zudem sollten zwischen der letzten Bodenbearbeitung bis Mitte Juli keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Wintergetreide wird bereits im Herbst eingesät und wächst sehr schnell auf. Es ist daher nur für kurze Zeit im Frühjahr als Bruthabitat geeignet. Im Sommergetreide können Kiebitze dagegen nicht nur Erst-, sondern auch Nachgelege bebrüten. Kiebitzinseln helfen auch anderen bedrohten Vogelarten, wie zum Beispiel der Feldlerche, dem Flussregenpfeifer, dem Braunkehlchen und der Schafstelze.
Landwirt*innen aus den Projektregionen haben unterschiedliche Maßnahmen erprobt, um die Kiebitze zu schützen. Dazu gehörten neben den Kiebitzinseln unter anderem Gelegeschutzmaßnahmen, Bewirtschaftungsruhen in Sommerungen oder eine verzögerte Maisaussaat. Damit etwa Kiebitzgelege im Grünland nicht durch Frühjahrsarbeiten wie Walzen, Schleppen und Düngen zerstört werden, können die Gelege einfach umfahren werden. „Dazu werden die Gelege mit zwei Stäben aus Bambus oder Elefantengras jeweils mindestens fünf Meter vor und hinter dem Nest in Bearbeitungsrichtung der landwirtschaftlichen Maschinen markiert“, erklärt Cimiotti. So werden die Markierungen vom Brutpaar akzeptiert, sind aber noch auffällig genug, um bei der Bearbeitung nicht übersehen zu werden.
Unterschiedliche Probleme
„Doch das alles hilft nichts“, so Kristian Lilje von der NABU-Naturschutzstation Münsterland, „wenn der politische Wille fehlt, Fördermaßnahmen für die Landwirt*innen zu ermöglichen. Gerade in NRW werden die Ackerflächen immer trockener, aber ein Wassermanagement zur Feuchthaltung der Flächen ist mit den Landwirt*innen in der Regel nicht zu machen“.
Im Münsterland hat sich gezeigt, dass der Nachwuchs der Kiebitze am stärksten unter dem Nahrungsmangel leidet. „Die geschwächten Tiere schützen sich nicht mehr so gut, wenn die Eltern vor Fressfeinden warnen, sondern suchen zu schnell weiter nach Nahrung“, so Lilje. Gelege werden hier dagegen kaum von Räubern geplündert. Anders ist es in Teilen Schleswig-Holsteins: Dort ist der Druck durch Fressfeinde hoch, die Eier werden geplündert und die Kiebitz-Küken können gar nicht erst schlüpfen.
Manche Regionen gehen unkonventionelle Wege: Im Kreis Warendorf (NRW) werden alle Landwirt*innen im Frühjahr angeschrieben, ob sie Gelegeschutz durch Nestmarkierung bei Kiebitzvorkommen auf ihren Flächen zulassen wollen. So erhalten die Naturschützer*innen exakte Daten, welche Flächen sie betreten dürfen und können schneller arbeiten, wenn Kiebitze vorkommen.
Fördermaßnahmen nötig
Nach Abschluss des Projektes 2020 war sich der NABU einig, dass es wichtig ist, den Kiebitzschutz als Standardfördermaßnahme zu etablieren, damit die erprobten Maßnahmen auch in der Fläche wirken können. Bisher werden Feldvogelinseln oder Kiebitzinseln auf Ackerflächen jedoch nur in NRW umgesetzt. Dort gibt es Ausgleichszahlungen in Abhängigkeit von der angrenzenden Hauptfrucht. Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Bundesländern seit längerem Vertragsnaturschutzmaßnahmen im Grünland und auf Ackerflächen, von denen auch der Kiebitz profitiert. Der bürokratische Aufwand für Naturschutzmaßnahmen ist jedoch hoch und betriebswirtschaftlich oft kein Zugewinn. „Die Landwirt*innen beklagen sich seit Jahren, sie würden ja mitmachen, aber es lohnt sich nicht“, so Lilje.
Das sei bitter, denn gerade beim Kiebitz könne der Schutz so einfach sein, „weil wir alle Informationen und Maßnahmen haben, die wirklich helfen.“
Nicole Flöper (Naturschutz heute 4/23)
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