Purpur-Fingerhut mit Hummel - Foto: Helge May
Hochwirksames Herzmittel aus der Natur
Der Rote Fingerhut im Porträt
Der Rote oder Purpur-Fingerhut, wissenschaftlich Digitalis purpurea, gehört zu den besonders giftigen heimischen Pflanzen. Schon der Verzehr von zwei bis drei Blättern kann für einen Menschen tödlich sein. Andererseits sind die in allen Pflanzenteilen enthaltenen Glykoside hochwirksame Arzneimittel. Digitalis ist heute wohl das bekannteste Herzmittel überhaupt. In der richtigen Dosierung stärkt es den Herzmuskel und reguliert die Herzfrequenz. Für die Digitalis-Gewinnung wird inzwischen allerdings nicht mehr der Rote Fingerhut angebaut, sondern der aus Südosteuropa stammende Wollige Fingerhut (Digitalis lanata), dessen Blätter einen wesentlich höheren Wirkstoffgehalt haben.
Die Heilwirkung des Fingerhuts wurde erst vergleichsweise spät entdeckt. In der Antike scheint er weitgehend unbekannt gewesen zu sein. Weder die alten Griechen noch die Römer haben eine solche Pflanze beschrieben. Den Namen Digitalis verwendete erstmals der deutsche Botaniker Leonhard Fuchs - nach dem die beliebte Fuchsie benannt ist - in seinem „New Kreuterbuch“ von 1542. Namensgeber waren die Digitales, die metallenen Fingerhüte der Schneider.
In der Volksmedizin wurden Fingerhutblätter ab dem 12. Jahrhundert äußerlich gegen Geschwüre und zur Wundheilung eingesetzt. Erst um 1775 aber entdeckte der britische Arzt William Withering auf der Suche nach einem Medikament gegen Wassersucht auf die Herzwirksamkeit von Fingerhut-Auszügen. Wegen des nur geringen Unterschieds zwischen einer heilsamen und einer giftigen Digitalis-Menge musste Withering sich in unzähligen Versuchen an die richtige Dosis herantasten. Er schuf damit eine der zentralen methodischen Grundlagen der modernen Arzneimittelkunde.
Der Fingerhut gehört wie der Ehrenpreis zur Familie der Wegerichgewächse. Die rund 20 Arten sind vor allem im Mittelmeerraum bis nach Persien verbreitet. In Deutschland kommen neben dem Roten Fingerhut noch der Gelbe Fingerhut (Digitalis lutea) und der ebenfalls gelbe Großblütige Fingerhut (Digitalis grandiflora) vor.
Der Rote Fingerhut ist ein typischer West- und Mitteleuropäer, außerdem findet man ihn in Teilen Nordafrikas und auf Madeira. In Nord- und Südamerika wurde er eingeschleppt. In Deutschland ist der Rote Fingerhut weit verbreitet, stößt aber bereits an die Ostgrenze seines geschlossenen Verbreitungsgebietes. Unter anderem auf der Schwäbischen Alb, der Frankenalb und im Bayerischen Wald wird er weitgehend vom Großblütigen Fingerhut ersetzt. Innerhalb der letzten hundert Jahre hat Digitalis purpurea bei uns manche Regionen neu erobert, teils wohl auch durch Aussaat der attraktiven Pflanze. Daneben haben der verstärkte Nadelholzanbau und die Kahlschlagbewirtschaftung den Roten Fingerhut gefördert.
Zusammen mit Arten wie dem Weidenröschen bildet der Rote Fingerhut die typischen Schlagfluren an Waldrändern, an Waldwegen und auf Lichtungen. Bevorzugt werden kalkarme, leichte saure Böden.
Fingerhut ist eine zweijährige Pflanze, die im ersten Lebensjahr zunächst lediglich eine große Blattrosette ausbildet. Im zweiten Jahr wächst daraus ein einen bis anderthalb Meter hoher Stängel hervor, an dem sich von Juni bis August zahlreiche purpurrote, manchmal auch weiße Blüten zeigen. Die 50 bis 100 Blüten je Spross sind innen behaart sowie mit zahlreichen dunkelroten und weiß umrandeten Flecken bedeckt. Bestäubt werden die bis sechs Zentimeter langen Fingerhutblüten vor allem von Hummeln und anderen Bienenarten.
Auch im Garten macht der Rote Fingerhut in sommerlichen Staudenrabatten im Halbschatten eine gute Figur. Er passt zu anderen Wildstauden ebenso gut wie zu Farnen und an Gehölzränder. Außerdem kann man den Fingerhut dank seiner nähr- und mineralstoffreichen Blätter gut als Gründünger verwenden. Vor allem Obstbäume, Tomaten, Kartoffeln und Rhododendren profitieren davon. Fingerhut stärkt zudem die Abwehrkräfte gegen Stachelbeermehltau und gegen die Rostkrankheit der Malven. Einmal im Garten eingebracht, sät sich der Fingerhut in den Folgejahren dank seiner kleinen, vom Wind verbreiteten Samen meist selbst aus. (elg)
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