Gammaeule - Foto: Helge May
Im Schwirrflug von Blüte zu Blüte
Die Gamma-Eule ist einer unserer häufigsten Nachtfalter
Im Hochsommer mischt sich oft ein recht unscheinbarer bräunlicher Schmetterling unter all die Tagpfauenaugen, Kohlweißlinge, Distelfalter und Kleinen Füchse, die unsere Gartenblumen besuchen. Mit blitzschnell flatterndem Flügelschlag fliegt er von Blüte zu Blüte. Wenn er sich ab und zu doch einmal niederlässt, erkennt man auf den Flügeln eine kleine silbrig-weiße Zeichnung, die wie ein Y oder ein griechisches Gamma aussieht. Dieses eindeutige Erkennungsmerkmal hat ihm den Namen Gamma-Eule eingetragen.
Die Gamma-Eule ist einer unserer häufigsten Nachtfalter, wobei ihre Zahl allerdings stark schwankt. Unterstützt durch Einwanderungswellen aus dem Süden kommt es immer wieder zu regelrechten Gammaeulen-Jahren. Mit ausgebreiteten Flügeln misst die Gamma-Eule knapp vier Zentimeter - wobei sie im Sitzen die Flügel normalerweise geschlossen hält.
Dank CR7 jetzt weltberühmt: die Gamma-Eule als „Fußball-Motte“
„Männer umschwirren mich wie Motten das Licht“, sang einst Marlene Dietrich im „Blauen Engel“. Ist das Licht groß genug, statt einer Straßenlaterne etwa ein Fußballstadion, lockt das umso mehr Motten an. Das gilt auch für die Gamma-Eule, wie das Endspiel um die Fußball-EM 2016 in Paris zeigte. Angelockt von der gewaltigen Leuchtkraft des Stadions, hatten sich vor Spielbeginn unzählige Falter auf dem Rasen niedergelassen, umschwirrten Spieler und Schiedsrichter. Allgemein sind Nachtfalterarten nicht einfach auseinanderzuhalten, doch die Fernsehbilder zeigten deutlich, dass die „Motten“ Gamma-Eulen waren. Als Portugals Fußballstar Christiano Ronaldo nach dem harten Einsteigen von Dimitri Payet verletzt auf dem Rasen saß, setzte sich eine Gamma-Eule sogar auf dessen Nase. Dieses Bild ging um die ganze Welt.
Bei flüchtiger Betrachtung könnte man die Gamma-Eule mit dem Taubenschwänzchen verwechseln, da auch dieses im kolibri-ähnlichen Schwirrflug Blüten besucht. Das Taubenschwänzchen ist jedoch deutlich größer und der Körper massiger. Es hat zudem orange Hinterflügel und schwebt frei vor den Blüten, während die Gamma-Eule sich mit den Vorderfüßen an den Blüten jeweils kurz festhält. Auch wirkt der Schwirrflug des Gamma-Eulen flatternder und weniger stabil als der des Taubenschwänzchens.
Die Gamma-Eule – wissenschaftlich Autographa gamma – ist vor allem in der Dämmerung und nachts aktiv. Anders als die meisten Nachtfalter trifft man sie mit Ausnahme der größten Mittagshitze aber auch tagsüber an, besonders an schwülen Sommertagen und im Frühherbst. Gamma-Eulen findet man in unseren Breiten von Ende Februar bis Anfang Dezember, überwiegend jedoch ab Mitte Mai und bis in den Oktober hinein. Den Winter überdauert die Art als Raupe. Je nach Witterung und Nahrungssituation dauert es von der Eiablage über die Raupenzeit bis zum Schlüpfen des Falters vier bis acht Wochen, so dass im Sommerhalbjahr vier bis fünf Generationen entstehen.
In punkto Ernährung sind Falter und Raupe wenig wählerisch. Der Falter besucht Blüten aller Art, wobei er bei langkelchigen Blüten dank seines langen Saugrüssels Konkurrenz-Vorteile hat. Die 250 bis 400 Eier legt das Eulenweibchen an krautigen Pflanzen und Stauden des Offenlandes ebenso ab wie an niedrigen Gehölzen. Nur Gräser werden weitgehend gemieden. Gerne nutzt die Gamma-Eule das reiche Nahrungsangebot auf Salat-, Spinat- oder Kohl-Äckern. Ideal für die Ei-Entwicklung und die Schlupfrate ist feucht-warme Witterung. Die Raupe hat anders als die meisten Arten nur zwei Bauchbeinpaare und ein hinteres Beinpaar. Sie bewegt sich deshalb wie eine Spannerraupe mit einem großen „Katzenbuckel“.
Bei Massenvermehrung kann es zu ernsthaften Fraßschäden durch die etwa vier Zentimeter langen grünen Raupen kommen. Gegen die Jungraupen wird deshalb Gift auf Pyrethrumbasis gespritzt. Versuche zeigen, dass sich auch Schlupfwespen einsetzen ließen, die die Euleneier parasitieren. Dafür müsste der Befall aber sehr frühzeitig erkannt werden. Was Landwirte ärgert, freut unsere Fledermäuse: Bei ihnen stehen die Nachtfalter auf dem Speisezettel ganz oben. Je mehr Gamma-Eulen es gibt, desto mehr Nachwuchs können die Fledermäuse großziehen.
Gamma-Eulen sind ausgesprochene Wanderfalter, die selbst Hochgebirge wie die Alpen überqueren. Vom Frühjahr bis in den Herbst hinein kann es deshalb zu Einwanderungswellen aus dem Mittelmeerraum kommen. Noch nicht erforscht ist, welchen Anteil am Gesamtvorkommen in Deutschland diese Zuwanderer haben. Auch über Art und Umfang der Rückwanderung nach Süden weiß man wenig. Die Gamma-Eule besiedelt Nordafrika, weite Teile Asiens und Europa bis zum Polarkreis. Überwinternde Populationen sollen selbst noch in küstennahen Regionen Finnlands vorkommen. (elg)
- Die Gamma-Eule im Naturlexikon
- Schöne Bilder in der „Insektengalerie“
- Bebilderte Bestimmungshilfe des Lepiforums
- Artbeschreibung mit guten Fotos bei „Schmetterling & Raupe“
- Aktuelle Beobachtungen und Bilder der Gammaeule im NABU-Naturgucker
- Eigene Gammaeulen-Beobachtungen im NABU-Naturgucker online melden
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