Schmetterling, Käfer und Wildbiene haben eine unersetzliche Rolle in unserer Natur. Doch ihre Zahl geht immer mehr zurück. Helfen Sie mit einer Patenschaft, gegen das Insektensterben!
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NABU-Einschätzung zum Insektenschutzgesetz
Update
25. Juni 2021 - Der Bundesrat hat dem Insektenschutzpaket zugestimmt, das jedoch nach langem Ringen zu einem zahnlosen Papiertiger geworden ist. Auch wenn das Insektenschutzpaket ein erster Schritt in die richtige Richtung ist, wird es noch keine Trendumkehr beim Insektenschwund bringen. Nichtsdestotrotz sind auch einige wichtige Maßnahmen für den Insektenschutz enthalten.
Das Insektenschutzpaket besteht aus dem Insektenschutzgesetz (ISG) und der Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PfSchAnwV). Das ISG bringt über die Novelle des Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) folgende Neuerungen: der Schutz weiterer Biotope, Verbote einiger Biozide (beispielsweise Insektenbekämpfungsmittel) in Schutzgebieten, Stärkung des Konzepts „Natur auf Zeit“ (durch das Flächen zeitlich begrenzt für den Naturschutz genutzt werden können) und der Grundstein zur Regulierung von Lichtverschmutzung, also der Beeinflussung von Insekten durch Beleuchtung in Siedlungsräumen und Schutzgebieten.
Außerdem werden über das Ausgleichsgesetz und das Pflanzenschutzgesetz Möglichkeiten für Ausgleichszahlungen an Landwirt*innen verankert. Diese können abgerufen werden, wenn die neuen Regelungen der PfSchAnwV zu Einschränkungen bei der Flächenbewirtschaftung führen. Diese Einschränkungen entstehen durch ein Anwendungsverbot von wenigen Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten und ein Einsatzverbot auf Gewässerrandstreifen. Eine Maßnahme, die vielversprechend klingt, bei genauerer Betrachtung der Verordnung allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Verboten werden in Naturschutzgebieten und vergleichbaren Schutzgebieten lediglich Herbizide (Pestizide gegen „Unkräuter“) und Insektizide, die als bienengefährlich (B1-B3) oder bestäubergefährlich (NN410) eingestuft werden. Dies gilt auch in den europarechtlich geschützten FFH-Gebieten. Das aber nur auf einer minimalen Fläche: denn Obst-, Gemüse- und Weinbau, weitere Sonderkulturen, sowie bis Ende 2023 auch Ackerbau (hier gibt es zunächst die Möglichkeit zu freiwilligen Maßnahmen) sind von den Regelungen ausgenommen. In FFH-Gebieten bleibt also nur das Grünland betroffen, in dem grundsätzlich nur wenige Pflanzenschutzmittel angewendet werden dürfen. Somit wird die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln nur 0,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland betreffen!
Auch die Darstellung des groß angekündigten Glyphosatausstiegs ist irreführend. Die am Insektenschutzpaket (ISP) beteiligten Ministerien erwecken den Anschein, dass durch den Beschluss im Insektenschutzpaket Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat ab dem 1.1.2024 verboten sein würden. Es ist aber auch ohne Beschluss im ISP der Fall, dass die Mittel ab Ende 2023 ohnehin nicht mehr angewendet werden dürfen, weil die EU-weite Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat im Dezember 2022 ausläuft und eine einjährige Abverkaufsfrist gilt. Was im Zusammenhang mit dem Paket verschwiegen wird, ist eine Zusatzformulierung in der PfSchAnwV, die sicherstellt, dass der Termin des Ausstiegs verschoben werden kann, sollte die EU-weite Zulassung für Glyphosat verlängert werden. Ein Antrag auf Verlängerung des Wirkstoffs liegt bei den zuständigen Behörden bereits auf dem Tisch und wird schon auf EU-Ebene bearbeitet. Daher kann von einem Ausstieg keine Rede sein, vielmehr hängt das nationale Verbot vom Ausgang des Zulassungsverfahrens von Glyphosat auf EU-Ebene ab. Die neue Regierung muss hier nachbessern und sollte ihre Entscheidungen nicht vom EU-Prozess abhängig machen. Ein nationales Verbot von Pflanzenschutzmitteln mit Totalherbiziden wie Glyphosat muss schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, um den Verlust der Insektenvielfalt zu stoppen.
Außerdem ist es höchste Zeit, endlich eine allgemeine Strategie zur Pestizid-Reduktion in der gesamten Agrarlandschaft auf den Weg zu bringen sowie naturnahe strukturreiche Landschaften und Lebensräume stärker in den Blick zu nehmen. Hier braucht es u.a. weitere Regelungen, etwa zehn Prozent unbewirtschaftete Flächen in der Agrarlandschaft. Dafür sollte auch der im Aktionsprogramm Insektenschutz vorgesehene Refugialflächenansatz umgesetzt werden. Danach dürften biodiversitätsschädigende Pestizide nur dann auf einer Fläche eingesetzt werden, wenn zusätzlich dazu eine Rückzugsfläche für Insekten vorhanden ist.
Insgesamt sind die Maßnahmen im Insektenschutzpaket noch zu gering. Die kommende Bundesregierung sollte den Insektenschwund als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ernst nehmen und hier deutlich nachbessern.
Update
11. Juni 2021 - Der Beschluss zum Insektenschutzgesetz im Umweltausschuss des Bundestags ist ein kleiner Fortschritt beim Insektenschutz, auch wenn der Prozess unnötig verzögert und der Gesetzentwurf weiter verwässert wurde. Das jetzt beschlossene Insektenschutzgesetz ist jedoch ein Schritt in die richtige Richtung, um dem Artenschwund von Insekten etwas entgegen zu halten. Es beinhaltet unter anderem ein Verbot von einzelnen Bioziden in Schutzgebieten, stellt weitere Biotope unter Schutz, stärkt das Konzept von Natur auf Zeit und macht einen Anfang bei der Reduktion von Lichtverschmutzung. Außerdem bringt es eine Einigung über die Finanzierung der Ausgleichszahlungen in Höhe von zusätzlichen 65 Millionen Euro für den Schutz von Insekten in der Landwirtschaft. Jetzt gilt es das Gesetz noch formell im Bundestag abzustimmen und im Bundesrat inklusive der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zu bestätigen.
Update
10. Februar 2021 - Nach langem Ringen hat das Bundeskabinett heute das Insektenschutzpaket verabschiedet. Es besteht aus dem Insektenschutzgesetz (ISG) des Bundesumweltministeriums und der Pflanzenschutzanwendungsverordnung (PfSchAnwV), für die das Bundeslandwirtschaftsministerium zuständig ist. Darin ist der Ausstieg aus dem umweltschädlichen Unkrautvernichter Glyphosat bis 2024 geregelt sowie der eingeschränkte Einsatz von Herbiziden und Insektiziden in bestimmten Schutzgebieten und in der Nähe von Gewässern. Der NABU begrüßt das Insektenschutzpaket als ersten Schritt in die richtige Richtung. Für eine erfolgreiche Umsetzung muss nun jedoch noch einiges getan werden.
Nachdem das Aktionsprogramm Insektenschutz ursprünglich mit wesentlichen ambitionierten Zielen gestartet sei, habe der NABU mehr erwartet, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Nun legt das Paket aus Gesetz und Verordnung zumindest erste konkrete Ansätze vor, die das Insektensterben und die Biodiversitätskrise bremsen könnten. So ist der geplante Glyphosat-Ausstieg in der Pflanzenschutzanwendungsverordnung längst überfällig, um die Nahrungsgrundlage von Insekten zu erhalten und somit den Schutz für Insekten zu erhöhen. Positiv ist auch, dass der Einsatz von bestäubergefährdenden Pflanzenschutzmitteln und Herbiziden in Schutzgebieten eingeschränkt werden soll. Neben den notwendigen Regelungen setzt man hier auch auf freiwillige Maßnahmen, denen nun Taten folgen müssen. Die Verordnung bietet dabei erste Ansatzpunkte für Förderprogramme und einen gegebenenfalls erforderlichen Ausgleich für Landwirt*innen bei Ertragseinbußen.
Das Insektenschutzgesetz legt ebenfalls wichtige Maßnahmen vor. So werden unter anderem artenreiche Grünlandflächen und Streuobstwiesen in die Liste der geschützten Biotope aufgenommen, die Lichtverschmutzung soll reduziert werden. Insgesamt haben wir beim Insektenschutz allerdings noch einen weiten Weg vor uns. Auch über das Paket hinaus gilt es nun, den Einsatz von Pestiziden nicht nur innerhalb von Schutzgebieten, sondern in der gesamten Landschaft und in Gärten einzuschränken. Dazu sind verbindliche Programme zur Pestizidreduktion und zur Förderung der biologischen Vielfalt von großer Bedeutung.
Die eigentliche Arbeit beginnt nun in den Bundesländern. Von ihrer Umsetzung wird der Erfolg des Insektenschutzpakets maßgeblich abhängen. Wie das gehen kann, zeigen beispielsweise Lösungsansätze wie der Niedersächsische Weg, der über Ordnungsrecht hinaus, zielführende Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Naturschutz, Landwirtschaft und Politik entwickelt hat.
Update
10. Dezember 2020 - In einem öffentlich gewordenen Brief an das Bundeskanzleramt kündigt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner an, dass sie verhindern wird, dass der Entwurf des BMU in der jetzigen Form zur Abstimmung in das Kabinett kommt. Das vermeintlich größte Problem: Der BMU-Entwurf sieht vor, dass der Einsatz von Pestiziden in Gewässerrandstreifen über das Wasserhaushaltsgesetz vom BMU geregelt werden soll. Aus Sicht des NABU einer der wichtigsten Punkte im Entwurf des BMU mit großer Wirkung für den Schutz von Insekten. Das BMEL sieht jedoch Pestizide in seinem Handlungsbereich und verbittet sich eine Einmischung durch das BMU. Auch wenn man dieser Logik folgt, bleibt ein Problem bestehen: Das BMEL hat bis heute keinen eigenen Entwurf zum ISG veröffentlicht und damit auch keine Regelungsvorschläge zu einem beschränkten Pestizideinsatz.
Klar ist: Der vorgestellte ISG-Entwurf des BMU muss nun zur Abstimmung in das Kabinett gebracht und darf nicht vom BMEL blockiert werden. Bislang hat die Bundesregierung dem Insektenschutz - trotz großer Versprechungen im Koalitionsvertrag - einen Bärendienst erwiesen. Dem in 2019 beschlossenen Aktionsprogramm Insektenschutz (APIS) muss nun ein durchsetzbares Gesetz folgen – wenn auch in abgeschwächter, kleinerer Form. Denn: Wenige Schutzmaßnahmen sind besser als gar keine. Wenn das BMEL allerdings weiterhin blockiert, ist eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode so gut wie nicht mehr möglich. Das wäre ein Armutszeugnis für die Große Koalition.
Konsequenzen auf EU Ebene
Auf EU-Ebene ist der Schutz von Insekten derzeit ebenfalls gefährdet. Seit 2013 wird an der sogenannten Bee Guidance gearbeitet. Sie soll Richtlinien für die Zulassung von Pestiziden festlegen. Hierbei soll die Wirkung von Pestiziden auf Bienen und Wildbienen endlich stärker beachtet werden, jedoch keine weiteren Insekten. Wann die Bee Guidance in Kraft treten soll, bleibt weiterhin unklar. Der intransparente Abstimmungsprozess lässt leider nichts Gutes erahnen und Expert*innen befürchten weitere Abschwächungen der Richtlinien.
Einflussreichen Ländern wie Deutschland und Frankreich kommt hier eine Schlüsselrolle zu: Sie geben mit Gesetzgebungen im eigenen Land wichtige Signale an die anderen EU-Mitgliedsstaaten. Im positiven wie im negativen Sinne. Wenn sich das BMEL und Ministerin Klöckner nun derart öffentlich gegen den Insektenschutz stark machen, hat das große Konsequenzen auf die Stimmungslage zum Insektenschutz auf EU-Ebene. Dieses Verhalten wird sich mit Sicherheit nicht positiv auf das bisher ohnehin undurchsichtige Verfahren zur Bee Guidance auswirken.
Der massive Insektenschwund ist eines der Zeichen dafür, wie gestresst unsere Ökosysteme bereits heute sind. Einer vor kurzem veröffentlichten Studie zufolge gehen die terrestrischen Insektenpopulationen pro Jahr um derzeit knapp ein Prozent zurück. Das mag zuerst nach keinem großen Rückgang klingen, doch nach nur einer Dekade wären bereits zehn Prozent der Insektenpopulationen verschwunden. Andere Studien nehmen zudem höhere Schätzungen an und beziffern den Rückgang auf bis zu sechs Prozent pro Jahr.
Neben den immensen ökologischen Schäden, die der Insektenschwund verursacht, könnte diese Entwicklung schon bald auch weitreichende Folgen für die Wirtschaft haben. Wenn die Bestäuber komplett wegfielen, bezifferte eine neue Studie den potenziellen wirtschaftlichen Schaden auf 3,8 Milliarden – pro Jahr, nur für Deutschland.
Klar ist: Wenn wir unseren Umgang mit der Natur und deren Ressourcen nicht tiefgreifend verändern, ist davon auszugehen, dass sich der Negativtrend fortsetzt und wir in wenigen Jahrzehnten unsere Insektenpopulationen so weit dezimiert haben, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Erholung der Ökosysteme extrem gering wird.
5. August 2020 – Heute wurden die Inhalte für ein Insektenschutzgesetz des Bundesumweltministeriums öffentlich. Um dem dramatischen Insektensterben entgegenzuwirken, hatte die Bundesregierung im Rahmen ihres Koalitionsvertrags im September 2019 ein Aktionsprogramm Insektenschutz (APIS) ins Leben gerufen. Ein wichtiger Teil des Aktionsprogramms ist das sogenannte Insektenschutzgesetz. Die nun durchgesickerten Maßnahmen betreffen dabei jedoch fast ausschließlich Bereiche jenseits der Landwirtschaft.
Dazu erklärt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: "Durch den hohen Pestizideinsatz, Überdüngung und den Verlust der Lebensräume und Nahrung erleben wir ein nie dagewesenes Insektensterben. Dabei ist das Überleben von Wildbienen und Co. auch für das menschliche Leben unverzichtbar. Ohne Insekten gibt es auch uns Menschen nicht mehr. Deshalb sind die Bestrebungen der Bundesregierung für ein Insektenschutzgesetz nur folgerichtig. Die heute öffentlich gewordenen Regelungen können dabei aber nicht mehr als ein Anfang sein: Reduzierung der Lichtverschmutzung, verpflichtende Gewässerrandstreifen und Verbot von Biozioden und Holzschutzmitteln in Schutzgebieten sind zweifellos wichtige Maßnahmen. Aber Insektenschutz ohne Minderung beim Pestizideinsatz in der Agrarlandschaft bleibt Stückwerk. Nun ist Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner am Zug – auch aus ihrem Haus müssen nun dringend Vorschläge kommen, wie die im Aktionsprogramm Insektenschutz beschlossenen Ziele erreicht werden können.“
Der NABU wird den Gesetzentwurf im Zuge der in Kürze zu erwartenden Verbändeanhörung eingehend analysieren und in seiner Stellungnahme konkrete Verbesserungsvorschläge benennen.
Die Insektenpopulationen gehen seit Jahrzehnten dramatisch zurück, das ist schon lange keine Neuigkeit mehr und wurde weltweit in diversen wissenschaftlichen Studien und in den Medien berichtet. Im September 2019 hat die Bundesregierung nun das lang notwendige Aktionsprogramm Insektenschutz (APIS) vorgestellt. Die Erstellung des APIS wurde übrigens im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD schon im Februar 2018 festgelegt. Natürlich begrüßt der NABU, dass die Bundesregierung die Systemrelevanz der Insekten erkannt hat, und dass das Thema Insektenschwund mit dem APIS Einzug in die Politik findet, begleitet aber durchgehend kritisch die Maßnahmen.
Mit neun Handlungsbereichen hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt dem Insektenschwund entgegenzuwirken. Die wohl wirkungsvollsten Punkte beziehen sich auf Regulationen in der Anwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, Ausweitung des Biotopsschutz auf weitere Lebensräume, und der neuen Regelungen zur finanziellen Förderung von Forschung und Schutzmaßnahmen.
Geld muss in den Naturschutz fließen
Insgesamt werden jährlich 100 Millionen Euro aus neuen Finanzquellen oder Umschichtungen bestehender Fördermittel für den Insektenschutz bereitstehen. Hierbei sind 50 Millionen für Schutzmaßnahmen über den Sonderrahmenplan „Insektenschutz in der Agrarlandschaft“ im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) angedacht. Für den Insektenschutz in Stadt, Wald und Gewässern stehen zukünftig 25 Millionen zur Verfügung, die aber ohnehin schon für Naturschutzmaßnahmen eingeplant waren und bei denen man sich Synergien mit dem Insektenschutz erhofft, wie zum Beispiel im Rahmen des Auen-Förderprogramms zum Blauen Bandes oder der Umsetzung des Masterplans Stadtnatur. Weitere 25 Millionen werden in die Forschung und in das Insektenmonitoring fließen.
Insektenschutz kostet Geld
Nach langen Ressortabstimmungen wurden im finalen Dokument viele Punkte von der Bürger*innen- und Verbändeanhörung aufgenommen, wie die Bekenntnis zum im Koalitionsvertrag bekräftigten Ziel zur die ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent auszudehnen, die aktive Integration des gesellschaftlichen Engagements in den Insektenschutz. An einigen Stellen bleiben die Vorschläge jedoch hinter den Erwartungen zurück oder sind nicht konkret genug. Das betrifft beispielsweise die spezifische Regulationen von Pflanzenschutzmitteln in Agrar- und Forstwirtschaft, die rückschrittliche Formulierung der Flächensparziele einen Flächenverbrauch von 30 Hektar pro Tag statt 2020 erst 2030 erreichen zu wollen (einem Ziel dem wir mit derzeitigen über 60 Hektar noch sehr weit entfernt sind), oder die Ausnahmen für Grünland in den vorgeschlagenen Maßnahmen der Düngeverordnung.
In der Agrarlandschaft soll zukünftig die Strukturvielfalt gefördert und damit Lebensräume für Insekten geschaffen werden. Dafür sollen vermehrt Rückzugsbereiche für Insekten, wie Hecken, Säume, Wegraine und Blühstreifen angelegt werden. Hierzu werden im Rahmen der GAP (Gemeinsame Europäische Agrarpolitik) Umschichtungen von finanziellen Mitteln für Schutzmaßnahmen bereitgestellt. Der Schritt, ab 2020 nun sechs Prozent (bisher 4,5 Prozent) der pauschalen Direktzahlungen für den Naturschutz und die ländliche Entwicklung zu nutzen, war überfällig und sorgt für zusätzlich rund 70 Millionen EU-Mittel. Dies ist jedoch nicht ausreichend, vor allem in Hinsicht auf die eigentlich mögliche Umschichtung von 15 Prozent der Direktzahlungen („1. Säule“) in die für Agrarumweltmaßnahmen gedachte „Zweite Säule“. Insektenschutz kostet Geld, weshalb alle verfügbaren Finanzierungsquellen ausgenutzt werden sollten.
Pflanzenschutzmittel ist einer der zentralen Gründe für den Insektenschwund
Folgerichtig widmet das APIS dem Pflanzenschutzmittel ein umfangreiches eigenes Kapitel. Es enthält unter anderem Anwendungseinschränkungen für Schutzgebiete und auf Bundesliegenschaften. Von einem generellen Verbot von biodiversitätsschädigenden Mitteln in der Agrar- und Forstwirtschaft sind wir noch weit entfernt, der für das Jahr 2023 vorgesehene Glyphosatausstieg ist aber schon ein wichtiger erster Schritt. Besonders herauszustellen ist zudem das in Aussicht gestellte Verbot von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden in Schutzgebieten. Hierzu sollen nach dem Willen der Bundesregierung nicht nur Naturschutzgebiete, Nationalparks, Nationale Naturmonumente, Naturdenkmäler und gesetzlich geschützte Biotopen zählen, sondern auch FFH-Gebiete sowie Vogelschutzgebiete mit einer Bedeutung für den Insektenschutz. Durch diese Ausgestaltung könnte das geplante Verbot potentiell auf bis zu 20 Prozent der Landfläche Deutschlands Anwendung finden. Die Wirkung dieses Verbots auf den Insektenschutz muss in den nächsten Jahren genau beobachtet werden. Sie wird maßgeblich davon abhängen welche Vogelschutzgebiete dann tatsächlich unter dieses Verbot fallen, und wie Ausnahmereglungen gestalten und in welchem Umfang angewendet werden, zum Beispiel für die Landwirtschaft in Schutzgebieten.
Das Gleiche gilt für die ambitionierte Absicht der Bundesregierung, ab 2020 auf Bundesliegenschaften auf Pestizide und Biozide zu verzichten. Mit Flächen der Bundeswehr, der Deutschen Bahn, sowie Bundesfern und -wasserstraßen ist das Potenzial für eine Wirkung auf die Insektenpopulationen groß. Aber auch hier gibt es einige unkonkret formulierte Ausnahmereglungen, wie die potentielle Aufhebung des Verbots aus Gründen der Verkehrssicherheit oder der menschlichen Gesundheit. Es bleibt also zunächst abzuwarten, wie die Umsetzung dieses Verzichts erfolgt.
Aktionsprogramm hat erhebliches Potenzial
Auch die seit Jahren zwischen der Europäischen Union und der Bundesrepublik umstrittene Düngeverordnung (DüV) hat Eingang ins APIS gefunden. Die hier aufgeführten Vorschläge zur Reduktion des Stickstoffeintrags sind begrüßenswert, die vorgesehenen Maßnahmen hätten jedoch noch im Grunde noch strenger formuliert werden müssen – wurde Deutschland doch schon wiederholt von der EU für die 2017 verabschiedete DüV gerügt, ohne dass die bisher vorgenommen Nachbesserungen als ausreichend erachtet wurden. Es besteht deshalb weiterhin ein dringender Handlungsbedarf um ein Zweitverfahren von Seiten der EU abzuwenden – und damit auch etwaige hohe Strafzahlungen zu vermeiden. Um den Eintrag von Nähr- und Schadstoffen in Gewässer zu reduzieren, sieht das APIS die Schaffung breiterer Gewässerrandstreifen vor. Die Abstandsgrenzen zum Gewässerufer für die Ausbringung von Pestiziden sollen von bisher fünf auf zehn Meter erhöht werden. Für die Ausbringung von Nährstoffen sollen je nach Hangneigung Abstände von zwei bis zehn Metern gelten. Neben der nun entstehenden Anpassung des Ordnungsrechts könnte sich allerdings insbesondere die anschließende die Umsetzung der verschiedenen Reglungen in der Praxis als kompliziert und langwierig gestalten. Für eine effektive Umsetzung wird es daher konsequentes Handeln von Gesetzgeber*innen und Verwaltungen erfordern.
Insgesamt bietet das ambitionierte Aktionsprogramm nicht unerhebliches Potenzial, dem Insektenschwund effektiv entgegenzuwirken. Dies kann aber nur dann erfolgen, wenn die beschriebenen Maßnahmen nun auch konkret umgesetzt und deren Einhaltung umfassend kontrolliert werden. Der NABU wird die weiteren Bemühungen der Bundesregierung für den Insektenschutz deshalb auch zukünftig aktiv beobachten und intensiv begleiten.
Zum 1. März 2022 ist das Insektenschutzpaket in Kraft getreten. Nach langem Ringen ist das Vorhaben jedoch zum zahnlosen Papiertiger geworden, insbesondere der Glyphosatausstieg enttäuscht. Im Faktencheck stellen wir die neuen Regelungen und Ausnahmen vor. Mehr →
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Die Bundesregierung hat heute auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Schulze Eckpunkte für ein Aktionsprogramm Insektenschutz beschlossen. Auf Basis der Eckpunkte wird das Bundesumweltministerium das Aktionsprogramm nach einer breiten öffentlichen Diskussion fertigstellen und anschließend unverzüglich mit den Maßnahmen beginnen. Mehr →