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Bald schwärmen die Waldameisen aus
Verlockend blinzeln die Strahlen der Frühlingssonne durch die Bäume und lassen die Schneereste auf den Ästen zu funkelnden Tautropfen schmelzen. Meisen verfolgen ihren Fall und entdecken am Fuß der Fichte unerwartet reges Leben: Auf einem Ameisenhügel tummeln sich tausende kleiner glitzernder Leiber in der Sonne und tanken Energie.
Im März war Saisonstart für die Waldameisen. Nach winterlicher Kältestarre kamen zunächst Arbeiterinnen hervor, die im Hügel überwintert hatten, tankten auf der Nestkuppel Sonne und trugen als krabbelnde Heizkörper Frühlingswärme in den Bau, um ihre Kolleginnen zu wecken. Nach knapp drei Wochen war der Ameisenstaat aktiviert und Hunderttausende wuseln nun umher. Ameisenhügel sind Sonnenkollektoren und schaffen neben anderen Faktoren das für die aufwändige Brutpflege günstige und nötige Innenklima mit 25 bis 29 Grad Celsius.
Zwei Meter in die Tiefe
Eine erstaunliche Vielfalt von geschätzten 15.000 Arten der sechsbeinigen Krabbler gibt es weltweit. Alle sind wie die Bienen Staaten bildende Insekten - und sie gehören wie die Bienen und Hummeln zur Gruppe der Hautflügler -, es gibt also keine solitär lebenden Ameisenarten. Zu den 110 in Deutschland heimischen Arten zählen 13 verschiedene Waldameisenarten, von denen hier die Rede ist. Alle Waldameisen bauen Nesthügel durch Zusammentragen von Pflanzenabfall aus der Umgebung. Die auffälligen Nesthügel sind beim Waldspaziergang leicht zu entdecken. Bis zu zwei Metern kann sich ein aus Nadeln, Ästen und anderem Material aufgeschichteter Hügel erheben und bis zu zwei Metern Tiefe kann der Bau den Boden darunter durchdringen. Je nach Art bevölkern hunderttausende bis mehrere Millionen Tiere ein Nest mit einer bis zu tausenden von Königinnen. Kleine Tiere können erstaunlich viel Biomasse produzieren: Im Engadin zum Beispiel übersteigt das Gewicht der Ameisen das der dort häufigen Rothirsche, obwohl eine Million Ameisen gerade mal sieben Kilogramm wiegen.
Gekrönte Legemaschinen
Die individuenreichen Ameisenstaaten leben wie ein Organismus, in dem jedes Einzelwesen spezielle Aufgaben im Interesse der Gemeinschaft übernimmt. Königinnen regieren nicht, sondern legen eigentlich nur Eier. Dazu haben sie einen plumpen Hinterleib und kräftige Brustmuskeln für den Hochzeitsflug. Arbeiterinnen üben unterschiedliche Berufe aus: Im Außendienst gibt es Jäger, Bauarbeiter, Läusemelker, Träger und Wächter. Im Innendienst wird der Nachwuchs gepflegt, gefüttert, umher getragen und das Nest repariert. Die Berufe können im Laufe des Lebens wechseln: Jüngere Arbeiterinnen sind zunächst im Nest, ältere außerhalb davon tätig.
Arbeiterinnen haben kräftige Kiefer und sind wahre Kraftprotze. Bis zum 40-fachen ihres Körpergewichtes kann eine Ameise tragen. Arbeiterinnen können sechs, Königinnen zwanzig Jahre alt werden - im Gegensatz zu den Männchen: ihr Leben ist nach Hochzeitsflug und Begattung der Weibchen zu Ende.
Wintereier und Hochzeitsflug
Der Jahreslauf bestimmt die Aktivitäten. Im Frühjahr setzen Arbeiterinnen das Nest in Stand. Die Altköniginnen legen zunächst so genannte Wintereier. Aus unbefruchteten Eiern entwickeln sich geflügelte Männchen, aus befruchteten geflügelte Weibchen. Die ersten geschlüpften Larven werden von speziellen Jungarbeiterinnen mit einem Drüsensekret gefüttert. Nach mehreren Häutungen über fünf Wochen werden aus winzigen Eiern vier bis elf Millimeter große Ameisen.
Von April bis Juni, je nach Klima und Höhenlage, schwärmen die flugfähigen Tiere zum Hochzeitsflug. Bei Sonne, Windstille und vermutlich durch Botenstoffe synchronisiert steigen sie wie Rauchschwaden aus mehreren Nestern zeitgleich auf. Die meisten landen dabei als Beute im Magen von Vögeln. Aus begatteten Weibchen werden Jungköniginnen, die sich die Flügel abbrechen und dann dem Eierlegen widmen. In Nestern mit nur einer Königin kann es zu tödlichen Kämpfen kommen, in solchen mit mehreren Königinnen adoptieren Arbeiterinnen gelandete Königinnen und verschleppen sie in den Bau.
Ameisen als Geburtshelfer
Im Sommer herrscht Hochbetrieb im Ameisennest. Der Nahrungsbedarf für den Nachwuchs ist enorm. Im Umkreis von hundert Metern holt ein Einmillionenstaat jährlich 28 Kilogramm Insekten, die die Jägerinnen mit Säurespritzen und kräftigen Kiefern erbeuten, sowie 200 Liter Honigtau. Diese zuckerhaltige Flüssigkeit, die Baumsaft trinkende Läuse ausscheiden, melken Ameisen zum Wohl der Läuse ab. Ein Netz belebter Straßen führt die Sammlerinnen zu den Wirtsbäumen.
Ameisen spielen im Lebensnetz des Waldes eine ganz besondere Rolle. Veilchen, Grünspecht, Bläulinge und Blattläuse gäbe es ohne Ameisen nicht. Der Appetit der Ameisen auf Insekten hält je Volk ein viertel Hektar Wald frei von Insekten und ihren Larven, auch jene von unerwünschten Forstschädlingen. Über 150 Pflanzenarten verdanken Ameisen ihre Verbreitung. Dazu wenden die Pflanzen einen Trick an. Da Ameisen Süßem nicht widerstehen können, tragen manche Samen ein zuckerhaltiges Anhängsel. Wegen dieses Schmankerls transportieren Ameisen diese Samen bevorzugt. Viele andere Kleintiere leben als Untermieter, Mitesser oder Schmarotzer in Ameisennestern; Schwalben, Spechte und Auerhühner nutzen Ameisen als Nahrung.
Keine Vorratswirtschaft
Wenn es Oktober wird und die ersten Blätter zu Boden taumeln, neigt sich das Ameisenjahr dem Ende zu. Auf dem Ameisenhügel sind nun deutlich weniger Tiere zu sehen. Nahrungsvorräte für den Winter legen Ameisen nicht an, aber Arbeiterinnen, die die nächste Frühlingsbrut versorgen, futtern sich Fettdepots an. Für den Winter haben die Ameisen ihre Kuppel gegen Schnee und Regen abgedichtet und ziehen sich tief ins Innere des unterirdischen Nestes zurück. Dort ruhen sie, bis mit den ersten Frühlings-Sonnenstrahlen ein neues Ameisenjahr beginnt.
von Stefan Bosch
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