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Im Frühsommer die Sibirischen Schwertlilien am Bodensee erleben
Grüne Wiesen, in der Sonne glitzernde Seefläche, umrahmt von schneebedeckten Alpengipfeln - eigentlich bieten die Riede am Bodenseeufer genügend reizvolle Landschaft. Doch dem nicht genug: Riedwiesen beherbergen zusätzlich eine Vielzahl seltener, attraktiver Blütenpflanzen, unter anderem die Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica).
Im Frühsommer mischt sich im Wollmatinger Ried bei Konstanz ein blaues Blütenmeer ins Grün der Pfeifengraswiesen. Zehntausende blauvioletter Blüten der Sibirischen Schwertlilie stehen für kurze Zeit in voller Blüte und geben der Landschaft einen besonderen Reiz. Am Bodensee und Oberrhein hat die europäisch-asiatische Pflanze ihre westliche Verbreitungsgrenze. Von Deutschland und Norditalien bis ins westsibirische Flachland wächst sie auf wechselnassen und periodisch überschwemmten Böden wie Pfeifengraswiesen, moorigen Waldwiesen und entlang von Gräben.
Im Mai und Juni trägt die Schwertlilie auf einem 50 bis 100 Zentimeter hohen Stängel eine bis drei filigrane, blauviolette Blüten. Jedes der fünf Zentimeter langen Blütenblätter ist am Grund weißlich, zur Spitze hin zunehmend blau und von dunkelblauen Adern durchzogen. Im Gegensatz zu anderen Schwertlilien weisen die Blätter nicht die übliche breite Schwertform auf, sondern sind grasähnlich und nur zwei bis sechs Zentimeter breit.
Das leuchtende Blütenmeer der Schwertlilien währt nur kurz, denn nach der Bestäubung durch Hummeln und Schwebfliegen welken die Blüten rasch. Bis zum Herbst entwickelt sich eine dreikammerige Fruchtkapsel in der kleine flache Samen heranreifen, vom Wind heraus geschleudert und verteilt werden. Die blaue Iris mit der eleganten Blüte eignet sich gut als Zierpflanze, etwa als Staude für den Uferbereich des Gartenteiches. Im Gartenhandel sind deshalb die Wildform und noch häufiger die vielen Zuchtformen der Sibirischen Schwertlilie erhältlich.
Sibirische Schwertlilien gelten in Baden-Württemberg als stark gefährdet und sind nach Bundesartenschutzverordnung geschützt. Außerhalb der großflächigen Schutzgebiete am Bodensee sind die Bestände besonders gefährdet, denn Entwässerung von Wiesen und Mooren, Aufgabe extensiver Landnutzungsformen sowie Straßen- und Siedlungsbau führten vielerorts zum Verschwinden der blauen Schwertlilie. In der Rheinniederung hat ihr Bestand stark abgenommen, in der Schweiz gingen in den letzten 100 Jahren 70 Prozent der einstigen Verbreitung verloren.
Daher kommen den Beständen in den großen Bodenseerieden mit zehn- bis hunderttausend Schwertlilien besondere Bedeutung zu. Aber auch hier sind Veränderungen spürbar, in den letzten 15 Jahren nahm an vielen Standorten ihre Zahl ab und der Blühtermin verschob sich wohl infolge des Klimawandels um ein bis zwei Wochen nach vorn. Günstig wirken sich Hochwasser auf den Bestand der Schwertlilien aus: Nach Spitzenhochwassern steigt der Irisbestand vorübergehend an.
Es ist ein großer Erfolg des Naturschutzes, dass heute noch das Blütenmeer der Iris sibirica am Bodensee erlebbar ist. Die Schwertlilien wachsen hier auf den Pfeifengraswiesen. Über 100 Hektar dieses europaweit bedrohten und von seltenen Pflanzenarten bestandenen Wiesentyps gibt es noch am Schwäbischen Meer. Bis um 1950 wurden sie von Landwirten als so genannte Streuwiesen genutzt. Das Mähgut diente als "Ersatzstroh" zur Einstreu im Stall sowie zur Humusanreicherung auf dem Feld. Ungedüngt und einmal pro Jahr geschnitten entwickelten sich magere, blumenbunte Wiesen. Lange Zeit galten im Alpenvorland solche sumpfigen Wiesen als ebenso wertvoll wie Äcker. Dies änderte sich mit der modernen Landwirtschaft. Uninteressante Streuwiesen wurden trockengelegt oder in Äcker umgewandelt. Aber auch Nichtstun war fatal, ohne traditionelle Bewirtschaftung verbuschten viele Streuwiesen.
Seit den 1960er Jahren entwickelten Naturschützer Pflegekonzepte zur Erhaltung der Wiesen und übernehmen seitdem Mäharbeiten. Damit bewahren die Streuwiesen ihr Gesicht: mattgrün im Frühling, strohgelb im Winter, unterbrochen von saisonalen Blütentupfern. Im Frühjahr dominiert das Rosarot der Mehlprimeln und Orchideen wie dem Fleischfarbenen Knabenkraut, im Frühsommer das Blau der Schwertlilien, im Herbst das Weiß-rosa des Duftlauches und das Blau des Lungenenzians. Ergänzt wird das Biotop-Management jüngst durch Weiderinder. In Studien wurde getestet, welche vierbeinigen Landschaftspfleger sich besonders eignen. Als günstig erwiesen sich Rinder: mit ihnen werden Streuwiesen gepflegt, teils bedrohte Haustierrassen gefördert und ihr Fleisch als lokal produziertes Lebensmittel vermarktet.
Sibirische Schwerlilien kann man erleben und fördern: Im Frühsommer bieten die NABU-Zentren am westlichen Bodensee regelmäßig Exkursionen in den Naturschutzgebieten zu den blauen Wiesen an. Im Winter kann man bei der Riedwiesenpflege unter dem Motto "Raus aus dem Büro - rein in die Natur" selbst Hand anlegen. Von Oktober bis März werden die Wiesen gemäht und freiwillige Helfer können zu Heugabel und Rechen greifen, um das Mähgut zu entfernen.
Stefan Bosch