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Tier mit Superkräften
Wie steht es um den Gartenschläfer in Deutschland?
„Wahre Superkräfte hat der Gartenschläfer“, schwärmt Johannes Lang, Wildbiologe an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Damit meint er nicht etwa dessen Kletterkünste, sondern den ausgiebigen Winterschlaf. In der Regel schlummert der Gartenschläfer über ein halbes Jahr, von Oktober bis April. „Das könnte ähnliche Auswirkungen haben, wie sie Astronaut*innen nach Reisen ins All erleben. Sie müssen sich regenerieren und Muskeln aufbauen, bevor sie wieder laufen können. Nicht so der Gartenschläfer. Einmal aufgewacht, ist er auf einen Schlag putzmunter.“
Einzelgänger mit Vorliebe für Insekten
Das ist auch gut so. Angesichts seines Jahresprogramms haben Gartenschläfer keine Zeit zu verlieren und gehen direkt auf Partnersuche. Bereits im Mai, nach rund drei Wochen Tragzeit, werfen Weibchen vier bis sechs Junge. Sie ziehen den Nachwuchs allein groß, bis sich nach fünf Wochen der Familienverbund auflöst. Die Gartenschläfer sind eher allein unterwegs und auf Nahrungssuche, am liebsten nach Insekten, Würmern, Schnecken, Früchten oder Samen.
Bei so viel Schlaf ist es wenig verwunderlich, dass Menschen die Säugetiere selten zu Gesicht bekommen. „Das liegt aber vor allem daran, dass sie nachtaktiv und – anders als der Name vermuten lässt – natürlicherweise in europäischen Nadel- und Mischwäldern zuhause sind“, stellt Lang klar. Solange sie sich in Büschen, Felsnischen, Totholz oder Baumhöhlen verstecken und ihre Nester an sicheren, ruhigen Orten bauen können, sind sie nicht wählerisch, ob in Hoch- oder Tieflage.
Ein leiser Abschied?
„Die artverwandte Haselmaus ist im Gegensatz zum Gartenschläfer durch die FFH-Richtlinie geschützt, das heißt EU-Mitgliedsländer müssen sie bei z. B. Bauvorhaben oder in ihrer Naturschutzpolitik berücksichtigen“, erklärt Lang. Diesen notwendigen Schutz genießt der Gartenschläfer nicht, obwohl er ebenso auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten steht. Genaue Bestandszahlen liegen nicht vor, selbst in Forschungskreisen war bis vor wenigen Jahren wenig über die Schlafmaus bekannt.
„Ich war erschrocken, wie wenig wir wussten über Vorkommen und Gefährdung des Gartenschläfers, während er schon dabei war, von der Bildfläche zu verschwinden“, fasst der Wildbiologe zusammen. Um das zu verhindern, untersucht er seit vier Jahren im Projekt „Spurensuche Gartenschläfer“ mit der JLU, der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und dem BUND, wo die Tiere in Deutschland vorkommen und wie man sie schützen kann.
Vom Wald in die Stadt und wie weiter?
„Wir stellen fest, dass der Gartenschläfer vor allem in den Mittelgebirgen seinen natürlichen Lebensraum verliert, auch wenn die Zahlen im Harz und im Schwarzwald aktuell okay aussehen.“ Anhaltende Dürrejahre und die intensive Forstwirtschaft mit hohem Pestizideinsatz, Monokulturen sowie Rodungen lassen strukturreiche Wälder und Ackerflächen schwinden. „Ohne ausreichend Bäume oder Sträucher können sich die Gartenschläfer kaum noch verstecken und zurückziehen“, erläutert Lang. Das gilt genauso für andere Kleintiere und vor allem auch Insekten. Sterben sie, stirbt die wichtigste Nahrungsgrundlage des Gartenschläfers.
Doch es gibt, zumindest mittelfristig, Hoffnung. Die Gartenschläfer scheinen sich bisher anpassen zu können. Sie sind auch in Städten zu finden, insbesondere entlang des Rheins und der Mosel, von Wiesbaden und Mainz bis Köln und Bonn. „Noch finden sie dort genügend zu fressen, leicht verdauliche Insekten, Würmer, Spinnen oder Früchte. Unterschlupf bieten Nistkästen oder Gebäudenischen.“ Aber Grund zur Entwarnung sei das nicht. „Wenn immer mehr Gebäude saniert und Innenstädte verdichtet werden, findet der Gartenschläfer auch im Siedlungsbereich keine geeigneten Lebensräume mehr.“
Zudem ist nicht absehbar, wie sich die Klimakrise langfristig auf die Winterschläfer auswirken wird. Umso wichtiger ist es, dem kleinen Bilch schnell zu helfen. Er braucht – wie viele andere Arten – strukturreiche Lebensräume, frei von Pestiziden. Deshalb sprechen Lang und seine Kolleg*innen mit Forstwirt*innen und Winzer*innen, um auf die Art aufmerksam zu machen. Oft sei nicht bekannt, dass Gartenschläfer im Wald, Weinberg, Garten oder Stadtpark zuhause seien, die Bereitschaft, sie zu schützen, aber hoch. Auch Gartenbesitzer*innen können auf Pestizide verzichten. Ein weiterer kleiner Baustein: mit Brettern oder Ästen als Ausstiegshilfen Wasserstellen sichern, um Gartenschläfer & Co. vor dem Ertrinken zu retten.
Lisa Gebhard (Naturschutz heute 1/23)
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