Rote Johannisbeere – Foto: Helge May
Leicht säuerlich und typisch deutsch
Stachelbeere und Johannisbeere: Aus dem Wald in den Garten
Von Apfel und Birne bis zu Weintraube und Maulbeere haben wir viele heutige Obstarten den Römern zu verdanken. Manches wuchs zwar auch wild in Germanien, wurde aber hier nicht kultiviert. Einige heute beliebte Obstarten scheinen Griechen und Römern jedoch unbekannt gewesen zu sein, jedenfalls finden sich in den Quellen keine Hinweise. Dazu gehören Stachelbeere und Johannisbeere.
Haarige Verwandtschaft
Beide sind eng miteinander verwandt und gehören zur Gattung mit dem wissenschaftlichen Namen Ribes. Daher der Dialektname „Ribisel“ für Johannisbeeren. Wenn man so will, sind Stachelbeerfrüchte etwas groß geratene, leicht haarige Single-Johannisbeeren. Bei Letzteren sind die beiden Arten Schwarze und Rote Johannisbeere zu unterscheiden. Sorten mit hellen, fast durchscheinenden Früchten gehören als Variante zur Roten Johannisbeere.
Züchterisches Zeugnis der botanischen Nähe ist die Jostabeere (Jo+Sta-Beere). Übrigens eine deutsch-deutsche Spezialität, die in den 1970ern mit unterschiedlichen Sorten als Kreuzungspartner parallel in der BRD und in der DDR entstand.
Kein Problem mit nassen Füßen
Im Mittelalter wurden Schwarze Johannisbeeren in Klostergärten kultiviert. Das gilt angesichts ihres Zweitnamens „Klosterbeere“ wohl auch für die Stachelbeere. Die Nonne Hildegard von Bingen nannte die Schwarze Johannisbeere den Gichtbaum, denn seine Früchte schützten gegen Rheuma und vor allem vor „Vergichtung“ des Gehirns.
Wild wachsen Stachelbeeren in fast ganz Europa und bis nach China hinein. Man findet den schattenverträglichen Kleinstrauch in Wäldern vieler Art, wenn auch nur sehr zerstreut. Beide Johannisbeeren mögen es feucht und besiedeln bevorzugt Auwälder. Die Schwarze Johannisbeere ist ebenfalls eurasiatisch verbreitet, dort eher in den gemäßigten und nördlichen Breiten. Die Rote Johannisbeere dagegen ist eine typische Mitteleuropäerin, Bestände darüber hinaus gehen auf verwilderte Gartenpflanzen zurück. Überhaupt sind Wildvorkommen bei uns selten und noch dazu schwer von Gartenflüchtlingen zu unterscheiden.
Stachelbeer-Weltmeister
Im kommerziellen Anbau stammt die Hälfte der Welt-Johannisbeerernte aus Russland. Mit 15.000 Tonnen hat Deutschland nur einen kleinen Anteil. Ganz anders bei Stachelbeeren. Hier sind wir mit über 80.000 Tonnen und fast 50 Prozent der Gesamtproduktion Weltmarktführer.
Stachelbeeren und Johannisbeeren stellen im Garten keine allzu großen Ansprüche. Die Böden dürfen ruhig etwas schwerer sein. Als Starkzehrer sind bei Stachelbeeren regelmäßige Kompostgaben nicht verkehrt. Sie fruchten am zwei- bis dreijährigen Holz, ältere Sprosse sollten also regelmäßig entfernt werden. Die wie kleine Bäumchen wirkenden Hochstamm-Stachelbeeren sind auf amerikanischen Goldjohannisbeeren veredelt. Sie gelten als weniger langlebig, man kommt aber einfacher an die Früchte heran.
Gerne mit Maiglöckchen
Stachelbeeren und Johannisbeeren vertragen sich im Garten gut. Anders als die roten Vettern tragen Schwarze Johannisbeeren am einjährigen Holz. Sie sollten direkt nach der Ernte geschnitten werden. Neben Kompost ist auch eine Pflanzenbrühe aus Beinwellblättern förderlich, ebenso die Pflanzung von Schafgarbe und Maiglöckchen.
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Der Johannisbeer-Glasflügler ist ein Nachtfalter - Foto: Sibille Lehne/www.naturgucker.de
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Stachelbeerspanner-Raupe - Foto: Maro Finkel/www.naturgucker.de
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Stachelbeerspanner - Foto: Chris Engelhardt/www.naturgucker.de
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Larve der Stachelbeerblattwespe - Foto: Reinhard Naumann/www.naturgucker.de
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Von Johannisbeer-Blasenläusen ausgelöste, verfärbte Blattgalle - Foto: Helge May
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Auf der Blattunterseite sieht man die Johannisbeer-Blasenläuse - Foto: Helge May
Schaut man in die Insektenwelt oder zu Pilzen und Krankheitserregern, zeigt sich die nahe Verwandtschaft der Ribes-Arten. Die meisten Raupen und Larven, die an Stachelbeeren knabbern, findet man auch an Johannisbeeren. Dazu gehören einige ausnehmend attraktive und farbenprächtige Arten wie Stachelbeerspanner und Johannisbeer-Glasflügler. Weniger attraktiv sind die Johannisbeer-Gallmilbe oder die winzige Stachelbeerblattwespe. Wie sehr man sie duldet, ist Einstellungsfrage. Glasflüglerraupen etwa leben in den Markröhren der Zweige, was nicht ohne Schäden an den Trieben abgeht. Die Larven der Stachelbeerfliegen machen sich über die Blätter her.
Lieber rot als schwarz
Wer mit der Tierwelt die Ernte teilen möchte, tut Vögeln, Mäusen und Siebenschläfern mit Roten Johannisbeeren den größten Gefallen. Auch Stachelbeerfrüchte werden recht gerne gefressen, während Schwarze Johannisbeeren nur wenige Liebhaber finden. Also ganz ähnlich wie bei uns Menschen, wo der spezielle Geruch und Geschmack von Ribes nigrum die Geister scheidet.
Helge May
Externe Links
- Tipps von www.bio-gaertner.de zu Johannisbeeren und zu Stachelbeeren
- Rezeptideen bei Pinterest zu Johannisbeeren und zu Stachelbeeren
Weitere Infos
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