Foto: NABU/Fahim Farid
(K)ein Katzensprung in Baltistan
Schutz der Schneeleoparden in Pakistan
Schneeleoparden leben in den schwer zugänglichen Hochgebirgsregionen Zentralasiens und gehören zu den am stärksten bedrohten Großkatzen der Erde. Nur noch 4.000 bis 6.400 Exemplare leben in freier Wildbahn, eine exakte Zahl ist nicht bekannt. Die Ursachen für die Bedrohung der Schneeleoparden reichen von Wilderei über den Klimawandel bis hin zum Beutetier- und Lebensraumverlust und sind je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt.
Eines der zwölf Verbreitungsländer des Schneeleoparden ist Pakistan. Die Region Baltistan, die im Nordosten des Landes liegt und an China, Indien und Afghanistan grenzt, bietet mit ihrem Hochgebirgsmassiv Karakorum einen perfekten Lebensraum für die seltene Großkatze und ihre Beutetiere. Jedoch ist die Region auch relativ dicht besiedelt. Die lokale Bevölkerung Baltistans ist sehr arm und lebt hauptsächlich von der Weidetierhaltung. Immer wieder kommt es vor, dass Schneeleoparden in die niedrigen Einfriedungen eindringen, in denen für die Dauer der Nacht oft alle Ziegen und Schafe eines Dorfes zusammengetrieben sind. Das können bis zu fünfzig Tiere sein – die gesamten finanziellen Rücklagen der Schäfer für die Zukunft. Durch den sogenannten Beuteschlagreflex töten Schneeleoparden manchmal so viele Tiere, dass ein ganzes Dorf um seine Existenz gebracht wird. Schneeleoparden gelten in Regionen wie diesen also nicht selten als Feinde und fallen häufig Vergeltungsaktionen zum Opfer.
Wo leben Schneeleoparden?
Schneeleoparden kommen in zwölf Ländern vor, dazu zählen neben Pakistan auch China, Russland, Afghanistan, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan, die Mongolei, Bhutan, Nepal und Indien.
Wovon ernähren sich Schneeleoparden?
Studien in Baltistan haben gezeigt, dass sich Schneeleoparden in einigen Gebieten bis zu 70 Prozent von Nutztieren ernähren. In anderen Regionen sind es nur etwa 20 Prozent. Diese Entwicklung lässt sich unter anderem durch einen Rückgang wilder Beutetiere erklären, sodass Schneeleoparden oft keine natürlichen Nahrungsmöglichkeiten finden.
Warum werden in Baltistan nicht Herdenschutzhunde gegen die Angriffe von Schneeleoparden eingesetzt?
Pakistan ist ein islamisches Land, in dem Hunde als unrein angesehen werden. Außerdem brauchen Hunde Fleisch zum Überleben, von dem für die Menschen schon kaum genügend vorhanden ist.
Hirten erhalten Entschädigungen bei Schneeleoparden-Angriffen
Um Probleme wie diese zu lösen, hat der NABU im letzten Jahr sein Schutzengagement von Kirgistan und Tadschikistan auf Pakistan ausgeweitet. In Baltistan unterstützen der NABU und die NABU International Naturschutzstiftung die Baltistan Wildlife Conservation and Development Organization (BWCDO). Die etablierte NGO entschädigt die Hirten für ihre finanziellen Verluste durch Schneeleoparden, baut schneeleopardensichere Ställe für Nutztiere und betreibt Umweltbildung in der Region – mit dem erklärten Ziel, ein friedliches Miteinander zwischen Mensch und Tier zu schaffen. Die Idee dazu hatte Dr. Shafqat Hussain, Gründer und Geschäftsführer der BWCDO. „Nach meinem Studium in den 90ern habe ich im nordpakistanischen Skardu in der Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet und die Dörfer der Region besucht. Schon damals berichteten die Menschen von den Attacken der Schneeleoparden, denn Konflikte sind dort am größten, wo Menschen und Schneeleoparden aufeinandertreffen“, erzählt er, als wir ihn im Mai 2017 zum Start unserer Zusammenarbeit treffen.
Seine Erfahrungen in den Dörfern haben ihn dazu bewegt, die Menschen von Anfang an in den Schneeleopardenschutz mit einzubeziehen und eine Schneeleopardenversicherung ins Leben zu rufen. „Schneeleoparden spielen eine zentrale Rolle für den Erhalt von Ökosystemen im Gebirge und sind Teil des Weltnaturerbes, das wir für nachkommende Generationen bewahren müssen. Sie zu schützen, ist wichtig. Die Menschen vor Ort zu besuchen, herauszufinden, was sie brauchen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen, ist jedoch genauso wichtig“, sagt er.
Vergeltungsaktionen lassen nach
Heute nehmen 26 Dörfer in Baltistan an dem Versicherungssystem teil, etwa 24.000 US-Dollar wurden insgesamt an geschädigte Hirten und ihre Familien ausgezahlt. Um die immensen durch Schneeleoparden verursachten Verluste zu verringern und das Versicherungssystem zu schonen, finanziert die Organisation zudem den Bau von Ställen, in denen Nutztiere vor Angriffen durch Schneeleoparden sicher sind. „Durch die Ställe und das Versicherungssystem minimieren sich die finanziellen Verluste für die Hirten spürbar und die Vergeltungsaktionen gegen Schneeleoparden lassen nach. Dies allein reicht aber noch nicht für ein langfristiges, friedliches Miteinander zwischen Mensch und Schneeleopard“, sagt Hussain. Der Schlüssel seien die nachkommenden Generationen, die den Schneeleoparden nicht mehr als „Monster“ ansehen. „In Baltistan findet ein Generationenwechsel und damit ein Umdenken statt. Bildung gewinnt immer mehr an Bedeutung und wird als Aufstiegsmöglichkeit erkannt.“ Die BWCDO engagiert sich auch für Umweltbildung und hat bereits 19 Schulen in der Region gebaut, in denen auch über den Wert von Natur- und Artenschutz aufgeklärt wird.
Es sind der anthroposophische Ansatz und die belegbare Wirkung, die Hussains Projekt so erfolgreich machen. Sein Engagement spricht zur richtigen Zeit am richtigen Ort genau das Bedürfnis der Menschen in Baltistan an: Die Nachricht einer Versicherung gegen Schäden durch Schneeleoparden verbreitete sich zum Start des Projektes in den 90er-Jahren durch Mundpropaganda von Dorf zu Dorf, sodass Hirten von weit her nach Skardu kamen, um mehr darüber zu erfahren. Heute ist das Projekt bereits mehrfach ausgezeichnet und wurde im letzten Jahr von den Vereinten Nationen mit dem begehrten Equator-Preis gewürdigt, der weltweit Organisationen mit kreativen Lösungen gegen steigende Armut und die negativen Folgen des Klimawandels auszeichnet.
Britta Hennigs
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Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE 7737 0205 0000 0117 0700, BIC: BFSWDE33XXX
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