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Die Gemeine Flussmuschel im Porträt
Bis vor wenigen Jahrzehnten galt die Gemeine Fluss- oder Bachmuschel als häufigste heimische Fließgewässermuschel. Das hat sich dramatisch geändert. In ganz Mitteleuropa sind die Bestände auf kaum mehr ein Zehntel früherer Zeiten zusammengebrochen, in vielen Regionen ist die Flussmuschel bereits ausgestorben. Bundesweit wird sie in der Roten Liste in die Kategorie 1 als "vom Aussterben bedroht" geführt. Grund genug für das aus Experten und Fachverbänden bestehende "Kuratorium Weichtier des Jahres", die Gemeine Flussmuschel zum "Weichtier des Jahres 2006" zu küren.
Nur mit großer Anstrengung und gezielten Maßnahmen besteht noch eine Chance, die letzten Flussmuschel-Vorkommen zu erhalten. Die EU hat Unio crassus, so der wissenschaftliche Name, deshalb als besonders geschützte Art in die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) aufgenommen. Die EU-Mitgliedstaaten sind nun verpflichtet, für die Flussmuschel Schutzprogramme zu entwickeln und spezielle Schutzgebiete auszuweisen.
Empfindlich gegenüber Umweltveränderungen
Ihre Lebensraumansprüche - möglichst Gewässergüteklasse I oder II - und eine komplizierte Fortpflanzungsweise machen die Flussmuschel besonders empfindlich gegenüber Umweltveränderungen. Sie ernährt sich von Plankton und feinsten organischen Schwebeteilchen, die sie aus dem Wasser filtert.
Das bohnen- oder niederförmige Gehäuse der Gemeinen Flussmuschel ist meist fünf bis sieben Zentimeter lang, in seltenen Ausnahmen auch über zehn Zentimeter. Die Tiere sind im Norden meist bräunlich oder schwarz, im Osten und Süden des Gebietes teilweise auch grünlich. Oft sind die Schalen durch das Leben im Bach mit Kalk oder schwarzem Eisen-Mangan-Überzug verkrustet. Je älter die Muscheln sind, desto angefressener kann die Schale sein. Oft ist die Schalenhaut aufgelöst und das Kalkgehäuse teils zerstört. Der Weichkörper der Flussmuschel ist hell, am Hinterende befindet sich die große Einströmöffnung sowie darüber die glattrandige Ausströmöffnung. Mit der vorderen Gehäuseseite ist die Flussmuschel in den Untergrund eingegraben, Ein- und Ausströmungsöffnung an der anderen Seite ragen ins Wasser. An der Unterseite kann sie zwischen den Klappen ihren Fuß zur Fortbewegung herausstrecken.
Verbreitet bis zum Schwarzen Meer
Die Verbreitung der Fluss- oder Bachmuschel reicht über ganz Europa mit Ausnahme der britischen Inseln, Italiens und weiter Teile der iberischen Halbinsel, im Osten weiter bis zum Schwarzen Meer und ins Zweitstromland (Irak). In Deutschland befinden sich die individuenstärksten Flussmuschelbestände in kleinen, sauberen Flüssen und Bächen Mecklenburg-Vorpommerns, vor allem an Nebel, Warnow, Löcknitz und Meynbach. Die Mitte der Republik ist bis auf den Spreewald und Abschnitte der Eder in Nordhessen weitgehend flussmuschelfrei, in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gibt es nur noch ein einziges Vorkommen. Etwas zahlreicher wiederum - wenn auch oft mit wenigen Tieren - sind die Standorte in Süddeutschland, zum Beispiel in Bayern an der Naab, der Ilz und der Ammer.
Für ein Weichtier ist Unio crassus ist eine ausgesprochen langlebige Art. Sie kann in Mitteleuropa über 30 Jahre alt werden, in den kälteren Gewässern Nordeuropas sogar bis zu 90 Jahre. Sie wird im Alter von drei bis vier Jahren und mit einer Größe von zwei bis vier Zentimetern fortpflanzungsfähig. Bis dahin ist es aber ein komplizierter und gefahrenvoller Weg. Zunächst nehmen die Muschelweibchen zur Fortpflanzungszeit im Frühjahr und Frühsommer die Spermien der Männchen mit dem Atemwasser ein, so werden die Eier befruchtet. In den Kiemen des Weibchens entwickeln sich dann die Glochidien genannten Muschellarven. Diese Glochidien stößt die Mutter später einzeln oder in größeren Paketen ins Wasser ab. Während einer Fortpflanzungsperiode wurden für Unio crassus je Weibchen zwischen 1.000 und 56.000 ausgestoßene Larven gezählt.
Larven schmarotzen in Fischkiemen
Die Larven sind gerade mal ein fünftel Millimeter groß. Durchs Wassers schwebend sind sie darauf angewiesen, innerhalb weniger Tage von einem Fisch aufgeschnappt zu werden, in dessen Kiemen sie sich mit einem Haftfaden und kleinen Häkchen festsetzen. Die Wirtsfische sind von Gebiet zu Gebiet verschieden, in Frage kommen zum Beispiel Elritze, Dreistachliger Stichling, Groppe (Mühlkoppe) - der Fisch des Jahres 2006 -, Döbel und Hasel. Die Muschellarven durchleben am Wirtsfisch eine parasitäre Phase und fallen nach vier bis sechs Wochen ab. Anschließend wandeln sie sich zu Jungmuscheln um. Diese wandern für teils mehrere Jahre in die Gewässersohle. Sobald sie eine Länge von einem Zenitmeter erreicht haben, kommen sie wieder an die Oberfläche und richten sich so wie die erwachsenen Tiere aus.
Natürliche Feinde - neben den potentiellen Wirtsfischen, die zahlreiche Larven auffressen, statt sie brav in die Kiemen eindringen zu lassen - hat die Flussmuschel nur wenige. Zu nennen ist vor allem der Fischotter und unter den "Neubürgern" der Bisam.
Jungmuscheln ersticken, Bestände vergreisen
Wesentlich problematischer für die Flussmuschel sind Eingriffe in die Fließgewässer sowie Überdüngung und vermehrter Schwebstoffeintrag. Dies alles führt zur Verstopfung der Sand- und Kieszwischenräume in der Gewässersohle und Sauerstoffmangel, so dass die Jungmuscheln dort absterben. Fast alle noch bestehenden Flussmuschelvorkommen sind deswegen hoffnungslos überaltert, Jungmuscheln kommen kaum noch hoch. Hinzu kommt, dass durch Besatzmaßnahmen in den Gewässern ortsfremde und oft für die ursprünglichen Muschelpopulationen ungeeignete Wirtsfische eingesetzt werden. Mancherorts werden nun bereits mit Jungmuscheln "geimpfte" Wirtsfische ausgesetzt, um so die Populationen zu verjüngen. (elg)