8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Hol‘s der Geier
Aasfresser können von Beweidung profitieren
Beweidete Flächen haben ihre ganz eigenen Lebensgemeinschaften. Je nach Untergrund, klimatischen Verhältnissen und Beweidungsintensität profitieren von den vierbeinigen Rasenmähern auch eine ganze Reihe von Vogelarten. Das können typische Wiesenbrüter wie die Uferschnepfe sein, Stare und Stelzen, die vom Mikrokosmos Dunghaufen profitieren und die das Weidevieh von lästigen Blutsaugern befreien, oder Krähenvögel, die sich an Nachgeburten gütlich tun.
Eine natürliche Nahrungsquelle allerdings steht auf unseren Weiden in der Regel nicht zur Verfügung, nämlich das Aas toter Weidetiere. Die großen Aasfresser der Vogelwelt sind denn auch in Mitteleuropa weitgehend ausgestorben. Anders sieht das in Südeuropa aus. Auf der iberischen Halbinsel zum Beispiel brüteten um die Jahrtausendwende noch mehr als 24.000 Paare Gänse-, Mönchs-, Schmutz- und Bartgeier. Eine wesentliche Nahrungsquelle der Geier waren tote Weidetiere, entweder vor Ort zurückgelassen oder von den Hirten an unzähligen offenen Tierkadaver-Sammelstellen abgelegt, den sogenannten Muladares.
BSE und die Folgen
2002 war es mit der spanischen Geier-Herrlichkeit plötzlich vorbei. Die EU hatte infolge der BSE-Krise ihre Hygienebestimmungen verschärft, in kurzer Zeit wurden mehr als 90 Prozent der traditionsreichen Muladares geschlossen. Hirten mussten verendete Rinder, Schafe und Ziegen nun umgehend einsammeln. Eine ergänzende Verordnung sah zwar vor, dass ersatzweise und unter kontrollierten Bedingungen spezielle Futterplätze eingerichtet werden sollten. Doch dies reichte bei weitem nicht aus, um den Nahrungsverlust auszugleichen. Der Bruterfolg unter den Geiern verringerte sich teilweise dramatisch, auch wurden vermehrt entkräftete Tiere gefunden und in Pflegestationen gebracht.
Für die nördlichen Anrainerstaaten hatte die iberische Geierkrise scheinbar positive Folgen. Plötzlich tauchten nämlich einzelne Geier und ganze Trupps in Regionen auf, in denen sie schon Jahrhunderte nicht mehr gebrütet hatten.
2007 zum Beispiel wurden einzelne Geier bereits im April nahe Rheinland-Pfalz, in Bayern und in Schleswig-Holstein beobachtet. Mitte Mai tauchten dann 22 Gänsegeier und zwei Mönchsgeier in Haigerloch-Stetten auf der Schwäbischen Alb auf. Ziel der Vögel war ein totes Schaf. Krähen hatten das Tier zuerst entdeckt, was mehrere Rotmilane auf den Plan rief und das wiederum lockte die Geier an. Als der Schäfer den Kadaver bald darauf „ordnungsgemäß“ abtransportierte und entsorgte, zogen die hungrigen Geier weiter. Einen Monat später gelangten große Trupps von insgesamt über 100 Geiern noch weiter in den Norden bis nach Belgien und die Niederlande.
Druck auf Brüssel
Währenddessen verschlechterte sich die Lage vor allem in Spanien immer mehr. Der NABU und seine BirdiLife-Partner versuchten, über eine vertretbare Lockerung der Verordnung den Trend dieser gefährlichen Entwicklung umzukehren. Der NABU rief Vertreter der EU-Agrarpolitik, des Veterinärwesens und des Artenschutzes dazu auf, gemeinsam Lösungen zu finden, die sowohl den Hygieneanforderungen Rechnung tragen, als auch den Geiern eine Existenzgrundlage sichern. Dabei wurde betont, dass EU-Hygieneverordnungen nicht die Ziele der EU-Vogelschutzrichtlinie gefährden dürften, indem sie den Geierbeständen nachhaltig die Lebensgrundlage entziehen.
Tatsächlich haben sich die Bemühungen schließlich gelohnt. Das Europäische Parlament verabschiedete eine Neuregelung, wonach die Mitgliedstaaten wieder selbst bestimmen können, in welchem Umfang verendete Weidetiere in der Landschaft verbleiben. So ließen sich auch Möglichkeiten schaffen, im Rahmen der Pflege von extensiven Weidelandschaften verendete Tiere in der Landschaft zu belassen, anstatt sie den Aasfressern von vornherein zu entziehen. Nun soll und kann also den Geiern geholfen werden, ohne notwendige veterinärmedizinische Vorschriften zu untergraben.
Weiter Geiereinflüge
Erfreulich aus deutscher Perspektive: Obwohl sich die Lage im Südwesten wieder entspannt hat und damit „Hungerflüge“ wieder weniger werden, finden immer wieder Geier den Weg zu uns. Zuletzt wurden im August dieses Jahres elf Gänsegeier in der Nähe von Frankfurt am Main gesichtet. Durchaus möglich, dass manche der Geier aus erfolgreichen Wiederansiedlungsprojekten des Alpenraums stammen. Fest steht aber leider, dass die Tiere derzeit bei uns keine Überlebenschancen haben. Gänsegeier sind reine Aasfresser, für die Jagd auf lebende Tiere sind sie nicht wendig genug. Im Mittelalter waren sie noch recht verbreitet und brüteten auch im Süden Deutschlands, selbst an Mittelrhein und Mosel. Auch auf der Schwäbischen Alb folgten sie den großen Schafherden und erfüllten als natürliche Kadaverbeseitiger eine wichtige Aufgabe.
Große Schafherden gibt es auf der Schwäbischen Alb immer noch. Es wäre zu prüfen, ob den Vögeln durch die Entwicklung von großräumigen Weidelandschaften künftig nicht doch eine Überlebensperspektive geboten werden kann. Denkbar wäre dies, wenn ohnehin anfallende tote Weidetiere oder von Autos überfahrenes Wild nicht wie bisher „entsorgt“, sondern dem biologischen Kreislauf – und damit auch Gänsegeiern – überlassen würden. Eine bei uns seit langer Zeit ausgestorbene Vogelart wäre damit wieder zurückgekehrt.
von Markus Nipkow
Bleivergiftungen durch Jagdmunition sind häufige Todesursache für Greifvögel, ebenso wie das veterinärmedizinische Medikament Diclofenac. Beides empfiehlt die Bonner Konvention jetzt zu verbieten. Kommt es dazu, wäre dies ein Meilenstein für den Vogelschutz. Mehr →
Geier nehmen das für sie tödliche Diclofenac durch den Verzehr verendeter Tiere auf, die damit behandelt wurden. Diclofenac führte so zur Ausrottung fast aller Geier in Indien und Pakistan – dennoch wurde das Mittel nun in Italien und Spanien zugelassen. Mehr →
Traurige Nachricht aus Hessen: Nach dem Abschuss eines Gänsegeiers wurde der extrem seltene Vogel auf der Intensivstation behandelt. Sein Leben konnte zwar gerettet werden, doch fliegen wird er nie mehr können. Mehr →