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Der Klimawandel verschiebt die Vegetationsphasen der Pflanzen
Die Natur schien aus den Fugen: Im Ilmtal bei Weimar trieben die Haselsträucher bereits Anfang Januar ihre gelbgrünen Kätzchen aus; dichte Wölkchen aus Blütenstaub verwehten im milden Winterwind. Auch die Forsythien, deren zarte Blüten eigentlich vom Frühling künden, färbten sich schon zum Jahresanfang leuchtend gelb. In den ersten Wochen des Jahres 2007 herrschten frühlingshafte Temperaturen – nicht nur in Thüringen, sondern in ganz Deutschland.
„So extrem war es noch nie“, sagt Wolfgang Nauber, dem in seiner jahrzehntelangen Praxis schon so mancher milde Winter untergekommen ist. Der 68-jährige ehemalige Förster ist einer von bundesweit rund 1.500 phänologischen Beobachtern, die für den Deutschen Wetterdienst (DWD) das Werden und Vergehen der Pflanzen untersuchen. Akribisch notieren sie übers Jahr, zu welchem Zeitpunkt bestimmte Arten zu blühen beginnen, wann sie Früchte tragen und an welchem Tag sie die ersten Blätter verlieren.
Früher Farbenrausch
Die Datenblätter, mit denen sie ihre Beobachtungen dokumentieren, werden in der DWD-Zentrale in Offenbach ausgewertet. Die Datenreihen reichen 110 Jahre zurück und sie zeigen, dass sich der außergewöhnlich milde Jahresbeginn 2007 in einen langfristigen Trend fügt: Der Winter verkürze sich, der Frühling rutsche in Richtung Jahresbeginn, erläutert DWD-Experte Ekko Bruns.
Wann Hecken schneiden?
Nur wenn die Natur ruht, dürfen Gebüsche oder Schilfflächen gerodet oder geschnitten werden. Seit Jahrzehnten sind in den Landesnaturschutzgesetzen genaue Schutzzeiten festgelegt, meist vom 1. oder 15. März bis 30. September. Teils gibt es auch artbezogene Vorschriften. So genießen in Mecklenburg-Vorpommern kätzchentragende Weiden vom 1. Februar bis 15. April Sonderschutz. Angesichts der Verschiebung der Vegetationsperioden sollten die Fristen geändert werden. Ideal aus Naturschutzsicht wären Festlegungen, die sich immer wieder neu an der realen jahreszeitlichen Entwicklung orientieren. Schließlich kann zum Beispiel der phänologische Frühlingsbeginn von Jahr zu Jahr leicht um drei Wochen schwanken.
2007 begann die Apfelblüte Anfang April und damit fast drei Wochen früher als noch in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Für die kommenden Jahre rechnet Bruns bereits für Ende März mit blühenden Apfelbäumen. Die Jahreszeiten haben sich verschoben und Experten werten dies als Zeichen, dass der Klimawandel Deutschland fest im Griff hat. Die große Frage dabei lautet: Werden die unzähligen von den Pflanzen lebenden Tiere sich auf diese Änderungen einstellen können?
Gespannte Erwartung herrscht auch bei den Winzern. Die Durchschnittstemperaturen in den deutschen Weinbaugebieten sind bereits um 1,4 Grad gestiegen. Für traditionelle Sorten wie Riesling und Spätburgunder ist das – noch – kein Problem, zugleich ermöglicht die Erwärmung den Anbau kälteempfindlicher Rebsorten aus Südeuropa. Als einer der ersten hat Werner Knipser aus der Pfalz die Probe aufs Exempel gemacht: In den 80ern begann er mit französischen Rebsorten wie Cabernet Sauvigon, Merlot und Syrah zu experimentieren. Anfangs wurde er belächelt, später zum Vorreiter des deutschen „Rotweinwunders“, das ohne den Klimawandel nicht möglich wäre. Wurden vor 25 Jahren hierzulande zwölf Prozent wärmebedürftiger Rotwein angebaut, sind es heute fast 30 Prozent.
Klimawandel als Chance?
Während zum Beispiel in Brandenburg künftig Dürren drohen, erhoffen sich Ackerbauern andernorts Vorteile von der Klima-Erwärmung und den damit einhergehenden längeren Vegetationszeiten. Die Bauern in der Pfalz brachten im vergangenen Jahr die ersten vorgekeimten Kartoffeln bereits Mitte März in den Boden; Mitte Mai begannen sie mit der Ernte. Können die Bauern früh ernten, steigen ihre Chancen gegen die Konkurrenz aus südlichen Ländern. Zugleich eröffnen vorgezogene Ernten den Bauern ganz neue Perspektiven, denn die Äcker stehen für eine Zweitnutzung zur Verfügung.
Peter Seidl, Getreide-Bauer im Landkreis Freising bei München, setzt auf den Anbau von Energiepflanzen als Zweitkultur. Den Klimawandel sieht er als große Chance. In Seidls Heimatregion hat der Klimawandel die Roggenernte um drei bis vier Wochen nach vorne geschoben. Einige Bauern experimentieren dort inzwischen mit Getreidesorten, die bislang in Deutschland nicht kultiviert wurden, weil sie mehr Sonne brauchen. Ein Nachbar Seidls baut beispielsweise seit mehreren Jahren Hartweizen an, eine Weizensorte, die wegen ihrer klimatischen Bedürfnisse hauptsächlich in den Mittelmeerländern kultiviert wird.
Langsame Bäume
Die Zukunft liegt jedoch im Obstanbau, glaubt Seidl: Mit neuen, an hiesige Verhältnisse angepassten Sorten sei es künftig sogar möglich, in Bayern Kiwis und Melonen zu ziehen. Bis es soweit ist, müssen die Bauern allerdings neue Methoden der Feldbestellung einüben. Bislang ist es üblich, mit schweren Maschinen über den Acker zu fahren. Doch dadurch wird der Boden so stark verdichtet, dass das Erdreich die künftig vermehrt zu erwartenden Platzregenfälle nicht mehr aufnehmen kann. Deshalb erprobt man nun ortsfeste Fahrspuren, die in den Acker eingezogen und zur Aussaat und Ernte befahren werden.
Für die Forstwirtschaft fehlen derartig schnell greifende Anpassungsstrategien. Das Problem: Bäume, die heute gepflanzt werden, sollen 80 bis 250 Jahre alt werden. Klimaforscher rechnen künftig mit heftigen Stürmen, brütender Hitze und langanhaltenden Dürreperioden. Gefragt sind also Arten, die an die neuen Umweltbedingungen angepasst sind. „Für die Fichte sieht es beispielsweise schlecht aus“, sagt Bernd Degen vom Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Bessere Zukunftschancen gibt er Buchen und Eichen. Trotzdem scheint sich ein großes Baumsterben anzukündigen, denn Degens Forschungen zeigen, dass sich das Klima schneller ändert, als sich die Bäume anpassen können.
Hartmut Netz