Schmetterling, Käfer und Wildbiene haben eine unersetzliche Rolle in unserer Natur. Doch ihre Zahl geht immer mehr zurück. Helfen Sie mit einer Patenschaft, gegen das Insektensterben!
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Zuchthummeln, die in fremde Ökosysteme gebracht wurden, haben große Schäden angerichtet
Hummeln werden seit Mitte der 1980er-Jahre im großen Stil gezüchtet, um Tomaten, Paprika und Erdbeeren zu bestäuben. Allein die europäischen Züchter*innenverkaufen mehr als eine Million Völker pro Jahr. Auch Solitärbienen werden zunehmend an Obst- und Gemüsebauern und -bäuerinnen sowie Privatgärtner*innen in aller Welt versendet.
Hummeln sind robuster und noch arbeitsamer als die sprichwörtlich fleißigen Bienen. Sie fliegen in gleicher Zeit mehr Blüten an als Honigbienen – um die 3.000 täglich – und arbeiten pro Tag mit bis zu 18 Stunden auch deutlich länger. Im Gegensatz zur Honigbiene halten sie Kühle, leichter Wind und Nieselregen nicht von ihren Sammelflügen ab. Sie sind zudem vielseitiger. Tomaten sind beispielsweise auf Vibrationsbestäubung angewiesen, eine Technik, die Hummeln dank ihrer kräftigen Körper beherrschen. Früher mussten Tomaten aufwendig mit elektrischen Geräten von Hand bestäubt werden. Durch die Zuchthummel kann das mit Abstand beliebteste Gemüse der Deutschen heute das ganze Jahr über zu erschwinglichen Preisen im Lebensmittelhandel angeboten werden.
Genetisches Durcheinander
„Für den europäischen Markt ist die Dunkle Erdhummel im Einsatz. Früher wurden Wildhummeln dieser Art aus der Türkei und Griechenland vermehrt und in vielen verschiedenen Ländern als Bestäuber eingesetzt. Heute züchtet man regionale Genotypen“, erläutert Dr. Stephan Härtel, Referent für Hautflüglerschutz beim NABU Berlin.
So wird verhindert, dass sich bei der Paarung mit den wilden Verwandten die Zusammensetzung des Genpools verändert. Eigentlich sollen die Einwegbestäuber nach ihrem Einsatz vernichtet werden, um ein Entweichen in die Natur zu verhindern. Doch viele Landwirt*innen lassen die Völker aus Nachlässigkeit oder Mitleid frei. Oft werden die Völker auch im Freiland eingesetzt. Auf diese Weise können sie Krankheiten und Parasiten in die wilden Hummelpopulationen tragen.
Zuchthummeln schleppen Parasiten ein
Zuchthummeln, die in fremde Ökosysteme gebracht wurden, haben große Schäden angerichtet. So sind in Nordamerika bereits einige Verwandte der Dunklen Erdhummel aufgrund von Krankheiten oder der starken Konkurrenz durch die robusteren Zuchthummeln verschwunden. Eine Studie aus dem Jahr 2011 zeigt, dass der zuvor seltene Parasit Nosema bombi von Zuchthummeln in die freie Wildbahn eingeschleppt wurde, wo er sich rapide verbreitete und zu schwindenden Hummelpopulationen in den USA und in Teilen Südamerikas führte.
„In der EU wird der Handel mit Zuchthummelvölkern seit einigen Jahren reglementiert und auf regionale Arten beschränkt. Leider ist das bei den zunehmend gezüchteten Solitärwildbienen bisher nicht der Fall. Zuchtbetriebe müssen kein Gesundheitszeugnis für die von ihnen produzierten und über weite Distanzen gehandelten Wildbienen vorlegen“, kritisiert Härtel.
Mauerbienen in alle Welt
In Internetshops werden hauptsächlich die Gehörnte Mauerbiene und die Rote Mauerbiene angeboten. Diese frühfliegenden Solitärbienen werden besonders zur Bestäubung im Freiland, etwa auf Obstplantagen, eingesetzt und in alle Welt verschickt.
Auch Privatgärtner*innen werden mit solchen Angeboten im Internet angesprochen, oft werden auch mit Kokons bestückte Insektenhotels verkauft. In Deutschland hat der Handel mit Zuchtsolitärbienen dazu geführt, dass sich die Gehörnte Mauerbiene stark ausgebreitet hat. „Diese nistet sehr früh im Jahr und belegt nun in Massen Nistplätze, die anderen Arten dann nicht mehr zur Verfügung stehen“, sagt Härtel. „Außerdem ist das Einkreuzen fremder Ökotypen in lokale, angepasste Populationen problematisch, da es zur Abnahme der genetischen Fitness führen kann.“
Bienenhandel reglementieren
Umkehren lässt sich die bedenkliche Entwicklung kaum noch. Die Katze – in diesem Fall die Wildbiene – ist längst aus dem Sack, so Härtel. Wohl aber müssen die Risiken, die Einwegbestäuber mit sich bringen, soweit wie noch möglich begrenzt werden. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, den Handel mit Solitärwildbienen ähnlich wie den mit Zuchthummeln zu reglementieren. Und auch die eigenen Konsumgewohnheiten gilt es zu überdenken. Erdbeeren im Winter, Tomaten das ganze Jahr über – das funktioniert nicht ohne Zuchtinsekten als Bestäuber.
In Privatgärten sollten Zuchtinsekten und mit Mauerbienen bestückte Insektenhotels gar nicht eingesetzt werden. „Sie sind schlichtweg überflüssig“, sagt Härtel. „Hier ist es viel sinnvoller und naturfreundlicher, Nisthilfen für Wildbienen zu schaffen und den Garten mit vielen heimischen Stauden mit ungefüllten Blüten zu bepflanzen, die den Insekten als Pollenquelle dienen können – nach dem Motto: Wildbienen in den Garten pflanzen.“ So kommen die fleißigen Bestäuber von ganz allein und sorgen für eine reiche Ernte.
Silvia Teich, aus Naturschutz heute 2/24
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