8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Stadtluft macht Stress
Stadtbäume leiden unter Hitze, Abgasen und Platzmangel
Es ist Hochsommer, doch die Blätter verfärben sich bereits in herbstlicher Pracht. Die Baumkronen lichten sich, ein dünner Teppich gelber und brauner Blätter bedeckt Straßen und Plätze und bei jedem Schritt raschelt das Laub. Herbst mitten im August - Rekordsommer wie 2018 und 2019 machen Bäumen und Sträuchern schwer zu schaffen. Hitzestress und wochenlange Dürre greifen insbesondere die Vitalität von Stadtbäumen an. Das hält nicht jeder Baum aus, denn in der Stadt ist sein Wohlergehen durch eine ganze Palette weiterer Stressfaktoren bedroht: Auto-Abgase, Hunde-Urin, versiegelte Böden und winterliches Streusalz nehmen einen Stadtbaum tagtäglich hart ran. Sind die Bäume zusätzlich durch anhaltende Trockenheit geschwächt, haben Schädlinge oft leichtes Spiel.
Ein gesunder Baum steckt gelegentlichen Hitzestress gut weg. Doch mit der Gesundheit unserer Stadtbäume steht es nicht zum Besten: Eine Langzeit-Studie der Stadt München brachte an den Tag, dass die Bäume im Stadtgebiet seit 1984 immer kränker geworden sind. Über vier Fünftel der untersuchten 30.000 Bäume waren im extrem trockenheißen Jahr 2003 in ihrer Vitalität mehr oder weniger stark geschädigt. Am besten kamen Pyramidenpappel, Rosskastanie, Robinie und Bergahorn mit den Bedingungen in der Stadt zurecht. Schwer gestresst waren dagegen Esche, Platane, Sommerlinde, Spitzahorn und Winterlinde.
Rund 750.000 städtische Bäume wachsen in München. „Man muss nach Standorten unterscheiden“, sagt Mario Seifert vom städtischen Gartenbauamt. „Ein Straßenbaum tut sich deutlich schwerer als ein Baum im Park.“ Das liegt unter anderem daran, dass ein Baum, um wachsen zu können, viel Platz für seine Wurzeln braucht: „25 Quadratmeter Wurzelraum auf anderthalb Metern Tiefe wären optimal“, sagt Seifert. Für Baumgräben entlang von Straßen fordert er eine Mindestbreite von drei Metern. Doch Verkehrsplaner betrachten Bäume oftmals nur als schmückendes Begleitgrün, das keinen zusätzlichen Raum beanspruchen darf.
Fester Boden und enges Wurzelkorsett
Hinzu kommt, dass sich unter dem Asphalt einer modernen Straße eine hochverdichtete Tragschicht verbirgt, die den Wurzeln bis zu einer Tiefe von einem Meter den Weg versperrt. Sobald Autos über die Straße rollen, gibt es zusätzlich Stress: Die ständigen Vibrationen rütteln das Erdreich regelrecht fest und machen den Boden luftundurchlässig. Um den Wurzeln wieder die nötige Luft zu verschaffen, verwenden die Münchner Stadtgärtner für Neupflanzungen ein spezielles Substrat, das wegen seiner Grobkörnigkeit luftdurchlässig bleibt und zumindest die Tragschichten von Rad- und Gehwegen für Wurzeln zugänglich macht. „Bäume, die mit Substrat gepflanzt wurden, verlieren auch bei anhaltender Trockenheit kaum Blätter“, erläutert Mario Seifert.
Doch selbst Bäume, deren Wurzeln ungehindert in alle Richtungen wuchern dürfen, bleiben kaum vom Stadtstress verschont. Da ist zum einen das Mikroklima: Beton- und Asphaltschluchten heizen sich tagsüber auf und strahlen nachts ab, so dass die Bäume der Hitze rund um die Uhr ausgesetzt sind. Zum anderen ist Stadtluft trockener und staubhaltiger als die Luft im Wald.
Ein zusätzlicher Stressfaktor ist der Klimawandel: „Schädlinge, die bis dato bei uns unbekannt waren, dringen mit der Erwärmung nach Norden vor“, erläutert NABU-Baumexperte Hans Rolf Höster. So fraß sich die Miniermotte, die erstmals Mitte der 80er Jahre im Balkan gesichtet wurde, zunächst durch Österreich und Bayern; 2004 verwüstete sie bereits die Kastanien-Bestände von Hamburg, heute ist sie bundesweit anzutreffen. Die Larven des kleinen Schmetterlings bohren Gänge ins Blattgewebe und verpuppen sich darin; die Blätter werden braun und fallen bereits im Sommer ab. „Im Frühjahr danach treibt der Baum aber wieder“, sagt Höster. Schädlingsbefall lasse sich kaum bekämpfen, damit müsse man leben: „Wer dem Baum etwas Gutes tun will, sollte allerdings das befallene Laub sofort vernichten.
Zwei Jahre lang wässern
Ein Grundsatz, dem auch die Münchner Stadtgärtner folgen: „Straßenbäume brauchen viel Pflege“, stellt Mario Seifert fest. Das beginne bereits beim Pflanzen. Zwei Jahre lang werden Jungbäume in regelmäßigen Abständen gewässert. „Da hilft jeder Eimer Wasser, den Anwohner an heißen Tagen spendieren.“ 10 bis 15 Jahre braucht ein Jungbaum, um zum fertigen Allee-Baum heranzuwachsen. „In dieser Zeit muss er fast jedes Jahr beschnitten werden“, sagt Seifert. Die Stadtgärtner trimmen die Krone in eine regelmäßige Form und sorgen dafür, dass unter dem niedrigsten Ast eine lichte Durchfahrtshöhe von 4,50 Meter bleibt.
Bäume, die 30 Jahre und älter sind, werden regelmäßig auf Schäden untersucht. Die Stadtgärtner prüfen Belaubung, Blattgröße, Verzweigung und Austrieb und kontrollieren, ob der Baum morsche Äste in der Krone trägt. Denn für herabfallendes Totholz, das Autos beschädigt oder gar Menschen verletzt, haftet die Stadt. Bäume, die nicht mehr standfest sind, werden gefällt.
Baumschutzsatzungen auf dem Rückzug
Aber auch Bäume, die einem Neubau im Wege stehen, werden Opfer der Kettensäge. „Baurecht geht vor Baumschutz“, sagt Mario Seifert. Damit für einen gefällten Baum an anderer Stelle Ersatz gepflanzt wird, hat die Stadt eine Baumschutz-Satzung erlassen. Jeder Baum, der in ein Meter Höhe einen Umfang von 80 Zentimetern oder mehr erreicht, ist geschützt. Ausgenommen sind nur Obstbäume.
Ein Luxus, den sich längst nicht jede Gemeinde gönnt: Wiesbaden hat die Baumschutz-Satzung kürzlich abgeschafft. Prompt meldeten die ansässigen Baumfäller volle Auftragsbücher und die örtliche Presse den „Kahlschlag von Wiesbaden“. Doch bedeutet das Fehlen einer Baumschutz-Satzung noch längst nicht, dass Kettensägen-Schwinger freie Hand haben: In Landschaftsschutzgebieten sind grundsätzlich alle Gehölze tabu; das Fällen von Bäumen, in denen Vögel brüten, ist verboten; und Baumbestand, der das Stadtbild prägt, steht unter Denkmalschutz – damit das Schreckensszenario einer baumlosen Stadt niemals Wirklichkeit wird.
Die Erstfassung dieses Artikels erschien 2005 im NABU-Magazin Naturschutz heute/Autor: Hartmut Netz
Trend zum „schmückenden Grün-Design“
Fragen an Professor Hartmut Balder
Hartmut Balder, Professor für Stadtgrün an der Technischen Fachhochschule Berlin, sprach mit Hartmut Netz über Umweltstress in der Stadt und fehlendes Wissen um den Baum:
Was stresst einen Baum?
Die mangelnde Vitalität unserer Stadtbäume wird meist mit Umweltstress erklärt. Doch die Ursachen sind oft andere: Viele Grünämter ignorieren den Platzbedarf, lassen das Mikroklima außer Acht und vernachlässigen die Pflege, die gerade in den ersten Jahre besonders wichtig ist.
Woran liegt das?
Das Wissen um den Baum als lebendes Wesen hat abgenommen; rein technische Fertigkeiten haben althergebrachte Grundkenntnisse der Landschaftsgärtnerei verdrängt. Heute geht der Trend dahin, den Baum als schmückendes Grün-Design zu inszenieren.
Was muss sich ändern?
Der grünen Branche fehlt es an Akzeptanz: Gartenbau hat sich den Belangen des Tiefbaus unterzuordnen. Doch Stadtgrün kostet viel Geld. In Gemeinden, die Gartenbau wichtig nehmen, brauchen die Bäume weniger Pflege und leben länger.
Baumtipps
- Auswahl: Bevorzugen Sie heimische Gehölze. Sie sind meist billiger als Exoten, kommen mit den hiesigen Lebensbedingungen besser klar und nützen der Tierwelt, da sie einen festen Platz in deren Nahrungskette einnehmen.
- Standort: Bäume brauchen Platz. Informieren Sie sich, wie groß Ihr Baum in ausgewachsenem Zustand sein wird, planen Sie genügend Wurzelraum ein und berücksichtigen Sie auch den Schattenwurf der Krone. Im kleinen Garten macht sich ein Apfelbaum besser als eine riesige Eiche.
- Pflege: Etwa zwei Jahre lang will ein frischgepflanzter Jungbaum regelmäßig gewässert werden. Danach braucht er kaum noch Pflege. Düngen ist in der Regel überflüssig - ein standortgerechter Baum findet genügend Nährstoffe. Pestizide schaden sogar, denn das Gift tötet nicht nur die Schädlinge, sondern auch viele Nützlinge.
- Haftung: Steht der Baum auf einem Grundstück, das an eine Straße grenzt, haftet der Besitzer für Schäden durch herabfallende Äste. Es empfiehlt sich, den Baum regelmäßig auf Krankheiten, Totholz und Standfestigkeit zu kontrollieren.
- Fachbuchtipp: „Baumpflege und Baumschutz. Grundlagen, Diagnosen, Methoden“ von Hans Rolf Höster. 225 Seiten. 39,90 Euro.
Eine Stadt ohne Bäume? Nicht vorstellbar. Denn Bäume verschönern nicht nur die oft grauen Straßenzüge der Städte, sie haben auch einen erheblichen Einfluss auf das Stadtklima. Kurzum: Sie machen unsere Städte lebenswerter. Doch unseren Stadtbäumen geht es schlecht, denn die Klimakrise macht ihnen stark zu schaffen. Mehr →
Der NABU Eimsbüttel bietet mit der App „Hallo Baum“ die Möglichkeit, Infos zu individuellen Stadtbäumen abzurufen. Neben Hamburg funktioniert das auch in Norderstedt, Berlin, Rostock, Köln, Dresden, Leipzig, Magdeburg und Frankfurt/Main. Weitere Städte sind in Planung. Mehr →