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Jetzt spenden!Runzliger Erstbesiedler mit Doppelgänger
Die Caperatflechte ist "Flechte des Jahres 2006"
Die Bryologisch-lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa (BLAM) hat die Caperatflechte zur "Flechte des Jahres 2006" gekürt. Die Bezeichnung Caperat- oder Runzelflechte geht auf Carl von Linné zurück, der ihr vor 250 Jahren den Namen Lichen caperatus gab und der die leicht erkennbare Blattflechte wohl aufgrund ihrer runzligen Oberfläche so benannte. Ihr wissenschaftlicher Name lautet heute Flavoparmelia caperata. Im niederländischen Sprachraum heißt sie "Bosschildmos", worin ihr Lebensraum und ihre Form zum Ausdruck kommen: Sie besiedelt vornehmlich die Borke von Laubbäumen, kann aber auch an moosüberzogenen Felsblöcken gefunden werden.
Die gelblichgrüne Flechte bildet bis zu zwölf Zentimeter breite, unregelmäßig gewachsene Rosetten, die aus abgerundeten, am Rand zuweilen eingekerbten, einen Zentimeter breiten Lappen bestehen. Die Lappenenden sind glänzend glatt und werden zur Lagermitte hin zunehmend runzeliger, um sich stellenweise sogar körnig aufzulösen. Diese recht groben Körnchen (Soredien) dienen der vegetativen, also ungeschlechtlichen Verbreitung. Ihre Unterseite ist schwarz, am Rand kastanienbraun, und mit schwarzen Haftfasern hält sie sich an der Unterlage fest.
Erst seit rund zehn Jahren findet man die auffällige Flechte wieder häufiger an Bäumen in den deutschen Ballungszentren. Ein Grund hierfür ist die Entschwefelung der Kraftwerke und die Umstellung auf schwefelärmere Brennstoffe, ein anderer ihre enorme Ausbreitungsfähigkeit. Im Ruhrgebiet gehörte sie zu den Erstbesiedlern von Bäumen - zum Beispiel rund um die Westfalenhütte in Dortmund.
Flechten sind wechselfeuchte Organismen ohne eine oberflächliche Schutzschicht, weshalb sie Luftschadstoffe nicht ausschließen können, sondern mit dem Niederschlagswasser aufnehmen müssen. Zudem sind sie eine Lebensgemeinschaft aus Algen und Pilzen, die in einer "Hungergemeinschaft" zusammenleben, wo jeder Partner dem anderen hilft. Und diese Gemeinschaft reagiert empfindlich auf Säure- oder Nährstoffeintrag. Letztere, die so genannten eutrophierende Einträge, sind derzeit die dominierenden Luftschadstoffe in Westeuropa. Die von Art zu Art unterschiedliche Empfindlichkeit der Flechten gegenüber verschiedenen Schadstoffgruppen und ihr hohes Ausbreitungspotential macht sie zu idealen Bioindikatoren. Darüber hinaus reagieren sie auch rasch auf klimatische Veränderungen.
Und damit kommt ein inzwischen im Nordwesten Deutschlands häufig gewordener Doppelgänger der Caperatflechte ins Spiel: Flavoparmelia soredians. Diese Art hat keinen deutschen Namen. Ihre Heimat ist unter anderem Westeuropa und das Mittelmeergebiet. Auch sie bildet Soredien, doch sind diese feinkörniger als im Fall der Caperatflechte. Sie ist insgesamt kleiner und schmiegt sich der Unterlage viel enger an als die Caperatflechte, und beide wachsen gelegentlich nebeneinander am selben Baum.
Möglicherweise ist Flavoparmelia soredians infolge von Klimaveränderungen um die Mitte der 1990er Jahre von Westen her bei uns eingewandert, denn in alten Herbarbelegen wurde sie bisher nicht entdeckt. In Nordrhein-Westfalen entpuppt sich inzwischen, je nach Region, rund jede zehnte (Ostwestfalen) bis sechste (Rheinschiene) Caperatflechte bei näherem Hinschauen tatsächlich als F. soredians. Auch in den Niederlanden und in Frankreich wird dieses Phänomen beobachtet, wobei hier wie dort noch weitere Arten sich anscheinend ebenfalls infolge von Klimaverschiebungen ansiedeln und ausbreiten - und diese Veränderungen erfolgen rasch.
Text und Bilder: BLAM e.V.