Florfliegenlarve - Foto: Helge May
Feen und Monster
Die Larven der anmutigen Florfliegen, Ameisenjungfern und Kamelhalsfliegen sind furchterregende Jäger
Die Kamelhalsfliegen haben ihre beste Zeit wohl bereits hinter sich. Fossilien zeigen, dass sie schon mindestens 200 Millionen Jahre existieren und früher weltweit verbreitet waren. Als der große Kometeneinschlag vor 65 Millionen Jahren den Dinosauriern den Garaus machte, gingen auch die meisten Kamelhalsfliegen zugrunde. Einige überlebten immerhin, so dass heute rund 250 Arten vorkommen, alle auf der Nordhalbkugel der Erde, davon 16 in Mitteleuropa.
Fliegen nur dem Namen nach
Kamelhalsfliegen sind eng mit den Netzflüglern verwandt, zu deren bekanntesten Vertretern Florfliegen, Ameisenjungfern und die bunten Schmetterlingshafte zählen. Gemeinsam haben sie in der Regel lange durchsichtige Flügel mit netzartigen Äderchen. „Trotz der ‚Fliege‘ im Namen stehen sie im Insektenreich aber den Käfern am nächsten“, erklärt NABU-Insektenexpertin Dr. Laura Breitkreuz, „während Fliegen und andere Zweiflügler zoologisch den Schmetterlingen näher sind. Auch wenn man das von Äußeren her nicht annehmen würde.“
Insekt des Jahres 2022
Nachdem die Grüne Florfliege 1999 das erste deutsche Insekt des Jahres überhaupt war und die Ameisenjungfer 2010 geehrte wurde, hat nun auch die Kamelhalsfliege diese Auszeichnung erhalten.
Genauer gesagt die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege. Diese ist gerademal 8 bis 15 Millimeter groß, mit einiger Übung kann man sie am komplett schwarzen Halsschild, der besonders langen und schlanken Vorderbrust sowie einem rauchig-ockerbraunen Flügelmal von anderen Arten unterscheiden. Lange Zeit galt sie als eine der seltensten Kamelhalsfliegen, bis man erkannte, dass sich die ausgewachsenen Tierevorwiegend in Baumkronen aufhalten. Die Larven leben räuberisch unter der Borke vor allem von Obstbäumenund Kiefern. Zu ihrer Nahrung gehören Borkenkäferlarven ebenso wie die Eier von Apfelwicklern.
Mit der Wahl der Schwarzhalsigen Kamelhalsfliege zum Insekt des Jahres soll auf eine kaum bekannte Insektenordnung hingewiesen werden. Durch ihren enorm langen Hals, streng genommen die verlängerte Vorderbrust, sind Kamelhalsfliegen leicht erkennbar. Die genaue Art zuzuordnen ist schon etwas kniffliger. Und fast noch schwerer ist es, überhaupt einer Kamelhalsfliege zu begegnen. Sie drängen sich nicht auf und es gibt auch keine Tricks, sie anzulocken. Da hilft nur, im Frühling die Augen aufzuhalten.
Krabbeln im Gebüsch
Kamelhalsfliegen schweben mehr, als dass sie fliegen, und am liebsten krabbeln sie in Stauden oder im Blattwerk umher. Sie ernähren sich vor allem von Schild- und Blattläusen, manche Arten ausschließlich von Blütenpollen. Ihre Larven leben unter Baumrinden oder in der Bodenstreu und erbeuten mit ihren kräftigen Zangen ebenfalls Kleinsttiere und Insekteneier.
Wie die meisten Insekten sind Kamelhalsfliegen sogenannte r-Strategen, dabei steht „r“ für eine hohe Reproduktionsrate. Sie setzen möglichst viel Nachwuchs in die Welt, damit von diesem auch ohne Brutfürsorge am Ende genügend Individuen überleben, um die Art zu erhalten. Ein Weibchen kann einige hundert Eier legen, aus denen nach einer Woche die Larven schlüpfen. Bis zum fertigen Insekt dauert es je nach Art mehrere Jahre.
Kernart des Insektensommers
Wesentlich einfacher ist es, einer Florfliege zu begegnen. Bei der Insektensommer-Zählung des NABU gehört die Gemeine Florfliege zu den sogenannten Kernarten, nach denen besonders geschaut werden soll. Sie ist das ganze Jahr über anzutreffen und lässt sich auch im Garten beobachten. Im Winterhalbjahr kommen Florfliegen auf der Suche nach einem frostfreien Versteck sogar in Gebäude. Die ebenfalls zangenbewehrten Larven sind enorm erfolgreiche Blattlausjäger. Für den Menschen sind Florfliegen und andere Netzflügler harmlos, auch wenn zu sehr drangsalierte Larven mal zwicken können.
Laura Breitkreuz faszinieren Florfliegen. Bei ihrer Doktorarbeit ist sie ihnen besonders nahegekommen, galt es doch, die Verwandtschaftsverhältnisse der weltweit rund 2000 Florfliegenarten zu ergründen und einen neuen Stammbaum zu entwickeln. „Dazu bedarf es unter anderem unzählige Stunden am Mikroskop, denn anhand der Flügeladerdetails lässt sich vieles über die Entstehung der Arten herausfinden“, erklärt Breitkreuz. „Das ist der klassische Ansatz nach äußeren Merkmalen, aber natürlich gehören heutzutage auch DNA-Untersuchungen dazu. Dabei sind längst noch nicht alle Geheimnisse der Florfliegenevolution erforscht.“
Tödliche Fallen
Während die Larven von Kamelhalsfliege und Florfliege aktiv jagen, sind die Larven der Ameisenjungfern Lauerjäger. Die als Ameisenlöwen bekannten Larven verfügen über besonders große Fangkiefer. In lockerem Sand legen sie einen kleinen runden Trichter an und verstecken sich auf dem Grund. Kommt eine Ameise oder ein anderes Insekt vorbei, verlieren diese den Halt und stürzen in den Trichter. Der Ameisenlöwe packt seine Beute und injiziert ein lähmendes Gift.
In Binnendünen und anderen Sandgebieten sind Ameisenlöwen weit verbreitet, oft liegen Dutzende Trichter dicht nebeneinander. Auch regengeschützte sandige Stellen in Gärten und am Haus werden besiedelt.
Von der Larve bis zum fertigen Insekt dauert es bei der Gemeinen Ameisenjungfer zwei Jahre. Bei einer Körperlänge von drei bis vier Zentimetern ist sie eine deutlich bessere Fliegerin als etwa die Florfliegen, wie Libellen beherrscht sie sogar den Rüttelflug auf der Stelle. Allerdings bekommt man Ameisenjungfer selten zu Gesicht, sie sind vor allem in der Dämmerung aktiv und jagen dann kleine Nachtfalter. (elg)
Die Gemeine Florfliege erkennt man an ihren metallisch glänzenden Knopfaugen und den durchsichtigen grazilen Flügeln mit grünen Äderchen. Wegen ihrer enormen Bedeutung als Nützling wurde die Florfliege 1999 zum ersten „Insekt des Jahres“ gewählt. Mehr →
Die Ameisenjungfer ist ein graziles, libellen-ähnliches Insekt. Ihre Larve, der Ameisenlöwe, gehört zu den gefürchtetsten Kleintierjägern. Am Grund von Bodentrichtern lauert er zangenbewehrt auf Ameisen oder Schmetterlingsraupen, die im lockeren Sand den Halt verlieren. Mehr →
Blattläuse sind schweigsame Tierchen. Sie reden wenig. Eigentlich gar nicht, soweit wir das beurteilen können. Dennoch vermögen sie sich mitzuteilen, gegenüber Ameisen zum Beispiel. „Achtung, bitte unbedingt mal den Hintern abwischen!“, lautet so eine typische Blattlaus-Mitteilung. Mehr →