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Ehemalige Familiengruft wird zum Winterquartier
Ein paar Stufen geht es bergab in das dunkle Gemäuer, doch mit seiner Stirnleuchte ist Patrick Folkersma stets passend ausgerüstet. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch hier unten, an die 90 Prozent. Das ist wichtig, damit die Tiere nicht austrocknen. Um die Werte im Blick zu haben, hat Folkersma ein kleines Messgerät auf einem Mauervorsprung aufgestellt. Im Schein seiner Stirnlampe sind darüber bereits einige Höhlensteine erkennbar. Diese sogenannten Gewölbesteine, die im Fachhandel extra für Fledermäuse erhältlich sind, haben die Fledermausschützer*innen in verschiedenen Formen und Größen innerhalb der Gruft positioniert. Einige hängen höher, andere niedriger, senkrecht, waagerecht, nahe am Einflugloch oder weiter unten im Gewölbe. Knapp 35 Quadratmeter misst die ehemalige Gruft.
Viele Jahre stand das Bauwerk leer und wurde nur illegal als Müllschlucker missbraucht. Schon Mitte der 1990er Jahre haben NABU-Aktive den Ort als mögliches Winterquartier für Fledermäuse erfasst. Passiert ist jedoch zunächst nichts. Erst vor knapp drei Jahren haben Patrick Folkersma und andere Aktive der NABU-Fachgruppe Fledermausschutz die Initiative ergriffen und ein Projekt gestartet. Mit 15.000 Euro wird der Umbau der Gruft zum Fledermausquartier von der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung (NUE) gefördert. Auch die Gruft im nur wenige Kilometer entfernten Lübow soll im Rahmen des Projekts als Winterquartier hergerichtet werden.
Kaum natürliche Quartiere. Da in der freien Natur solche Rückzugsorte rar sind, ist Unterstützung für die Tiere notwendig. Die meisten Fledermausarten beziehen geschützte Höhlen, alte Stollen und andere unterirdische Verstecke zur Überwinterung. Solche sind in Mecklenburg-Vorpommern natürlicherweise allerdings selten. Die Alternativen sind im Nordosten eher Kirchen, Eiskeller oder Bunker. Viele wurden aber in den letzten Jahrzehnten zurückgebaut, Kirchen nach Sanierungen verschlossen. Alte Bäume mit Baumhöhlen sucht man vielerorts vergebens. So sind Fledermäuse meist auf künstlich errichtete Quartiere angewiesen. Fledermausschützer*innen wie Patrick Folkersma haben es sich zur Aufgabe gemacht, solche zu errichten oder wieder nutzbar zu machen.
Dabei wären für den studierten Archäologen eigentlich eher die historische Nutzung der Gruften und ihre Überbleibsel interessant. Zu den Flattertieren hat Folkersma erst der Zufall gebracht. Vor sieben Jahren haben er und seine Frau ein Ferienhaus am Salzhaff gekauft. Auf dem Dachboden erwartete sie überraschend eine Wochenstube von Zwerg- und Mückenfledermäusen. Sofort haben die Tiere den gebürtigen Niederländer fasziniert. „Über 60 Millionen Jahre haben diese Wesen ihren Nutzen für den Planeten schon erfolgreich bewiesen“, sagt er. „Das müssen wir Menschen überhaupt erst mal schaffen.“ Schon einige bewegende Momente habe er dank der Fledermäuse erleben dürfen, etwa das Gefühl, ein aus der Wochenstube gefallenes Jungtier wieder in Sicherheit zu bringen, oder Balzrufe von Farbfledermäusen mitten im Winter. „Wusstest du, dass man mit ein bisschen Glück sogar den Flügelschlag einer Fledermaus hören kann?“, fragt er mich begeistert. Er selbst habe das schon einige Male geschafft, in ruhigen Momenten ohne Lärm und Wind.
Fledermausbotschafter aus Leidenschaft. 2015 hat sich Patrick Folkersma in Nordrhein-Westfalen, wo er damals noch lebte, zum Fledermausbotschafter ausbilden lassen. Ein Konzept, von dem er überzeugt ist und welches er gerne wiederaufleben lassen würde. „Wir brauchen dringend Nachwuchs und mehr Aktive, die sich für den Fledermausschutz engagieren.“ Er sei ein perfektes Beispiel dafür, dass dazu nicht unbedingt ein Biologiestudium oder ähnliche Ausbildungen notwendig seien. „Viel wichtiger ist das echte Interesse für das Thema. Damit kann man sich vieles Stück für Stück selbst erarbeiten“, so, wie er es getan hat. Zwar sei die Bestimmung von einzelnen Arten auch für ihn mitunter noch immer ein Rätsel, aber dafür habe er fachkundige Mitstreiter in der Fledermausfachgruppe des NABU, mit denen er sich regelmäßig austausche.
Seit drei Jahren wohnen die Folkersmas nun ganz in Wismar. Für den Fledermausschutz in der Region ist das eine große Bereicherung. So betreut er nicht nur die Fledermausquartiere in der Region, sondern berät auch in Sachen fledermausfreundliches Haus und Lebensraum Kirchturm. Manchmal sind auch akute Fälle dabei. Ansonsten gehören für ihn auch die Öffentlichkeitsarbeit, Vorträge und Interviews dazu. „Wir haben mehr als genug zu tun. Langweilig wird es nicht.“
Wie lange es dauern wird, bis die Gruft in Hornstorf von den Fledermäusen als Winterquartier angenommen wird, kann Patrick Folkersma nicht sagen. „Wir können ja kein Schild für die Fledermäuse aufstellen, ‚Hier geht‘s zum neuen Winterhotel‘“, scherzt er. „Aber wir hoffen, dass Zwergfledermäuse und Braunes Langohr schon bald hier einziehen werden. Mit etwas Glück finden auch Teichfledermäuse den Weg hierher.“ Ihre Wochenstube sei kaum zwei Kilometer entfernt. Kontrolliert werden soll die Quartiersentwicklung mit Hilfe von Wildkameras, die digital einen täglichen Statusbericht liefern. Im Winter werden die Fledermausschützer*innen auch zweimal vor Ort nach dem Rechten sehen. Patrick Folkersma ist schon gespannt, welche Arten er dann in dem neu hergerichteten alten Gemäuer entdecken wird.
Manuela Heberer (Artikel aus „Naturschutz heute“ 4/21)
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