Distelfalter - Foto: Helge May
Schmetterlinge auf Europatour
Die Mehrgenerationenreise der Distelfalter
Wer ständig unterwegs ist und dabei weit herumkommt, darf nicht wählerisch sein und zum Beispiel erwarten, dass ihm überall seine Lieblingsdiät serviert wird. Distelfalter findet man daher in fast allen offenen Lebensräumen einschließlich Gärten und dort saugen sie Nektar, wo es nur eben geht. Gerne besuchen sie Disteln, insofern stimmt der Name. Das liegt aber daran, dass Disteln wie Karden eine gute sommerliche Nektarquelle sind, die von vielen weiteren Insekten angeflogen werden.
Eine bunt geschminkte Dame
Im englischen heißt der Schmetterling mit dem wissenschaftlichen Namen Vanessa cardui (Carduus = Distel) „Painted Lady“. Tatsächlich sind Distelfalter ziemlich stark geschminkt, oberseits mit viel Rouge, das zwischen rosa und rostrot schwankt. Dazu kommen viele schwarze Flecken, an den Vorderflügelspitzen zusätzlich ein paar weiße. Auf der Unterseite der Hinterflügel sieht man fünf augenartige Flecken.
Auch die Raupen haben ein breites Nahrungsspektrum. Während viele andere Arten manchmal nur von einer einzigen Pflanzenart fressen, knabbern Distelfalterraupen vor allem an Disteln und Kratzdisteln aller Art, genauso an Brennnesseln, Malven, Schmetterlingsblütlern und Korbblütlern.
Mitmachaktion Vom 2. bis 11. Juni und 4. bis 13. August
Insekten beobachten, an einer bundesweiten Aktion teilnehmen und dabei die Natur vor der eigenen Haustür besser kennenlernen – all das vereint der „Insektensommer“. Ob Falter, Biene, Käfer oder Libelle: Ab dem 2. August geht es in die nächste Zählrunde. Mehr →
Wie kann ich Distelfaltern helfen?
Was grundsätzlich für Schmetterlinge und andere Insekten gut ist, hilft auch dem Distelfalter: Ein nicht zu intensiv gepflegter Garten – gerne auch mit „wilden Ecken“ –, unbedingt Verzicht auf Giftanwendung, Verzicht auf Pflanzensorten mit gefüllten Blüten, da diese wenig bis gar keinen Nektar zur Verfügung stellen.
Als Langstreckenzieher sind Distelfalter bei der Ernährung nicht wählerisch. Bei der Rast und am Zielort wird nahezu jede Nektarquelle genutzt, die sich bietet. Angesichts unserer ausgeräumten Landschaften besuchen Distelfalter gerne blütenreiche Gärten, im Frühsommer stehen Ligusterhecken besonders hoch im Kurs. Die Raupen sind ebenfalls nahezu Allesfresser. Neben den namensgebenden Disteln knabbern sie auch an Brennnesseln, Flockenblumen, Malven und Beifuß.
Die meisten Distelfalter überwintern im subtropischen und tropischen Afrika. Von dort aus fliegen sie ans Mittelmeer, wo sich die nächste Generation bildet. Diese bricht weiter nach Norden auf und erreicht Mitteleuropa, in einer dritten Generation auch Skandinavien und das Baltikum. Am Ende einer Etappe sieht man den Tieren die lange Reise an, oft sind die zarten Flügel stark zerzaust.
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Die nächste Generation kommt: junge Distelfalterraupe Ende Juni - Foto: Manuela Vierke/www.naturgucker.de
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Am Ende einer langen Reise: stark zerzauster Distelfalter - Foto: Helge May
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Bereits nach rund vier Wochen endet das Leben der ausgewachsenen Distelfalter und die nächste Generation muss übernehmen. - Foto: Helge May
Nicht alle Details der Distelfalter-Wanderflüge sind bereits erforscht. Fest steht, dass der Zyklus über mehrere Generationen geht. Anders als etwa bei Zugvögeln flattert also nicht derselbe Falter von Afrika nach Europa und wieder zurück. Die Zielgebiete der Herbst-Rückreise reichen von Westafrika bis ins äthiopische Hochland. Dieser Rückflug geschieht meist innerhalb einer Generation, so dass die einzelnen Falter 4000 Kilometer zurücklegen – die weltweit längste bekannte Non-Stop-Insektenwanderung.
Distefalterzug: Mit günstigen Winden quer durch die Sahara
Lange war weitgehend unbekannt, wo die Mehrheit der Distelfalter die Zeit von Dezember bis Februar verbringt. Inzwischen steht aber fest, dass viele Distelfalter die Wintermonate in den Savannen südlich der Sahara leben. Möglicherweise finden innerhalb Afrikas weitere Bewegungen statt. Winterbeobachtungen gibt es aber auch von den Kanarischen Inseln bis nach Arabien.
Um mehr über den Zug der Distelfalter zu erfahren, haben Forscher*innen unter anderem der Universitäten von Reading und Nanking Satellitenbilder, Wetterdaten und Distelfaltersichtungen verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass die Größe der Winterbestände ein wichtiger Faktor für das gelegentliche Massenauftreten ist. Diese werden nicht von regelmäßigen biologischen Rhythmen bestimmt, wie das teils bei anderen Arten der Fall ist. Entscheidend ist das Nahrungsangebot in der Savanne. Nur dann entwickelt sich eine kopfstarke erste Generation.
Auf ihrem Weg nach Norden müssen die Falter die komplette Sahara durchqueren. Sie nutzen dabei nördliche Winde, die in einer Höhe von drei Kilometern wehen. Untersuchungen ergaben, dass die frisch geschlüpften Falter genügend Energie für bis zu 40 Stunden Flug haben. Sie müssen also immer wieder Rast machen und Nahrung aufnehmen.
In Nordafrika angekommen, legen die Distelfalter Eier, so dass im zeitigen Frühjahr die nächste Generation heranwachsen kann. Nur wenn die Raupen erneut viele Futterpflanzen vorfinden, vermehrt sich die Zahl der Tiere ein weiteres Mal stark. Gegen Anfang Mai bricht die zweite Faltergeneration auf. Die Tiere fliegen in breiter Front, so dass die Sichtungen oft von Großbritannien bis Deutschland fast gleichzeitig erfolgen.
Masseneinflüge gab es zuletzt 2009 und 2019. Dabei lassen sich während des Zuges in einer Stunde Dutzende oder auch mal über hundert Falter beobachten. Die Grund-Zugrichtung dürfte bei den Distelfaltern genetisch vorgeprägt sein, sonst würde die Migration nicht generationenübergreifend funktionieren. Laborversuche mit Kunstlicht zeigen, dass sich die Falter im Flug weitgehend an der Sonne orientieren. Passt die Grundrichtung, fliegen Tiere gerne entlang von Landschaftsstrukturen.
Da es für die Invasionen keinen festen Rhythmus gibt, stellt sich jedes Jahr die spannende Frage, wann die ersten Distelfalter bei uns eintreffen und wie viele es sind. Insektenfreud*innen sind daher aufgerufen, ihre Sichtungen zu melden, seien es Zufallsbegegnungen oder gezielte Nachsuche. So wird man nicht nur Zeuge eines faszinierenden Naturschauspiels, sondern hilft auch mit, es zu dokumentieren.
Was kann ich beobachten?
Um herauszufinden, wie umfangreich der Zuflug ist und wo überall die Distelfalter vorbekommen, ist jede Sichtung von Interesse. Mindestangaben sind dabei der genaue Ort und die Anzahl der Falter, hilfreich sind Zusatzinfos über die Flugrichtung – soweit auf dem Zug –, das Verhalten und eventuell besuchte Pflanzen.
Die ausgewachsenen Distelfalter sind fast ständig unterwegs. Die Fortpflanzung findet aber natürlich an einem Ort statt, denn Eier und Raupen bleiben fest an und bei der jeweiligen Nahrungspflanze. Erst wenn der fertige Falter schlüpft, wird die Mehrgenerationenreise fortgesetzt. Meldungen über die Fortpflanzung, also Eiablage, Raupen sowie Art der Raupenfutterpflanze oder gerade schlüpfende Distelfalter, sind besonders wertvoll.
So funktioniert die Distelfalter-Meldung
Für Zufallsbeobachtungen ist der direkte naturgucker-Meldelink am einfachsten. Er ermöglicht eine einmalige Meldung für einen genau per Karte eintragbaren Beobachtungspunkt. Der Distelfalter ist dabei als Art bereits vorausgewählt. Wer will, kann zusätzliche Informationen unter „Alter/Status“ und „Beobachtung“ oder in einem freien Bemerkungsfeld festhalten.
Wer bereits am „Insektensommer“ teilgenommen und sich dafür bei naturgucker.de registriert hat, kann sein Login verwenden (Menüpunkt „Anmelden“) und entweder ebenfalls eine Punktmeldung abgeben oder seine Beobachtung einem festen Gebiet zuordnen. Existiert noch kein naturgucker-Gebiet und man beobachtet aber öfter am gleichen Ort – zum Beispiel im eigenen Garten –, empfiehlt es sich, hierfür ein neues Gebiet anzulegen. Für weitere Beobachtungen lässt sich dieses Gebiet immer wieder gezielt aufrufen.
Natürlich kann man sich auch ohne „Insektensommer“ bei naturgucker.de registrieren, um Tiere, Pilze und Pflanzen zu melden. 114.000 Naturbegeisterte nutzen diese Möglichkeit bereits.
Externe Links
- Distelfalterfotos und -beobachtungen bei naturgucker.de
- Distelfalter-Porträt des Lepiforums, toll bebildert (auch Raupen) und sehr informativ
- Butterflies without borders (The Wildlife Trusts)
- Back to Africa: autumn migration of the painted lady butterfly Vanessa cardui is timed to coincide with an increase in resource availability (Ecological Entomology 2017)
- Round-trip across the Sahara: Afrotropical Painted Lady butterflies recolonize the Mediterranean in early spring (Biology Letters 2018)
- „National Geographic“-Reportage zur Distelfalter-Forschung in Afrika
- Forschungs-Website „The Vanessa cardui project. An amazing worldwide traveller.“
- Anschließendes Citizen-Science-Projekt „The Worldwide Painted Lady Migration“
- „Painted Lady butterflies migrate across 14,000 kms – they seek an eternal spring“, Interview der Times of India mit Biologe Gerard Talavera
- Scientists reveal how Painted Lady butterflies migrate across the Sahara desert (cnet.com 2021)
Rückblick Distelfaltersaison 2022
- Distelfalterfotos und -beobachtungen bei naturgucker.de
- Distelfalter-Porträt des Lepiforums, toll bebildert (auch Raupen) und sehr informativ
- Butterflies without borders (The Wildlife Trusts)
- Back to Africa: autumn migration of the painted lady butterfly Vanessa cardui is timed to coincide with an increase in resource availability (Ecological Entomology 2017)
- Round-trip across the Sahara: Afrotropical Painted Lady butterflies recolonize the Mediterranean in early spring (Biology Letters 2018)
- „National Geographic“-Reportage zur Distelfalter-Forschung in Afrika
- Forschungs-Website „The Vanessa cardui project. An amazing worldwide traveller.“
- Anschließendes Citizen-Science-Projekt „The Worldwide Painted Lady Migration“
- „Painted Lady butterflies migrate across 14,000 kms – they seek an eternal spring“, Interview der Times of India mit Biologe Gerard Talavera
- Scientists reveal how Painted Lady butterflies migrate across the Sahara desert (cnet.com 2021)
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