8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Küsse unter dem Mistelzweig
Neue Karriere für eine alte Zauberpflanze
„O'zapft is“: Leben huckepack | Drei Wirtsbaum-spezifische Unterarten | Mistelernte mit der goldenen Sichel
Die heilkundigen Druiden verwendeten die Mistel als Arzneipflanze gegen Epilepsie und Schwindelanfälle. Nachdem sie lange in Vergessenheit geraten war, lebt die alte Zauberpflanze nun nicht nur als Weihnachtsschmuck auf. Auch ihre Heilwirkung wird wieder geschätzt. So werden Blattextrakte – die weißen Beeren sind giftig – in zahlreichen Fertigarzneien zur Blutdrucksenkung, bei Altersbeschwerden und Arteriosklerose, ja sogar zur Krebsbehandlung eingesetzt.
Die gelbgrüne Mistel mit den länglichen, immergrünen Blättern und den runden weißen Beeren fällt vor allem im Winter auf. Denn Misteln leben als Schmarotzer auf Bäumen und ihre Zweige bilden dort typische, auf den winternackten Bäumen weithin sichtbare Kugeln. Zur Vermehrung der Mistel hat sich die Natur einen ganz besonderen Trick ausgedacht: Ihre weißen Früchte sind so klebrig, dass ein Teil davon an Vogelschnäbeln haften bleibt. Früher wurden sogar Vögel gefangen, in dem man Ruten mit aus Misteln gewonnenem „Vogelleim“ bestrich.
Vor allem Misteldrosseln und Seidenschwänze naschen gern von den Beeren. Wetzen sie ihren Schnabel an einem Zweig oder Ast oder hinterlassen dort ihren Kot, kleben die Mistelsamen an der Rinde des künftigen Wirtsbaumes fest. Treibt dann der Samen aus, bildet sich zunächst eine Haftscheibe, um der Jungpflanze Halt zu garantieren. Der Spross ändert dann seine Wuchsrichtung und bohrt sich in die Rinde des Wirtsbaumes ein, um dessen Leitungsbahnen zu erreichen. Die Mistel zapft als Halbschmarotzer so Wasser und Mineralstoffe ab, die der Baum aus der Erde zieht.
„O'zapft is“: Leben huckepack
Bis die Mistel – wissenschaftlich Viscum album – endlich an den Leitungsbahnen des Wirtes andockt, vergeht allerdings rund ein Jahr. Die Jungpflanze hat also eine lange Durststrecke zu überstehen. Die Mistel wächst überhaupt recht langsam. Erst im zweiten Jahr etwa bilden sich der erste verzweigte Spross mit ledrigen Laubblättern und bis die Pflanze ihre typische kugelige Form erreicht, vergehen viele weitere Jahre. So können die kaum einen halben Meter im Durchmesser großen Mistelbüsche auf dem Weihnachtsmarkt leicht 20 oder 30 Jahre alt sein.
Misteln sind zweihäusig, es gibt also rein weibliche und rein männliche Pflanzen. Sie blühen bereits früh im Jahr ab Februar, bis in den Mai hinein. Für die Befruchtung sorgen vor allem Fliegen. Und wenn es im Frühjahr noch zu kalt für Insekten ist, dann bestäubt der Wind. Die weißen bis cremefarbenen Beeren reifen schließlich im Spätherbst heran.
Drei Wirtsbaum-spezifische Unterarten
Es gibt drei Unterarten der Mistel, die sich äußerlich kaum unterscheiden, jedoch immer nur auf bestimmten Bäumen wachsen. Hoch spezialisiert auf jeweils nur eine Art sind die Kiefernmistel (Viscum album austriacum) und die Tannenmistel (Viscum album abietis). Ein wesentlich breiteres Spektrum deckt die Laubholzmistel (Viscum album album) ab. Sie schmarotzt auf Weiden und Pappeln genauso wie auf Apfelbäumen, Linden, Robinien oder Ahorn. Buchen dagegen werden ebenso gemieden wie Eichen.
Viscum album ist über ganz Süd- und Mitteleuropa, Nordafrika und Asien bis zum Himalaya verbreitet. Auch in Deutschland kommt die Laubholzmistel fast flächendeckend vor. Nur in Teilen Bayerns südlich der Donau und in der norddeutschen Tiefebene fehlt sie über größere Strecken. Die Tannen- und die Kiefernmistel findet man vor allem im natürlichen Verbreitungsgebiet ihrer Wirtsbäume. Bei der Weißtanne also Alpen und Voralpengebiet sowie die südlichen Mittelgebirge, bei der Kiefer die nördliche Oberrheinebene, Franken, Nordbayern und Brandenburg.
In den letzten Jahrzehnten haben sich alle drei Unterarten sogar deutlich ausgebreitet, da sie in den vom Sauren Regen und Abgasen lichter gewordenen Baumkronen bessere Wuchsbedingungen vorfinden. Die Laubholzmistel zeigt zudem eine interessante Vorliebe für aus Amerika importierte Ziergehölze wie Tulpenbaum, Silberahorn und Schwarznuss, so dass sie quasi als „Kulturfolger“ gerade in städtischen Parks und in Friedhöfen besonders große Bestände hat.
Ihren Wirtsbäumen fügt die Mistel durch den Wasser- und Mineralienentzug in der Regel keinen dauerhaften Schaden zu. Allerdings kann besonders dichter Mistelbefall zu verminderter Wuchsleistung des Baumes führen. In Streuobstwiesen, die nur noch sporadisch genutzt und gepflegt werden, vermehren sich die Misteln auf Apfelbäumen manchmal geradezu explosionsartig, wodurch nicht nur der Fruchtansatz leidet, sondern auch die Bäume als Ganzes ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen werden können.
Misteln sind Wildpflanzen: Zwar steht die ungefährdete Laubholzmistel nicht unter Naturschutz, dennoch bedarf es einer Genehmigung für gewerbliche Sammelaktionen. Von Herbststürmen heruntergeworfene Misteln aber können bedenkenlos auch in größeren Mengen gesammelt werden. In Kulturen wie Gärten oder Streuobstwiesen ist das „Ernten“ von Misteln in Abstimmung mit dem Bewirtschafter ebenfalls unproblematisch. Bisher jedenfalls hat die stärker gewordene Nachfrage als Weihnachtsschmuck zu keinen messbaren Bestandseinbußen geführt. In vielen Regionen Deutschlands hat sich speziell die Laubholzmistel ganz im Gegenteil sogar stark ausgebreitet. Für den langfristigen Erhalt vitaler Streuobstwiesen wird deshalb ein aufmerksames Management der Mistel zunehmend wichtig.
Mistelernte mit der goldenen Sichel
Als Lebewesen zwischen Erde und Himmel waren Menschen schon früh von der Mistel fasziniert. Besonders bei den Germanen und den Kelten galt sie als wundertätige Pflanze. Den keltischen Druiden sei „nichts heiliger als die Mistel und den Baum, auf welchem sie wächst, namentlich wenn es eine Eiche ist“, schreibt Plinius in seiner Naturgeschichte. Geerntet wurden die Misteln mit einer goldenen Sichel, wobei die Mistel nie den Boden berühren durfte.
Dass Plinius als Wirtsbaum ausgerechnet die Eiche hervorhebt, macht allerdings stutzig, denn in Mitteleuropa kommt die Eiche als Wirtsbaum nicht vor. Nun hat man im Altertum des öfteren Pflanzen „in einen Topf geworfen“, die aus heutiger Sicht nur wenig gemein haben. Und tatsächlich gibt es in Südeuropa eine nahe Verwandte unserer Laubholzmistel, die Riemenblume oder Eichenmistel. Wie der Name schon sagt, schmarotzt diese Loranthus europaeus vor allem auf Eichen aller Art, außerdem auf Esskastanien. Ein nördlicher Ausläufer ihres Verbreitungsgebietes reicht via Tschechien sogar bis knapp nach Sachsen hinein, wo es nahe Dresden ein winziges Vorkommen gibt.
Die Früchte der Riemenblume sind gelblich, die von Laubholz- und Tannenmistel dagegen weiß, die etwas kleineren der Kiefernmistel leicht cremefarben. Auch hat Loranthus eine braune Rindenfarbe gegenüber der grünen von Viscum. Am deutlichsten ist der Unterschied beider Gattungen in der kalten Jahreszeit, denn Loranthus ist nicht wintergrün, sondern wirft im Herbst ihre Blätter ab, so dass dann die gelben Früchte an den nackten Zweigen hängen.
Irrte Plinius also und schnitt auch der Druide Miraculix für den Zaubertrank der tapferen Gallier um Asterix und Obelix keine Misteln, sondern Riemenblumen von den Eichen, die damals vielleicht noch bis nach Nordfrankreich vorkamen? Kann sein, muss aber nicht sein. Gerade beiderseits des Kanals, in der Normandie und in Südengland, soll nämlich die Laubholzmistel ganz vereinzelt doch auf Eichen vorkommen. Diese Frage bleibt also wohl ungelöst.
Jedenfalls hielt die Verehrung für die Mistel auch in späteren Jahrhunderten an und wurde in christliche Gebräuche integriert. Nun galt die Mistel als segnende und friedensstiftende Pflanze. Unter ihr versöhnte man sich und gab sich den Friedenskuss. Vom Friedenskuss war es nicht weit zum Liebeskuss, so dass vor allem in Skandinavien, Großbritannien und Nordamerika ein Mistelzweig über der Türschwelle Liebenden bereits vor der Ehe erlaubte, sich ungestraft zu küssen. Lange bevor der Christbaum in Mode kam, war die Mistel auch in Mitteleuropa ein beliebter Weihnachtsschmuck. Vielerorts ging dieser Brauch verschüttet, bevor er nun durch die Globalisierung der Festtagssitten wieder importiert wurde.
Helge May
- Umfassendes und bilderreiches Mistel-Portal aus Großbritannien
- Die Mistel bei www.zauberpflanzen.de
- Zur Mistel in der Mythologie und bei den Druiden (von 1898)
- Mistel-Inhaltsstoffe und die Mistel als Vogelnahrung
- Eichenmistel-Fotos aus dem Botanischen Garten Wien
Mehr zur Laubholzmistel
Die Mistel ist mehr als eine traditionelle und weltbekannte Weihnachtspflanze, die man bei genauerem Hinsehen nicht nur in den Wintermonaten entdecken kann. Mehr →
Während die Mistel in früheren Zeiten eine verehrte, wertvolle und oft auch seltene Pflanze war, stellt sie heute in einigen Regionen Deutschlands eine Gefahr für Obstbäume dar. Ein NABU-Infopapier informiert über die Ausbreitung der Laubholzmistel und den Umgang mit ihr. Mehr →
Mistelmonitoring
Auch im Winter lässt sich Natur erleben, ob nun Schnee liegt oder nicht. Die winterliche Natur hat sogar ihre Vorteile. Zum Beispiel stehen unsere Laubgehölze jetzt nackt in der Landschaft und gewähren ohne störendes Blattwerk freien Blick in Äste und Kronen. NABU und naturgucker.de rufen zum „Wintermonitoring“ von Misteln und Nestern auf. Mehr →