Schmetterling, Käfer und Wildbiene haben eine unersetzliche Rolle in unserer Natur. Doch ihre Zahl geht immer mehr zurück. Helfen Sie mit einer Patenschaft, gegen das Insektensterben!
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Tierische Beobachtungen an Gartenteich und Regentonne
Vielleicht erfinden die Menschen einmal Unterseeboote, die zugleich als Wasserflugzeuge in die Luft steigen können. Im Reich der Insekten und am Gartenteich ist das längst Wirklichkeit und gut zu beobachten. Auch die spektakuläre Show, bibelgleich über das Wasser zu gehen, ist im heimischen Wasserreich ein alltägliches Szenario. Ob unter, auf oder über dem Wasser, ob Kiemen, Atemrohr oder Tracheen, als Unterwasserrakete, Flach- oder Tretboot: Das Leben in Gartenteich und Regentonne birgt die skurrilsten Formen.
Das Spiel der Taumelkäfer auf Teich oder Tümpel hat wohl mancher schon beobachtet. Beim ersten Sonnenstrahl im Frühling flitzen sie wie Quecksilbertropfen über die Oberfläche, mit erstaunlicher Geschwindigkeit ziehen sie in Scharen Kreise, Kurven und Spiralen auf dem Wasserspiegel. Ihr nur wenige Millimeter langer, flachbootähnlicher Körper wird von vier "Rudern" angetrieben. Dabei führen die kurzen, plättchenförmigen Beine rund 60 Schläge pro Sekunde aus, mehr als 84 Prozent der eingesetzten Kraft wird in Vorschub umgewandelt - das Schaufelrad eines Dampfers erreicht nur 55 Prozent.
Wilde Kreiselspiele
Weil jeder Ruderschlag die Richtung ändert, gibt es für den Taumelkäfer an der Oberfläche kein Geradeaus. Unter Wasser aber torkelt er keineswegs umher, sondern peilt sein Ziel geradewegs an. Doch auf der Wasseroberfläche finden die rasenden Tänzer ihr Festmahl: Insekten, die dort leben oder ins Wasser gefallen sind.
Dass die Taumler trotz der wilden Kreiselspiele auf engstem Raum nie zusammenstoßen, liegt an einem hochsensiblen Fühlerorgan zur Registrierung von Schwingungen. Mit diesem "Johnstonschen Organ" können sie auch im Dunkeln ins Wasser gefallene Beute orten und Wellenechos wahrnehmen. Ihre eigentlichen Augen sind durch eine Chitinleiste in zwei Hälften geteilt, die eine liegt über, die andere unter dem Wasserspiegel. So sehen sie gleichzeitig, was in der Luft und unter ihnen im Wasser passiert.
Bei der kleinsten Störung stiebt die illustre Tanzgesellschaft auseinander, um sich am Ufer oder unter schwimmenden Blättern zu verstecken. Droht echte Gefahr, tauchen die Tänzer mit den stahlblauen, unbenetzbaren Körpern blitzschnell ab - und jeder nimmt unter seinen Flügeldecken eine blinkende Luftblase mit. Ihr Sauerstoffpaket veratmen sie, während sie, an Wasserpflanzen festgeklammert, der Dinge harren, die da kommen.
Taumelkäferlarven haben es da einfacher: Den Fischen gleich atmen sie durch Kiemen. Über Wasser Luft holen müssen sie nicht. Sehr kleine Schwimmkäferarten haben eine kiemenlose Strategie entwickelt, mit der sie Wochen und Monate unter Wasser ausharren: Sie nutzen den Sauerstoff, den Pflanzen als winzige Gasbläschen unter Wasser abgeben.
Käfer mit Ballaststofftanks
Das Leben des Gelbrandkäfers dagegen ist ein stetes Auf und Ab im Wasser: Alle 10 bis 15 Minuten muss er Luft unter seine Flügeldecken pumpen. Zum Nachtanken streckt der Käfer sein Hinterteil, in dem große Tracheen enden, über die Wasseroberfläche. Zudem steuert der exzellente Taucher und ebenso gute Flieger sein spezifisches Gewicht via Enddarm-Ampullen, die mit Wasser und Kot gefüllt werden. Die schlauchartigen Gebilde ermöglichen eine Gewichtsänderung für den Übergang aus dem Wasser in die Luft und umgekehrt. Ist die Hinterleibsampulle nach einem längeren Flug leer, muss er erst einmal kräftig Wasser schlucken, um abzutauchen.
Damit dem Räuber im entscheidenden Moment nicht die Luft ausgeht, lauert der Gelbrandkäfer meist kopfüber, die Hinterleibsspitze aus dem Wasser ragend. Nahrung steht ihm fast immer ausreichend zur Verfügung, und wirklich wählerisch ist er nicht: Alles, was nicht zu groß oder zu schnell ist, greift er: Mückenlarven, Wasserschnecken, Würmer, Kaulquappen und selbst kleine Stichlinge.
Seine unbändige Fressgier kann dem Gelbrandkäfer jedoch zum Verhängnis werden: Nicht selten stopft er sich den Kropf mit unverdaulichen Brocken so voll, dass er sich erbrechen muss, weil er sonst zu schwer wäre, um sich zum Atmen an die Oberfläche zu hängen. Hat sich der olivgrüne Brummer mit dem gelben Rand durch einen Teich gefressen, surrt er in der Nacht zum nächsten Festmahl. Die Larven, nicht minder räuberisch, ernähren sich ähnlich wie die Erwachsenen und spielen eine entscheidende Rolle in der Regulierung von Stechmücken-Larven.
Wasserbienen und Tretboote
Nicht nur des Großviehs Nase beim Saufen, auch zu neugierige Beobachter vermag die "Wasserbiene" durch ihre schmerzhaften Stiche zu peinigen. Wenn nicht durch gute Tischmanieren, so glänzt der Rückenschwimmer immerhin durch penible Sauberkeit: Die Vorderbeine polieren den Stechrüssel, das zweite Beinpaar schrubbt den Kopf, und schließlich werden die Flügel mit den Schenkeln gebügelt. Vor allem aber zeichnet sich die Wanze - der Name sagt es ja - durch ihre stete Rückenlage unter der Wasseroberfläche aus. Zum Atmen hängt sie sich mit dem Hinterleib an den Wasserspiegel, um durch eine von Haaren gesäumte Kammer Luft in den Körper strömen zu lassen. Da sein spezifisches Gewicht geringer als das des Wassers ist, treibt der Rückenschwimmer empor, sobald er sich nicht festklammert, jedoch nur bis unter die Wasseroberfläche, denn seine Beine sind unbenetzbar.
Noch primitiver, einem Tretboot nicht unähnlich, bewegen sich Wassertreter. In der Atemtechnik liegen die schlechten Schwimmer jedoch weit vorn: Ein Luftreservoir zwischen Hüften und Bauch dient als eine Art Kieme. Hört der Käfer auf sich zu bewegen oder festzuhalten, treibt es ihn an die Oberfläche.
Treiben im Wasserwirbel
Federleicht und elegant gleitet dort der Wasserläufer dahin, fast möchte man meinen, er schwebe bibelgleich auf der Wasseroberfläche. Tut er aber nicht: Die Wanze erzeugt mit ihren Beinen hufeisenförmige Wirbel im Wasser, deren Rückwärtsimpuls das Tier vorantreibt. Mühelos steht das nur etwa einen Zentimeter große und ein Hundertstel Gramm leichte, fragile Insekt auf dem Wasser, alles eine Frage der Oberflächenspannung, der exakten Beinstellung und Disziplin. Und selbst nach einem spontanen Fluchtsprung setzt der Wassertänzer federnd-elastisch wieder auf, ohne nasse Beine zu bekommen.
Gartenteich, Tümpel und selbst die Regentonne sind artenreiche Lebensräume und Brutstätte vieler Insekten. Neben den beschriebenen Arten treiben sich auch Larven von Mücken, Eintagsfliegen und Libellen unter Wasser herum. Und für uns Menschen sind diese kleinen Gartengewässer ein idealer Platz zur Naturbeobachtung, gleich am Haus und für wenig Geld anzulegen.
Eva-Maria Levermann
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Frankfurter Rundschau vom 5. Mai 2004.