Schmetterling, Käfer und Wildbiene haben eine unersetzliche Rolle in unserer Natur. Doch ihre Zahl geht immer mehr zurück. Helfen Sie mit einer Patenschaft, gegen das Insektensterben!
Jetzt informieren!Faktencheck zum Insektenschutzpaket
Keine ausreichenden Maßnahmen gegen den Insektenschwund
Das Insektensterben geht in einem rasanten Tempo voran. Auch wenn das Insektenschutzpaket ein erster Schritt in die richtige Richtung ist, wird es noch keine Trendumkehr beim Insektenschwund bringen. Nichtsdestotrotz sind auch einige wichtige Maßnahmen für den Insektenschutz enthalten.
Das Insektenschutzpaket besteht aus dem Insektenschutzgesetz (ISG) und der Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PfSchAnwV). Das ISG bringt über die Novelle des Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) folgende Neuerungen: der Schutz weiterer Biotope, Verbote einiger Biozide (beispielsweise Insektenbekämpfungsmittel) in Schutzgebieten, Stärkung des Konzepts „Natur auf Zeit“ (durch das Flächen zeitlich begrenzt für den Naturschutz genutzt werden können) und der Grundstein zur Regulierung von Lichtverschmutzung, also der Beeinflussung von Insekten durch Beleuchtung in Siedlungsräumen und Schutzgebieten.
Außerdem werden über das Ausgleichsgesetz und das Pflanzenschutzgesetz Möglichkeiten für Ausgleichszahlungen an Landwirt*innen verankert. Diese können abgerufen werden, wenn die neuen Regelungen der PfSchAnwV zu Einschränkungen bei der Flächenbewirtschaftung führen. Diese Einschränkungen entstehen durch ein Anwendungsverbot von wenigen Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten und ein Einsatzverbot auf Gewässerrandstreifen. Eine Maßnahme, die vielversprechend klingt, bei genauerer Betrachtung der Verordnung allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein ist:
Viele Ausnahmen, geringe Pestidzidreduktion
Verboten werden in Naturschutzgebieten und vergleichbaren Schutzgebieten lediglich Herbizide (Pestizide gegen „Unkräuter“) und Insektizide, die als bienengefährlich (B1-B3) oder bestäubergefährlich (NN410) eingestuft werden. Dies gilt auch in den europarechtlich geschützten FFH-Gebieten. Das aber nur auf einer minimalen Fläche: denn Obst-, Gemüse- und Weinbau, weitere Sonderkulturen, sowie bis Ende 2023 auch Ackerbau (hier gibt es zunächst die Möglichkeit zu freiwilligen Maßnahmen) sind von den Regelungen ausgenommen. In FFH-Gebieten bleibt also nur das Grünland betroffen, in dem grundsätzlich nur wenige Pflanzenschutzmittel angewendet werden dürfen. Somit wird die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln nur 0,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland betreffen!
Glyphosatausstieg nicht sicher
Auch die Darstellung des groß angekündigten Glyphosatausstiegs ist irreführend. Die am Insektenschutzpaket (ISP) beteiligten Ministerien erwecken den Anschein, dass durch den Beschluss im Insektenschutzpaket Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat ab dem 1. Jaunar 2024 verboten sein würden. Es ist aber auch ohne Beschluss im ISP der Fall, dass die Mittel ab Ende 2023 ohnehin nicht mehr angewendet werden dürfen, weil die EU-weite Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat im Dezember 2022 ausläuft und eine einjährige Abverkaufsfrist gilt.
Was im Zusammenhang mit dem Paket verschwiegen wird, ist eine Zusatzformulierung in der PfSchAnwV, die sicherstellt, dass der Termin des Ausstiegs verschoben werden kann, sollte die EU-weite Zulassung für Glyphosat verlängert werden. Ein Antrag auf Verlängerung des Wirkstoffs liegt bei den zuständigen Behörden bereits auf dem Tisch und wird schon auf EU-Ebene bearbeitet. Daher kann von einem Ausstieg keine Rede sein, vielmehr hängt das nationale Verbot vom Ausgang des Zulassungsverfahrens von Glyphosat auf EU-Ebene ab. Die neue Regierung muss hier nachbessern und sollte ihre Entscheidungen nicht vom EU-Prozess abhängig machen. Ein nationales Verbot von Pflanzenschutzmitteln mit Totalherbiziden wie Glyphosat muss schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, um den Verlust der Insektenvielfalt zu stoppen.
Nachbesserungsbedarf für die neue Bundesregierung
Außerdem ist es höchste Zeit, endlich eine allgemeine Strategie zur Pestizid-Reduktion in der gesamten Agrarlandschaft auf den Weg zu bringen sowie naturnahe strukturreiche Landschaften und Lebensräume stärker in den Blick zu nehmen. Hier braucht es weitere Regelungen, wie etwa zehn Prozent unbewirtschaftete Flächen in der Agrarlandschaft. Dafür sollte auch der im Aktionsprogramm Insektenschutz vorgesehene Refugialflächenansatz umgesetzt werden. Danach dürften biodiversitätsschädigende Pestizide nur dann auf einer Fläche eingesetzt werden, wenn zusätzlich dazu eine Rückzugsfläche für Insekten vorhanden ist.
Insgesamt sind die Maßnahmen im Insektenschutzpaket noch zu gering. Die kommende Bundesregierung sollte den Insektenschwund als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ernst nehmen und hier deutlich nachbessern. Was genau das Insektenschutzpaket beinhaltet und wo es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt, erläutern wir in unserem Faktencheck.
Bewertung des Insektenschutzpaketes und Vergleich zum Aktionsprogramm Insektenschutz (API) auf einen Blick
Was laut API im Insektenschutzpaket umgesetzt werden sollte | Umsetzung im Insektenschutzpaket | |
---|---|---|
Pflanzenschutzmittel | Verbot der Anwendung von Herbiziden sowie biodiversitätsschädigenden Insektiziden in FFH-Gebieten, Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und gesetzlich geschützten Biotopen im Sinne des § 30 des BNatschG. Außerdem sollte das Verbot in Vogelschutzgebieten mit Bedeutung für den Insektenschutz gelten | + - | stark eingeschränkt umgesetzt: ... Verbot von bienengefährlichen und bestäubergefährlichen Insektiziden (B1-B3 und NN410) sowie von Mitteln aus der Anlage 2 und 3 (betrifft knapp 5 Stoffe) der PfSchAnwV in Nationalparks, weiteren Naturschutzgebieten und FFH Gebieten ... ABER alle Kulturen in FFH-Gebieten außer Grünland sind ausgenommen … keine Verbote in Vogelschutzgebieten ... betrifft insgesamt 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche | Einschränkung und Beendigung des Einsatzes glyphosathaltiger und wirkungsgleicher Pflanzenschutzmittel in Normallandschaft | - | angeblicher Glyphosatausstieg nicht so sicher: ... Verbot ab 1.1.2024, aber Möglichkeit zur Verschiebung des Termins nach erneuter EU-Zulassung … keine Minderungsstrategie in der Landwirtschaft … kein Verbot von Totalherbiziden in Normallandschaft | Bundeseinheitliche Regelungen zu Gewässerrandstreifen (5 bis 10m) | + - | mit Einschränkungen umgesetzt: … Länderöffnungsklauseln … Kleingewässer sind ausgenommen … Verbote beschränken sich nur auf Pflanzenschutzmittel. Düngemittel werden nicht reguliert | Refugialflächenansatz | - | nicht umgesetzt: … dieser wichtige Punkt wird nicht erwähnt | Biozide | Biozidverbot in Schutzgebieten, entsprechend der Verbote von Pflanzenschutzmitteln | + - | geringfügig umgesetzt: ... Verbot von Bioziden (nur Holzschutz- und Insektenbekämpfungsmittel) nur in Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und gesetzlich geschützten Biotopen im Sinne des § 30 des BNatSchG … keine Verbote in FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten … Sprühen und Spritzen verboten, Nebeln nicht | Landschaftsplanung | Stärkung des Insektenschutzes in der Landschaftsplanung | + | weitestgehend umgesetzt: … z.B. Stärkung des Natur-auf-Zeit-Konzepts | Biotope | Erweiterung der Liste der gesetzlich geschützten Biotope | + | weitestgehend umgesetzt: ... aber Länderöffnungsklauseln | Lichtverschmutzung | Umstellung auf insektenfreundlichere Beleuchtung bei Neuanlagen und Verbot von neuen Beleuchtungen in Schutzgebieten | + | weitestgehend umgesetzt: ... aber Länderöffnungsklauseln | Regulierung von besonders insektengefährlichen Lichtquellen (z.B. Himmelsstrahler) | - | nicht umgesetzt: ... nur Ermächtigungsgrundlage geschaffen (in erstem Entwurf des ISG war Verbot zu bestimmten Jahreszeiten nach Sonnenuntergang verboten) | Verbot von Herstellung, Besitz, Inverkehrbringen und Verwendung von unspezifischen Insekten-Lichtfallen | - | nicht umgesetzt: ... nur Ermächtigungsgrundlage geschaffen (in erstem Entwurf des ISG außerhalb geschlossenener Räume verboten) |
Ist ein Insektenschutzpaket wirklich nötig?
Ja, es ist sogar überfällig. In den letzten Jahren belegen immer mehr Studien, dass die Insektenarten sowohl in ihrer Anzahl als auch in der Biomasse zurückgehen. Die Hauptursachen für diesen Negativtrend sind eindeutig vom Menschen verursacht (Zusammenfassungen in Kunin 2019 & IPBES Pollinator Report). Auch die Roten Listen belegen: Es gibt einen eindeutigen Rückgang bei den erfassten 25 Insektengruppen. Ihr Bestand wurde in den letzten 50 bis 150 Jahren ausgewertet. Das Ergebnis: Bei 44 Prozent aller Arten ist es zu einem deutlichen Rückgang gekommen.
Dennoch werden auch gelegentlich Studien veröffentlicht, die den Insektenschwund anzweifeln. Ein Beispiel dafür ist die Metaanalyse von Crossley et al. (2020), die sich auf Studienergebnisse aus den USA bezieht. Die Analyse zeigt eine sinkende Zahl von einigen Insekten und steigende Zahlen von anderen. Diese steigenden Zahlen beziehen sich aber überwiegend auf Arten wie Blattläuse und Mücken, das heißt Arten, die als Schädlinge wahrgenommen werden. Zudem wurden Spinnentiere und Krebstiere ebenfalls als Insekten gezählt, obwohl diese einem anderen Stamm unter den Gliederfüßern angehören und somit keine Insekten sind. Die Ergebnisse sind deshalb bei Wissenschaftler*innen umstritten und die Validität der Ergebnisse fraglich. (siehe auch Welti et al. 2020, Wagner et al. 2021).
Weitere Literatur zum Insektenschwund finden Sie am Ende der FAQs.
Ist die Landwirtschaft für über ein Drittel des Insektenschwunds verantwortlich?
Einer Metastudie zum weltweiten Insektenschwund (Sanchez et al. 2018) zufolge ist allein der Verlust von Lebensräumen durch landwirtschaftliche Nutzung für 23,9 Prozent des globalen Insektensterbens verantwortlich. Hinzu kommen der Einsatz von Düngemitteln (10,1 Prozent) und Pestiziden (12,6 Prozent), die den Insektenschwund weiter vorantreiben. Insgesamt betrachtet ist durch eine Kombination dieser Einflussfaktoren deshalb insbesondere die intensive Landwirtschaft, die nicht ausreichend auf die Förderung von natürlichen Regelmechanismen setzt (z. B. breite Fruchtfolgen, widerstandsfähiges Saatgut,Nützlingsförderung) einer der Hauptverursacher für den weltweiten Rückgang der Insekten. Auch wenn wir den genauen Anteil der Landwirtschaft am Insektensterben in Deutschland nicht kennen, wird in vielzähligen Studien zum Insektenschwund meist von der intensiven Landwirtschaft als einem der wichtigsten Treiber gesprochen. Die Ergebnisse der Metastudie wurden auch vom Insektenatlas der Heinrich-Böll-Stiftung aufgegriffen.
Was ist das Aktionsprogramm Insektenschutz (API)?
Der Insektenschutz wurde im Koalitionsvertrag von CDU und SPD als gemeinsames Ziel 2018 festgelegt. Die geplante Umsetzung wurde in Form eines Aktionsprogramms Insektenschutz (API) im Herbst 2019 vorgestellt. Es beinhaltet Aufgaben im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das API sieht dabei umfassende Maßnahmen vor, die in einem Insektenschutzgesetz (ISG) als Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und durch Änderungen in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PfSchAnwV) verankert werden sollten. Obwohl Änderungen im BNatSchG und in der PfSchAnwV vorgelegt wurden, werden bei Weitem nicht alle im API vereinbarten Punkte umgesetzt.
Warum hat die Einigung so lange gedauert?
Im Herbst 2019 stellten Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundesumweltministerin Svenja Schulze das Aktionsprogramm Insektenschutz (API) gemeinsam vor. Die ordnungsrechtliche Umsetzung soll aber auf sich warten lassen. Grund dafür sind vor allem Differenzen zwischen den beiden Ministerien – dem BMEL und BMU. Nachdem das Bundesumweltministerium (BMU) den ersten Entwurf zum Insektenschutzgesetz (ISG) im August 2020 vorgelegt hatte, konnten mehrere Abstimmungstermine im Kabinett wegen einer Blockadehaltung des BMEL nicht eingehalten werden. Streitpunkte zwischen den beiden Ministerien waren unter anderem unterschiedliche Definitionen von Streuobstwiesen und die vom BMU geplanten Änderungen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Gewässerrandstreifen zukünftig zu beschränken. Das BMEL bestand darauf, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Gewässerrandstreifen durch ihr Ministerium zu regeln sei. Das BMEL legte selbst aber erst Ende November 2020 – nach Monaten der Blockadehaltung und kurz vor geplantem Kabinettstermin – einen eigenen Entwurf zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PfSchAnwV) vor.
Neben genannten Streitigkeiten zu den Regelungen in Gewässerrandstreifen, war das Hauptargument für diese weitere Verzögerung, dass die genaue Flächenkulisse nicht exakt bekannt sei und es Bedarf für Folgeabschätzungen in der Landwirtschaft durch die den geplanten Änderungen geben würde. Und das, obwohl man zwei Jahre nach Beschluss eines Aktionsprogramms Insektenschutz beziehungsweise ein Jahr nach Vorlage eines Plans (API) eigentlich davon ausgehen müsste, dass verlässliche Zahlen bereits generiert wurden. Ebenso können auch vermeintlich notwendige Folgeabschätzungen für die Landwirtschaft als Verzögerungstaktik des Prozesses gewertet werden. Denn Wissenschaftler warnen bereits seit vielen Jahren vor den negativen Auswirkungen einer weiteren Reduktion unserer Insektenvielfalt. Nicht nur für die Funktionsfähigkeit unserer Ökosysteme sind sie essentiell, sondern auch unsere Nahrungsproduktion würde ohne ihre Bestäuberleistung zusammenbrechen. Eine Folgenabschätzung für die Nahrungsproduktion, wenn keine ambitionierten Maßnahmen ergriffen werden, liegt demnach bereits seit Jahrzehnten vor.
Nach weiteren Verhandlungen und einer weiteren Überarbeitung der PfSchAnwV, sind beide Teile des API, das heißt die Entwürfe des Insektenschutzgesetzes und der Änderung der PfSchAnwV endlich am 10. Februar 2021 im Kabinett diskutiert und bestätigt worden. Jedoch wurde das Paket im Anschluss einige Monate lang von der Unionsfraktion blockiert. Der Grund dafür war, dass weitere Ausnahmen und ein finanzieller Erschwernisausgleich für Einschränkungen durch die in der PfSchAnwV verankerten Anwendungsbeschränkungen von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten eingebracht werden sollten.
Am 11.6. wurden in der Agrarministerkonferenz aus diesem Grund weitere 65 Millionen Euro über den Sonderrahmenplan Insekten GAK (Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und des Küstenschutz) zugesagt. Nach Klärung des finanziellen Ausgleichs konnte der Umweltausschuss dem ISG noch am gleichen Tag zustimmen. Am 24.6. ist das Gesetz durch das Plenum im Bundestag beschlossen und gemeinsam mit der PfSchAnwV am 25.6. durch den Bundesrat verabschiedet worden.
Welche Änderungen sind im Insektenschutzgesetz (ISG) vorgesehen?
Beim sogenannten „Insektenschutzgesetz“ handelt es sich formal um das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sowie um Änderungen des Ausgleichsgesetzes und des Pflanzenschutzgesetzes. Es sind vier Handlungspunkte im BNatSchG vorgesehen:
- Anwendungsverbot bestimmter Biozidprodukte in Schutzgebieten (§30a):
Wie in Pflanzenschutzmitteln, sind in Biozidprodukten Pestizide enthalten. Im Gegensatz zu Pflanzenschutzmitteln werden Biozidprodukte aber nicht zum Schutz von Kulturpflanzen, sondern zum Schutz von Material (inkl. Gebäuden) oder zum Schutz der menschlichen und/oder tierischen Gesundheit eingesetzt. Aufgrund der vielfältigen Anwendungsbereiche werden Biozidprodukte in 22 Untergruppen eingeteilt.
Die Änderungen im BNatSchG sehen ein Anwendungsverbot von zwei Biozidprodukt-Untergruppen in Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und nach § 30 gesetzlich geschützten Biotopen vor. Konkret wird die Anwendung von Holzschutzmitteln und von Schädlingsbekämpfungsmitteln gegen Gliedertiere (Spinnentiere und Insekten) verboten.
- Erweiterung der Liste der geschützten Biotope, die unter §30 gelistet sind:
Aufgenommen werden artenreiches Grünland, Streuobstwiesen (mind. 25 Bäume mit einer Mindestammhöhe von 1,6 Metern und einer Mindestfläche von 1500 Quadratmetern), Steinriegel und Trockenmauern.
Diese Erweiterung bedeutet, dass die Änderungen unter §4 in der PfSchAnwV zu den Insektizid- und Herbizidverboten in Schutzgebieten sowie die Anpassungen in §30a des BNatschG zum Verbot von Biozidprodukten auch in diesen für Insekten relevanten Biotopen gelten wird.
- Reduktion der Lichtverschmutzung (§23, §41a):
Neuerrichtung von Beleuchtungen an Straßen und Wegen, sowie beleuchtete und lichtemittierende Werbeanlagen werden in Naturschutzgebieten verboten.
Neuerrichtete Beleuchtungen an Straßen, Wegen und Außenbeleuchtungen an baulichen Anlagen und Grundstücken, sowie beleuchtete oder lichtemittierende Werbeanlagen sollen insektenfreundlich gestaltet werden.
- Einbeziehung von Insektenschutz in der Landschaftsplanung (§54):
Natur auf Zeit (z.B. in Abbaustätten von Gesteinen) soll durch die rechtliche Neuregelung (Verordnungsermächtigung des BMU) in der Fläche gefördert werden. Unternehmen, die aktiv und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden die Entstehung naturschutzfachlich wertvoller Biotopstrukturen für seltene Arten auf den eigenen Flächen dauerhaft fördern, sollen so mehr Rechtssicherheit erlangen.
Dieser Zugewinn an Rechtssicherheit durch dauerhafte und nachweisbare Naturschutzmaßnahmen soll die bisher gängige Praxis der Vermeidung von wertvollen Biotopen (Vermeidungspflege) unattraktiv für Unternehmen machen. Durch die Änderungen des Ausgleichsgesetzes und des Pflanzenschutzgesetzes wird die Möglichkeit eines finanziellen Erschwernisausgleichs durch die Länder für Landwirt*innen, die von den Einschränkungen in der PfSchAnwV betroffen sind, konkretisiert.
Welche Punkte im Insektenschutzgesetz (ISG) sind besonders zu begrüßen und welche müssen noch angepasst werden?
Zu fast allen Handlungspunkten wurden Länderöffnungsklauseln aufgenommen. Dies soll erlauben, dass Landesregelungen nicht beeinflusst werden, sollten sie im Vergleich zu bundesweiten Regelungen weitergehende Maßnahmen beinhalten.
- Biozidprodukte:
Die Einführung von Anwendungseinschränkungen von einigen Biozidprodukten (§30b) in in Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern sowie in gesetzlich geschützten Biotopen ist grundsätzlich positiv und darf nicht durch weitere Ausnahmen abgeschwächt werden. Jedoch kritisieren wir stark, dass das Verbot nicht in FFH Gebieten gelten wird, dass Ausnahmen zum Schutz der Gesundheit das Verbot nichtig zu machen drohen und, dass der Bund nicht – wie im API angekündigt – nach Möglichkeit ab 2020 auf seinen Liegenschaften auf die Anwendung von Bioziden verzichten wird.
- Geschützte Biotope:
Die Aufnahme von Streuobstbeständen, artenreichem Grünland, Trockenmauern und Steinriegeln in die Liste der gesetzlich geschützten Biotope (§30) ist dringend erforderlich. Enttäuschend ist aber, dass bei Streuobstbeständen ein Schutzstatus erst ab 25 anstatt zuvor geplant 10 Bäumen gilt. Insbesondere lässt der vorgeschlagene Streuobst-Schutz eine explizite Öffnungsklausel für bestehende Länderregelungen zu, die zu einem bundesweit einmaligem Durcheinander unterschiedlicher Länderregelungen führt: In Bayern werden nur Bestände mit mind. 75% der Bäume mit 180 cm Stammhöhe geschützt und damit der Schutz de facto komplett ausgehebelt und zu Recht beklagt. In Baden-Württemberg gibt es keinerlei Schutz gegen Rodungen selbst großer Baumzahlen, sofern nicht flächige Bestände gerodet werden. In NRW greift der Schutz erst ab 5% Rückgang ohne, dass das Land eine Bezugsgröße für diese 5% besitzt. Die Öffnungsklauseln beim Streuobst-Schutz sind daher dringend zu streichen, zumal dies über die Frage des Streuobst-Schutzes hinaus einen negativen Präzedenzfall für eine künftige Zersplitterung des BNatSchG darstellt. Das BNatSchG sollte ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Hessen von 2018 sowie die bundesweit gültigen Technischen Lieferbedingungen für Baumschulpflanzen der FLL als Grundlage für einen einheitlichen Mindestschutz in Deutschland heranziehen.
- Beleuchtung:
Die schrittweise Umstellung auf insektenfreundlichere Beleuchtung (§23, §41a) in der Normallandschaft sowie das Verbot von Neuerrichtung von Beleuchtungen in Naturschutzgebieten sind zu begrüßen. In früheren Entwürfen des ISG waren jedoch konkrete Verbote zu Himmelsstrahlern und Insekten-Lichtfallen vorgesehen, die derzeit nur als Ermächtigungsverordnung enthalten sind. Wir fordern deshalb, dass konkrete Verbote aufgenommen und die Regelungen nicht nur vertagt werden.
- Natur auf Zeit:
Die Schaffung einer Rechtssicherheit durch Natur auf Zeit (§54) auf den Gewinnungsflächen mineralischer Rohstoffe ist positiv zu bewerten. Es ist jedoch fragwürdig, dass die Gewährung der Rechtssicherheit auch in den Sektoren Gewerbe, Verkehr und Bau gilt, da hier oft kein Potential für einen ökologischen Mehrwert besteht. Des Weiteren ist die zeitliche Befristung von mind. einem und max. 10 Jahren zu kritisieren. Die Besonderheiten der mineralischen Rohstoffgewinnung sollten durch Betonung eines nutzungsintegrierten Managementansatzes stärker zur Geltung kommen.
Werden Wirtschaftsunternehmen durch die rechtliche Neuregelung zu „Natur auf Zeit“ dem Natur- und Artenschutz vorgezogen?
Nein, denn Rohstoffgewinnungsstätten (beispielsweise für Steine oder Erden) bieten eine hohe Standortvielfalt, nährstoffarme Standorte und eine sehr hohe Dynamik. Diese Faktoren sind in unserer Kulturlandschaft nur sehr selten als Trio anzutreffen. Dadurch entstehen naturschutzfachlich wertvolle Biotopstrukturen für zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten – ein besonderer ökologischer Mehrwert. Aufgrund des geltenden Artenschutzrechts kann jedoch die Situation entstehen, dass sich Betriebe veranlasst sehen, durch eine rechtlich leider nicht zu beanstandende Vermeidungspflege die Entstehung naturschutzfachlich wertvoller Biotopstrukturen erst gar nicht zuzulassen. Dadurch wird eine Besiedlung durch zahlreiche gefährdete Arten schon im Ansatz verhindert. Diese absurde und kontraproduktive Vorgehensweise muss im Sinne der biologischen Vielfalt gestoppt werden. Die rechtliche Neuregelung ermöglicht es diesen Unternehmen, bei Einführung eines nutzungsintegrierten Biodiversitätsmanagements auf den eigenen Flächen und unter Aufsicht der zuständigen Behörde vom artenschutzrechtlichen Straftatbestand entbunden zu werden. Damit entsteht eine Win-Win-Situation für Unternehmen der mineralischen Rohstoffgewinnung und für den Naturschutz, da Lebensräume für seltene Arten geschaffen und Vermeidungspflege verhindert werden.
Im Gegensatz zu Unternehmen der mineralischen Rohstoffgewinnung, die durch die Abbautätigkeit selbst seltene Lebensräume aktiv erzeugen und damit ein besonderes Potential zur Schaffung eines ökologischen Mehrwerts haben, trifft dies bei weiteren Bereichen wie Gewerbe, Straßenbau und Bau in der Regel nicht zu. Der NABU lehnt die rechtliche Neuregelung für diese Bereiche daher ab.
Sollen durch das Insektenschutzgesetz Pflanzenschutzmittel reguliert werden?
Nein, das Insektenschutzgesetz vom BMU (also die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes) betrifft allein Aspekte, die im eigenen Zuständigkeitsbereich liegen (Lichtverschmutzung, Erweiterung der Liste geschützter Biotope, insektenfreundlichere Landschaftsplanung und Biozide) - wozu Pflanzenschutzmittel explizit nicht gehören. Diese unterliegen der Federführung des Landwirtschaftsministeriums.
Welche Maßnahmen wurden vom API beziehungsweise früheren Entwürfen des ISG nicht übernommen und sollten von der neuen Regierung aufgenommen werden? ?
Laut API wird „der Bund ab 2020 auf seinen Liegenschaften auf die Anwendung von Bioziden verzichten, soweit nicht zwingende Gründe sie erfordern, und sich dafür einsetzen, dass weitere Städte und Kommunen diesem Beispiel folgen.“ Der NABU fordert deshalb diesen Handlungsstrang gemäß API, Punkt 4.5 an geeigneter Stelle und ohne weitere Verzögerungen gesetzlich zu normieren. Dazu fordert der NABU vollzugsgeeignete Definitionen mit klarer Bezugnahme auf Produktlisten und räumlichem Umfang der Verbote.
Länderöffnungsklauseln (wie etwa bei Lichtverschmutzung oder Biotopschutz) waren im API nicht vorgesehen und können zu uneinheitlichen Voraussetzungen für Naturschutzmaßnahmen führen. Außerdem waren im API Verbote von Insektenvernichtungslampen im Außenbereich, sowie der Betrieb von Himmelsstrahlern zu bestimmten Zeiten vorgesehen. Diese Regelungen wurden im ISG aber nicht übernommen und sollten von der nächsten Regierung wieder aufgenommen werden, um die Gefahr durch Lichtverschmutzung für Insekten zu reduzieren.
Welche Punkte werden durch Änderungen der PfSchAnwV angepasst?
Formal handelt es sich hier um die Fünfte Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung. Vier Hauptpunkte werden angepasst:
- Glyphosatausstieg
Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft:
In der Landwirtschaft wird die Anwendung nicht verboten, aber eingeschränkt. Im Ackerbau ist die Anwendung noch erlaubt, wenn die Böden erosionsgefährdet sind und/oder Unkräuter nicht mechanisch bekämpft werden können.
Auf Grünland darf Glyphosat weiterhin flächig ausgebracht werden, wenn die Verunkrautung so hoch ist, dass die Futtergewinnung wegen eines Risikos für die Tiergesundheit nicht möglich ist, die Böden erosionsgefährdet sind oder eine wendende Bodenbearbeitung nicht zulässig ist.
Eine Anwendung in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten und Kern-und Pflegezonen von Biosphärenreservaten wird verboten.
Anwendung von Glyphosat im Haus- und Kleingarten sowie auf öffentlichen Flächen:
Grundsätzlich wird die Anwendung verboten. Die Verbote gelten aber erst dann, wenn die Pflanzenschutzmittel, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten und für den Gebrauch in Haus- und Kleingarten zugelassen sind, ihre Zulassung in Deutschland verlieren. Auch auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, gilt das Verbot erst dann, wenn die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ihre Zulassung in Deutschland verlieren.
Die Anwendung wird zwar laut PfSchAnwV ab dem 31. Dezember 2023 mit dem Auslaufen der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel verboten, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten. In der PfSchAnwV steht aber auch, dass der Termin des Ausstiegs verschoben werden kann, sollte die EU-weite Zulassung für Glyphosat verlängert werden. Und ein Antrag auf Verlängerung wird auf EU-Ebene bereits bearbeitet. Von einem Ausstieg kann daher keine Rede sein kann, vielmehr ist das nationale Verbot vom Ausgang des Zulassungsverfahrens des Wirkstoffs Glyphosat auf EU-Ebene abhängig – auch wenn es nicht so an die Öffentlichkeit kommuniziert wird.
- Anwendungsverbote in Schutzgebieten
In Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und in gesetzlich geschützten Biotopen (ausgenommen Trockenmauern im Weinbau) im Sinne des §30 BNatSchG dürfen zukünftig keine Herbizide und keine Insektizide angewendet werden, die durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit der Auflage einer Kennzeichnung zur Bienengefährlichkeit B1, B2, B3 oder als bestäubergefährlich NN 410 zugelassen worden sind.
In FFH-Gebieten, die nicht den oben genannten Schutzgebietskategorien unterliegen, gelten die oben genannten Verbote nicht für den Gartenbau, Obst-und Weinbau, Anbau von Hopfen und sonstigen Sonderkulturen, zur Vermehrung von Saatgut und Pflanzgut sowie auf Ackerflächen. Dementsprechend beschränkt sich das Verbot in FFH-Gebieten nur auf das Grünland, in dem ohnehin selten Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden.
In Vogelschutzgebieten sieht die PfSchAnwV keine einschränkenden Regelungen zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln vor.
- Anwendungseinschränkungen auf Ackerflächen in FFH-Gebieten
Wenn die Ackerflächen in FFH-Gebieten nicht gleichzeitig auch als Naturschutzgebiet, Nationalpark, Nationales Naturmonument oder Naturdenkmal ausgewiesen sind, dann gelten die oben genannten Regeln nicht und es muss bis zum 30. Juni 2024 mittels freiwilliger Vereinbarungen und Maßnahmen eine Bewirtschaftung ohne Anwendung der Herbizide und Insektizide mit den Auflagen B1 bis B3 und NN410 erreicht werden. Diese Maßnahmen auf Kooperationsbasis müssen nun zügig umgesetzt werden.
Das BMEL erstattet dem Kabinett bis spätestens 30. Juni 2024 einen Bericht darüber, wie sich die freiwilligen Maßnahmen auf Ackerflächen in FFH ausgewirkt haben und ob der Einsatz von Pflanzenschutzmittel reduziert wurde. Dem Bericht sollen eventuell Vorschläge für Anpassungen der Anwendungsverbote auf Ackerflächen folgen.
- Anwendungsverbot in Gewässerrandstreifen
Etwa die Hälfte der Bundesländer haben bereits Regelungen zu Gewässerrandstreifen, aber bislang gibt es noch keine bundeseinheitlichen Regeln. Bestehende Regelungen der Länder bleiben durch die Änderungen in der PfSchAnwV unberührt. Die neuen Regelungen in der PfSchAnwV sehen ein Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln an Gewässern innerhalb eines Abstandes von zehn Metern beziehungsweise fünf Metern vor, wenn eine geschlossene, ganzjährig begrünte Pflanzendecke vorhanden ist. Das ist zum Schutz der aquatischen Artenvielfalt allerdings nicht ausreichend, weil kleine Gewässer von wirtschaftlich untergeordneter Bedeutung von den Auflagen ausgeschlossen sind. Daher muss ein allgemeines Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln innerhalb von zehn Metern zu Gewässern gelten. Kleine Gewässer müssen in diese Regelung mit eingeschlossen werden, weil Pestizid-Einträge insbesondere in kleinen, landwirtschaftlich relevanten Gewässern und besonders sensiblen Quellregionen nicht berücksichtigt werden. Ergebnisse des bundesweit ersten Kleingewässermonitorings[1] zeigen eindeutig, dass das Schutzniveau an Kleingewässern dringend erhöht werden muss. An fast zwei Dritteln der untersuchten Kleingewässer wurden die in der Zulassung ermittelten Grenzwerte deutlich überschritten.
[1] A. Müller und K. Hitzfeld, „Kleingewässermonitoring - Realitätscheck der Umweltrisikobewertung von Pflanzenschutzmitteln“, Wasser und Abfall, Nr. 3, S. 37–42, 2020.
Was sind Insektizide mit Kennzeichnung B1 bis B3 bzw. NN410?
Pflanzenschutzmittel mit der Kennzeichnung B1 gelten als bienengefährlich, B2 gelten als bienengefährlich außer bei Anwendung nach Ende des täglichen Bienenflugs bis 23 Uhr und B3 gelten als nicht bienengefährlich aufgrund der durch die Zulassung festgelegten Anwendungen des Mittels. Mittel mit der Auflage B4 gelten als nicht bienengefährlich und dürfen weiterhin in Schutzgebieten verwendet werden.
Die Kennzeichnung NN410 bedeutet, dass das Pflanzenschutzmittel als bestäuberschädigend eingestuft wird, weil andere Bestäuberarten sensibler als die Honigbiene auf Pflanzenschutzmittel reagieren. Sie können durch bienenungefährliche Mittel (B4), die in die Blüte appliziert werden, gefährdet sein.
Ist die Anwendung von Neonikotinoiden mit der Auflage B4 weiterhin in Schutzgebieten erlaubt?
Nein, die noch zugelassenen Pflanzenschutzmittel mit Neonikotinoiden dürfen in Zukunft nicht mehr in Naturschutzgebieten angewendet werden. Neonikotinoide sind Insektizide, die meist systemisch wirken. Die Pflanze nimmt das Pestizid über die Wurzeln von behandeltem Saatkorn oder über das Bewässerungssystem auf und verteilt es während des Wachstums vom Stängel bis in die Blattspitze. Insekten werden abgewehrt oder getötet, sobald sie in die Pflanze beißen oder daran saugen.
Neonikotinoide galten bis 2008 als weitestgehend ungefährlich für Bienen. Dann wurde festgestellt, dass sich Pestizidstaub von behandeltem Saatgut abrieb, sich auf blühenden Pflanzen absetzte und zu massiven Schäden bei Bienen führte. Die Anwendung der meisten Pflanzenschutzmittel, die Neonikotinoide enthalten, wurde deshalb im Freiland verboten.
Das einzige Neonikotinoid, das noch regulär in Pflanzenschutzmitteln im Freiland zugelassen ist, ist Acetamiprid. Der Wirkstoff ist in 13 derzeit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln enthalten, elf davon sind für Zierpflanzen im Haus- und Kleingartenbereich.
Die zwei Pflanzenschutzmittel, die nicht für den Gebrauch in Haus- und Kleingärten sind, sind vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Deutschland mit den Auflagen B4 (bienenungefährlich) und NN 410 (bestäuberschädigend) zugelassen worden. Weil sie die Kennzeichnung NN410 tragen, dürfen sie zukünftig nicht mehr in Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und gesetzlich geschützten Biotopen im Sinne des §30 des Bundesnaturschutzgesetzes (ausgenommen Trockenmauern im Weinbau) angewendet werden.
Hintergrund: Neonikotinoide sind Insektizide, die meist systemisch wirken. Die Pflanze nimmt das Pestizid über die Wurzeln von behandeltem Saatkorn oder über das Bewässerungssystem auf und verteilt es während des Wachstums vom Stängel bis in die Blattspitze. Insekten werden abgewehrt oder getötet, sobald sie in die Pflanze beißen oder daran saugen. Neonikotinoide galten bis 2008 als weitestgehend ungefährlich für Bienen. Dann wurde festgestellt, dass der Pestizidstaub von behandeltem Saatgut sich auf blühenden Pflanzen absetzt und zu massiven Schäden bei Bienen führt.
Wie viel Fläche ist in den Schutzgebieten von den Regelungen betroffen?
Die Regelungen gelten in Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmäler und in gesetzlich geschützten Biotopen (ausgenommen Trockenmauern im Weinbau) im Sinne des §30 BNatSchG gelten. Außerdem werden die Regeln nur für Grünland in FFH-Gebieten gelten, da alle anderen Kulturen (Ackerland und alle Sonderkulturen) von den Verboten ausgenommen wurden. Laut Angaben des BMEL in der Erklärung zur PfSchAnwV ist eine Fläche von etwa 59.035 ha (ohne Grünland- und Waldfläche) in Schutzgebieten und ca. 37.680 ha Fläche an Gewässerrandstreifen von den Regelungen betroffen. Also insgesamt 96.715 ha. Dies entspricht einem Anteil von 0,5% an der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland oder einer Fläche, die etwas größer ist, als die Stadt Berlin.
Dazu kommen etwa 614 740 ha Grünland und ca. 709.313 ha Waldfläche in Schutzgebieten zählen. Trotzdem ist die Behauptung des Deutschen Bauernverbands (DBV), dass mindestens 1,2 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Flächen eingeschränkt würden, auf groteske Weise übertrieben. Denn Waldfläche wird nicht landwirtschaftlich genutzt und ebenso wie Grünland im Vergleich zu Ackerland in kaum nennenswertem Maße mit Pflanzenschutzmitteln behandelt. Die in der PfSchAnwV getroffenen Maßnahmen betreffen daher nur einen geringen Anteil der Fläche in Schutzgebieten.
Werden die Fördermöglichkeiten für Naturschutzmaßnahmen durch die Änderungen ausgehebelt?
Laut Bundesregierung sollen Einschränkungen in Schutzgebieten mit zusätzlichen 180 Millionen Euro abgefangen werden. Obwohl medial oft anders dargestellt, gibt es zudem weiterhin Förderungsmöglichkeiten. Mit der FFH-Zulage nach Artikel 30 der ELER-Verordnung ist beispielsweise ein Erschwernisausgleich in Schutzgebieten möglich. Die Förderung im Rahmen dieser Maßnahme wird jährlich je Hektar landwirtschaftlicher Fläche oder Waldfläche zum Ausgleich zusätzlicher Kosten und Einkommensverlusten gewährt. Regelungen und Einschränkungen durch das ISG, das im Bundesnaturschutzgesetz verankert wird, können auch über §68 ausgeglichen werden.
Ein wichtiger Faktor für eine nachhaltigere Landwirtschaft ist aber insbesondere eine Agrarpolitik, die relevante Regelungen und Anreize so setzt, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln minimiert und Landwirte bei konkreten Naturschutzmaßnahmen sowie nachhaltigem Wirtschaften unterstützt werden. Um Landwirt*innen für die Anwendungsverbote auf Gewässerrandstreifen sowie in FFH Gebieten einen Erschwernissausgleich für Bewirtschaftungseinschränkungen durch die Regelungen in der PfSchAnwV zu ermöglichen, wurden am 11. Juni im Rahmen der Agrarministerkonferenz zusätzliche 65 Millionen Euro im Sonderrahmenplan Insektenschutz der GAK (Gemeinsamer Plan Agrar- und Küstenschutz) zugesagt.
Bedeuten die Regelungen, dass es zu Enteignungen kommen wird?
Nein, durch die Regelungen im Insektenschutzgesetz (ISG) und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PfSchAnwV) wird es nicht zu Enteignungen kommen. Die Verbote zu Biozidprodukten, Herbiziden und bestäubergefährdenden Insektiziden gelten in Naturschutzgebieten und sehr eingeschränkt in FFH-Gebieten. Einschränkungen sind, anders als im API vorgesehen, in Vogelschutzgebieten nicht vorgesehen.
Vor allem die Ausnahme von Ackerland und Sonderkulturen in FFH-Gebieten soll laut Regierung sicherstellen, dass die Bewirtschaftung dort nicht beeinträchtigt wird. Außerdem gelten Ausnahmeregelungen bei erheblichen Ernteeinbußen auch in Naturschutzgebieten.
Welche Maßnahmen wurden vom API nicht übernommen und sollten in die PfSchAnwV aufgenommen werden?
- Refugialflächenansatz
Die PfSchAnwV befasst sich zwar mit Einschränkungen in Bezug auf die Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel in ökologisch wertvollen Lebensräumen sowie in der Nähe zu Gewässern, eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes muss allerdings nicht nur innerhalb der Schutzgebietskulisse sondern in der gesamten Landschaft erreicht werden. Ein wichtiger Ansatz, der sofort oder so bald wie möglich im Zuge einer erneuten Anpassung der PfSchAnwV mit aufgenommen werden muss, ist der im API genannte Refugialflächenansatz. Der Refugialflächenansatz sieht vor, die Anwendung von Breitbandherbiziden, sonstigen biodiversitätsschädigenden Herbiziden sowie biodiversitätsschädigenden Insektiziden davon abhängig zu machen, dass Rückzugsflächen auf und angrenzend an Anwendungsflächen vorhanden sind. Wie der NABU, erachtet laut API auch die Bundesregierung diesen Ansatz als geeignete Möglichkeit die negativen Auswirkungen bestimmter Pflanzenschutzmittel zumindest einigermaßen zu kompensieren. Der NABU fordert deshalb diesen Handlungsstrang gemäß API, Punkt 4.2 ohne weitere Verzögerungen gesetzlich zu normieren.
- Verschärfte Anwendungsregelungen sowie Zulassungsauflagen
Gemäß API, Punkt 4.4 wird „der Bund bis 2021 seine bisherigen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und insbesondere der Insekten bei den Anwendungsregelungen verstärken und sicherstellen, dass bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln dem Schutz von Nicht-Zielorganismen, der biologischen Vielfalt und des Ökosystems wirksam Rechnung getragen wird.“ Bisher sind dem NABU keine Anstrengungen bekannt, dass dieser Handlungspunkt Anwendung findet bzw. in irgendeiner Form rechtliche Verankerung findet. Vorgaben zu strengeren Anwendungsauflagen und Zulassungsverfahren müssen deshalb in der PfSchAnwV oder an anderer geeigneter Stelle und ohne weitere Verzögerungen gesetzlich zu normiert werden.
- Einschränkung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Liegenschaften des Bundes
Wie bereits unter Punkt 7.1. der vorliegenden Auflistung benannt, verspricht das API laut Punkt 4.5, dass „der Bund ab 2020 auf seinen Liegenschaften auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verzichten wird, soweit nicht zwingende Gründe sie erfordern, und sich dafür einsetzen, dass weitere Städte und Kommunen diesem Beispiel folgen.“ Bisher sind dem NABU keine Anstrengungen bekannt, dass dieser Handlungspunkt Anwendung findet bzw. in irgendeiner Form rechtliche Verankerung findet. Der NABU fordert deshalb, dass der Handlungspunkt 4.2 des API in der PfSchAnwV oder an anderer geeigneter Stelle ohne weitere Verzögerungen gesetzlich normiert wird. Dazu fordert der NABU vollzugsgeeignete Definitionen mit klarer Bezugnahme auf Herbizide, Insektizide und Fungizide sowie auf den räumlichen Umfang der Verbote.
Auswahl an Literatur zum Insektenschwund:
Catarino et al. 2019: https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2019.1550
Crossley et al. 2020: https://www.sfu.ca/biology2/rEEding/crossley_etal_NEE20.pdf
Rote Liste: Gruttke et al. 2016: https://www.bfn.de/themen/rote-liste/veroeffentlichungen.html
Hallmann et al. 2017: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0185809&_ga=2.42103269.1751527880.1531267200-635596102.1531267200
IPBES: Assessment Report on Pollinators, Pollination and Food Production https://ipbes.net/assessment-reports/pollinators
Kunin 2019: https://media.nature.com/original/magazine-assets/d41586-019-03241-9/d41586-019-03241-9.pdf
Seibold et al. 2019: https://www.nature.com/articles/s41586-019-1684-3
Wagner et al. 2021: https://www.pnas.org/content/118/2/e2023989118#sec-4
Welti et al. 2020: https://ecoevorxiv.org/v3sr2
Weitere Infos zur Pestizidminimierung
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