Adonisröschen - Foto: Helge May
Frühlings-Sinfonie in Goldgelb
Adonisröschen und Wiesensteppen auf den Trockenhängen des Oderbruchs
Jedes Jahr im April zieht es tausende Pflanzenfreunde und Naturinteressierte in das 309 Hektar große Naturschutzgebiet „Oderhänge Mallnow“, um sich am Blütenzauber der goldgelben Frühlings-Adonisröschen zu begeistern. Mallnow, ein kleines Dörfchen im brandenburgischen Märkisch-Oderland, ist beliebter Ausgangsort für die Frühlingswanderung entlang der majestätisch dahinströmenden Oder, die ab der Flussmitte bereits zu Polen gehört.
Osterspaziergang an der Oder
Nach sehr milden Wintern mit darauf folgender feuchtwarmer Frühjahrswitterung öffnen sich die ersten Blüten der Frühlings-Adonisröschen auf den Mergelhängen bereits im März. Fällt das Osterfest auf die Monatsmitte des April, kann man an den Oderhängen einen der schönsten denkbaren Osterspaziergänge inmitten der Hauptblüte der Adonisröschen erleben. Der Abgesang mit den allerletzten Blüten findet man auf nach Norden exponierten Hängen nach kühler Frühjahrswitterung noch Mitte Mai.
Frühlings-Adonisröschen – wissenschaftlich Adonis vernalis – treiben zunächst violett-olivgrün bereifte Knospen auf ganz kurzen Stielen, die fast auf dem Erdboden zu liegen scheinen und im grauen Winterlaub kaum in Erscheinung treten. Wenn man endlich an den Vorfrühlingstagen die wärmende Sonne so richtig spürt, dann überziehen bald die satt goldgelben Schalenblüten einzelne Bereiche der Hänge, als wären Goldtaler vom Himmel gefallen. Das gleichzeitig blühende, bodendeckende Sand-Fingerkraut (Potentilla arenaria) füllt die Flächen warm, gelb aus. Zum Teil während und besonders nach der Hauptblüte strecken sich die Triebe der Adonisröschen und die Bestände bekommen einen anderen, mehr aufgelockerten Charakter.
Westlicher Vorposten kontinentaler Steppen
Das Frühlings-Adonisröschen ist eine typische Pflanze kontinentaler Steppen. Das geschlossene Haupt-Verbreitungsgebiet von Adonis vernalis liegt in der westasiatisch-südsibirisch-pontisch-pannonischen Steppenregion. Weiter nach Westen und Nordwesten tritt die Art nur noch in getrennten Kleinarealen und Insellagen ausgesprochener Trockengebiete auf, etwa an der Weichsel und eben auf trockenwarmen Standorten im mittleren Odergebiet. In größerer Zahl kommen die Adonisröschen noch im Mitteldeutschen Trockengebiet vor, ganz vereinzelt im Rhein-Main-Trockengebiet, zum Beispiel auf dem Mainzer Sand.
Wie andere ursprüngliche Steppenpflanzen besitzt das Frühlings-Adonisröschen ein reich verzweigtes Wurzelsystem, das bis zu einem Meter in die Tiefe reicht. Mit dem Adonisröschen ist ein ganzes Spektrum von typischen Steppenpflanzen mit ähnlichen Verbreitungsarealen bis in die Oderregion eingewandert, darunter Sibirische Glockenblume (Campanula sibirica), Violette Schwarzwurzel (Scorzonera purpurea ), Echtes Federgras (Stipa pennata), Pfriemengras (Stipa capillata), Steppen-Lieschgras (Phleum phleoides) und Steppen-Fahnenwicke (Oxytropis pilosa). Die Steppenpflanzen bilden hier gemeinsam mit Kennarten basischer Trockenrasen Mitteleuropas im Klimatypus der Trockenhänge der Oderregion charakteristische Gesellschaften aus. Derartige Vergesellschaftungen am Rand der Verbreitungsgebiete haben immer eine besondere wissenschaftliche Bedeutung.
Die Einwanderung der Steppenpflanzen nach Mitteleuropa ist erst nach dem Abschmelzen des Eises der letzten, so genannten Weichseleiszeit in einem Zeitraum von mehreren tausend Jahren nach und nach in Schüben mit Vordringen und Rückzügen entsprechend der Klima-Entwicklung erfolgt. Natürliche Ausbreitungswege waren die Urstromtäler der großen Flüsse wie Weichsel, Oder, Warthe und Netze.
Mit der Kulturtätigkeit des Menschen (Waldrodungen) und besonders durch die landschafts-übergreifende Wanderschäferei beschleunigten sich Einwanderung und Ausbreitung durch Schaffen neuer Wuchsplätze und Biotope in der zunehmend offenen Kulturlandschaft sowie durch Verbreitung der Samen und Früchte mittels der Schafe über weite Strecken.
Die Jahrhunderte währende Schafhaltung und Wanderschäferei ist also eine wesentliche Voraussetzung für die Herausbildung von großräumigen Hutungslandschaften und Trockenrasen. Mehrjährige Studien zeigen, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen einer großräumigen Verbrachung beziehungsweise Unternutzung historischer Kulturlandschaften nur eine systematische Schafbeweidung in der Form einer kurzzeitiger Umtriebsweide mit hoher Besatzdichte diese Lebensraumtypen erhalten kann. Das Frühlings-Adonisröschen ist übrigens in allen seinen Teilen sehr giftig. Die Schafe rühren die Pflanze nicht an, weiden aber rundum bis an die Stängel alles ab.
Lebensraumschutz durch Schafbeweidung
Die Beweidung dieser Trockenrasen ist heute für einen Schäfer ohne gesellschaftliche Förderung kaum noch lohnend. Der Futterwert der Trockenrasenpflanzen ist gering, der Zeitaufwand in dem unübersichtlichem Gelände dafür umso höher. Gleichzeitig verfallen die Preise für Wolle, Fleisch und Zuchttiere. Der Schäfer im NSG Oderhänge Mallnow erhält deshalb Fördermittel aus dem Vertragsnaturschutzprogramm des Landes Brandenburg.
Kontinentale Trockenrasen- und Halbtrockenrasen-Gesellschaften werden in der FFH-Richtlinie der EU als prioritärer Lebensraum „Subpannonische Steppen-Trockenrasen (Festucetalia valesiacae)“ klassifiziert. Sie sind also von europaweitem Naturschutzwert. Für die Bewahrung des in Brandenburg bedeutendsten Vorkommens kontinentaler Trockenrasen setzt sich auch die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe ein, die mit Unterstützung der württembergischen NABU-Gruppe Oberstenfeld im Jahr 2004 über 46 Hektar aus dem ehemals volkseigenen Vermögen der DDR übernehmen konnte. 2006 wurden weitere 53 Hektar erworben, um auch diese dauerhaft für die Natur zu bewahren.
Ihre Weideflächen verpachtet die Stiftung an den lokalen Schäfer und stellt so sicher, dass die wertvollen Blütenhänge auch in Zukunft erhalten und als schützenswerter Lebensraum entwickelt werden. Naturschutzfachlich sinnvolle Entwicklungsmaßnahmen wie die Wiederherstellung historischer Hutungslandschaften können auf Eigentumsflächen unverzüglich, konsequent und weitgehend ohne Behinderungen umgesetzt werden.
Norbert Wedl
- Schutzgebietssteckbrief der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe (PDF)
- Oderhänge und Adonisröschen auf der Homepage von Günter Blutke
- Frühlings-Adonisröschen in der Floraweb-Datenbank
- Infos zur Giftigkeit des Frühlings-Adonisröschen
Mit dem Bus zu den Adonisröschen
Bis 2021 hielten die Züge der Linie RB 60 zwischen Eberswalde und Frankfurt/Oder in der Adonisröschenzeit mehrmals täglich ausnahmsweise auch in Schönfließ, von wo ein gekennzeichneter Weg zu den Adonisröschen in der Nähe von Mallnow führt. Dieses Angebot besteht leider nicht mehr.
Als einziges öffentliches Verkehrsmittel steht nun noch die Buslinie 968 von Märkisch Oderland Bus zur Verfügung. Diese verkehrt an Wochentagen weitgehend als Schulbus. Wer von Frankfurt aus Mallnow ansteuern möchte, muss daher dort bereits um 6.45 Uhr starten und kommt um 7.16 Uhr an, weitere direkte Vormittagsverbindungen gibt es nicht. Eine Verbindung ab FFO 8.31 Uhr führt um 9.03 Uhr nach Schönfließ, von dort geht es rund 45 Minuten zu Fuß weiter nach Mallnow. Rückfahrt: 16.56 ab Mallnow, an FFO 17.22 zum RE1 Richtung Berlin ab 17.26 Uhr. Etwas freundlicher sieht es Samstags und Sonntags an. Hier fährt der 968 ab Frankfurt um 8.20 Uhr und kommt um kurz vor 9 Uhr in Mallnow an (einzige Rückfahrt ab Mallnow um 15.26 Uhr).
Führungen für Gruppen ab zehn Personen können vereinbart werden mit dem FFH-Gebietsbetreuer und Gutachter für Landschaftsbiologie, Dipl.-Biol. Norbert Wedl, 15374 Müncheberg, Bergstraße 43, Tel. 03 34 32-7 10 48, mobil 01 70-8 62 27 98.
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Beitrag zuletzt aktualisiert am 12. März 2024.