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Der Elch kehrt nach Deutschland zurück
Über ein Jahr lang hielt Elch Knutschi die Behörden in Atem. Der im September 2008 vermutlich aus Polen zugewanderte Jungbulle tauchte zunächst in der Nähe von Görlitz auf, durchstreifte die Sächsische Schweiz und das Erzgebirge, wo es ihm so gut gefiel, dass er dort überwinterte. Monatelang machte sich Knutschi rar, doch im August 2009 tauchte er plötzlich mitten in Chemnitz auf, übersprang auf der Flucht vor der Polizei einen 1,50 Meter hohen Zaun und zog durch Thüringen nach Hessen weiter. In der Nähe von Kassel konnte ihn die Polizei schließlich stellen. Knutschi wurde in den nahen Reinhardswald gebracht, wo er Ende September aus ungeklärter Ursache verendete.
Knutschi ist kein Einzelfall. Immer wieder zieht es wandernde Elche aus Osteuropa nach Deutschland. Zwar sind die Großhirsche vor allem in Skandinavien heimisch, doch auch in Polen und Tschechien leben kleinere Populationen.
In Polen wurden die Bestände bis Ende der 1990er Jahre auf etwa 2.000 Tiere dezimiert, doch seit Elche dort geschont werden, haben sie sich auf 4.000 Exemplare vermehrt und drängen verstärkt gen Westen, nach Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Im Sommer durchschwimmen sie Oder und Neiße; im Winter laufen sie einfach über das Eis. Auch in Tschechien lebt eine langsam wachsende Population, von der es immer wieder einzelne Tiere zu ausgedehnten Wanderausflügen über die Grenze nach Bayern treibt.
Schreck auf der Autobahn
So erschreckte ein aus Tschechien stammender Elch vor einigen Jahren mehrfach Autofahrer, die auf der A9 zwischen Bayreuth und Hof unterwegs waren, bevor er wieder über die Grenze verschwand. Wenig später tauchte bei Passau ein Elch-Pärchen auf. Für den Bullen endete der Ausflug tödlich: Das 350 Kilogramm schwere Tier rammte ein Auto, humpelte schwer verletzt davon und musste erschossen werden. Im vergangenen Jahr wurde ein offenbar noch junger Elch auf Usedom gesichtet. Das Tier hatte den Peenestrom durchschwommen, der die Ostsee-Insel vom Festland trennt. Elche sind hervorragende Schwimmer, die im Wasser mehrere Kilometer zurücklegen können.
Zuletzt war im vergangenen September ein Elch, der bei Berlin die Autobahn A10 überqueren wollte, von einem Pkw erfasst und getötet worden. Der Fahrer wurde verletzt und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Bis ins Frühmittelalter waren die Großhirsche noch über ganz Deutschland verbreitet. In seinem „De Bello Gallico“ beschreibt der römische Feldherr Julius Cäsar eine angebliche Jagdmethode der Germanen: Da der Elch ein Tier ohne Kniegelenke sei, könne er sich nicht von alleine aufrichten und müsse sich zum Schlafen an einen Baum lehnen, schreibt Cäsar. Dies würden sich germanische Jäger zunutze machen, indem sie die Bäume ansägten. Lehne sich ein Elch an, stürze er mit dem Baum zu Boden und werde zur Strecke gebracht.
Schnell wie ein Pferd
Das ist natürlich Unfug. Im Gegensatz zu Cäsars Beschreibung haben Elche lange, bewegliche Beine, die den massigen, jedoch kurzen Rumpf schnell und sicher auch durch unebenes Gelände tragen. Sie sind ausdauernde Läufer und können es in puncto Geschwindigkeit mit dem Pferd aufnehmen. Die weltweit größte Hirschart erreicht eine Schulterhöhe von bis zu 2,30 Metern und wiegt bis zu 800 Kilo. Männliche Tiere tragen ein Geweih aus breiten Schaufeln, verzweigten Stangen oder einer Mischung von beidem, das sie in den wütenden Zweikämpfen der Brunftzeit auch als Waffe einsetzen.
Die Großhirsche leben als Einzelgänger in lichten Wäldern mit Brachflächen wie Flussauen, Sümpfen und Kahlschlägen und ernähren sich von Blättern, Trieben und Rinde; im Winter auch gerne von Zweigen und Sträuchern. Dass Elche wegen ihrer überhängenden Oberlippe nur rückwärtsgehend grasen können, ist allerdings eine Falschinformation, die der römische Gelehrte Plinius der Ältere in die Welt gesetzt hat. Die knorpelige, übergroße Oberlippe ermöglicht es dem Elch, Zweige von den Bäumen zu brechen und die Rinde abzustreifen. In Deutschland unterstehen Elche zwar dem Jagdrecht, sie genießen jedoch das ganze Jahr über Schonzeit.
Elch-Familie in Brandenburg
Schon aufgrund seiner Statur hat der Elch kaum ein anderes Tier zu fürchten. Braunbären sind in Deutschland ausgestorben, Wölfe gibt es bisher nur wenige. Der einzige Feind, der hierzulande dem Großhirsch gefährlich werden kann, ist das Auto. „Die Tiere, die zu uns kommen, werden häufig überfahren“, sagt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtierstiftung. Elche gelten als unfallträchtig: Aus ihrem Heimatland Schweden werden Jahr für Jahr zwischen 4.000 und 5.000 Verkehrsunfälle mit dem Großhirsch gemeldet. Allerdings leben dort auch 300.000 bis 400.000 Exemplare. „Ich glaube nicht, dass die paar Elche, die bei uns einwandern, tatsächlich ein Problem darstellen“, sagt Kinser.
Biologische Daten
Mit einer Kopfrumpflänge von bis zu drei Metern und einer Schulterhöhe von etwa zwei Metern ist der Elch der größte Vertreter seiner Familie. Sein imposantes Geweih kann gute zwei Meter ausladen. Weibliche Tiere sind geweihlos und bis zu einem Fünftel kleiner als ihre männlichen Verwandten. Ein besonderes Merkmal ist die große Oberlippe (Muffel), die dem Elch hilfreich beim Äsen ist.
Meist lebt der Elch als Einzelgänger in lichten Wäldern mit Freiflächen, wo er sich als Wiederkäuer von Wasserpflanzen, Rinde und Blättern, im Winter auch von Zweigen, Sträuchern und dem Grün der Nadelbäume ernährt. In der kalten Jahreszeit bilden Elche gelegentlich lose Gruppen, die sich jedoch bald wieder auflösen.
Nach der Paarung im Herbst ist die Elchkuh neun Monate trächtig, bevor sie ein bis zwei Junge gebärt. Erst vor einer neuen Geburt vertreibt das Weibchen ihr Kalb. In der freien Natur erreichen Elche oft ein Alter von 15 Jahren.
Der Experte geht davon aus, dass der Elch in naher Zukunft wieder dauerhaft bei uns heimisch werden kann. Insbesondere im dünnbesiedelten Brandenburg mit seinen Feuchtwiesen und weitläufigen Moor- und Bruchwäldern, fänden die Tiere ideale Lebensbedingungen, sagt Kinser. Auch in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern gäbe es geeignete Gebiete. In Bayern kämen der Bayerische Wald und Truppenübungsplätze wie Grafenwöhr in der Oberpfalz in Betracht.
„Warum sollte der Elch dort nicht wieder sesshaft werden?“, fragt Kinser. Für Brandenburg ist die Frage inzwischen beantwortet: Wissenschaftler melden von dort das Entstehen einer ersten kleinen Kolonie. Es soll bereits Nachwuchs gegeben haben.
Hartmut Netz
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