Klein und bunt: der Prachtwickler - Foto: Helge May
Fressen und gefressen werden
Insektenbeobachtungtipps für den Mai
„Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus“ dichtete Emanuel Geibel vor fast 200 Jahren. Obwohl der Klimawandel in der Natur eine Menge durcheinander gebracht hat, stimmen Geibels Zeilen auch heute noch. Bei vielen Arten begann der Laubaustrieb bereits im April, doch erst im Mai schließt sich Stück für Stück das Blätterdach – das gilt für Bäume wie für Sträucher. Das frische Grün bietet den Insekten Schutz vor Witterung und vor Verfolgung.
Verräterische Spuren
Wer Insekten erkunden will, muss sie daher oft im wörtlichen Sinne ent-decken. Und das, ohne sie in die Flucht zu schlagen. Daher gilt es Blätter ganz vorsichtig umzudrehen. Ideal sind Zweige in Kopfhöhe, hier braucht man sich nur etwas bücken und kann ohne Berührung das Blattwerk abscannen.
Wichtige Hinweise auf die Anwesenheit von Insekten geben Fraßspuren. Ob mitten im Blatt Löcher klaffen oder am Rand Stücke fehlen: Mit etwas Glück sind die Verursacher noch in der Nähe. Wenn zum Beispiel die Blätter von Eberesche und Traubenkirsche zunächst kleine Löcher haben und später nur noch die Blattrippen übrig sind, liegt das am Fünfpunkt-Blattkäfer. Nicht selten sind die kleinen braunen Käfer und ihre blassgrünen Larven zeitgleich aktiv.
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Guten Appetit! Blattwespenlarven der Gattung Caliroa fressen an Stieleichenblatt - Foto: Helge May
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Fünfpunktiger Blattkäfer auf Traubenkirschenblatt - Foto: Helge May
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Larven der Weißgegürtelten Rosenblattwespe auf einem Rosenblatt - Foto: Helge May
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Eindeutige Spur: Fraßbild der Zickzackblattwespe an Ulmenblatt – Foto: Helge May
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Ebenfalls eindeutig: Schwarze Erlenblattkäfer-Larven - Foto: Helge May
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Schneeballblattkäfer-Larven lassen von den Blättern nicht mehr viel übrig - Foto: Helge May
Um Arten zu erkennen, kann die Kenntnis der Futterpflanze entscheidend sein. Wer Insekten zur späteren Bestimmung fotografiert, sollte daher neben der ungefähren Größe – immer ohne Gliedmaßen – auch Lebensraum und Pflanzen notieren. Die Raupen vieler Gespinstmotten etwa sind optisch kaum auseinanderzuhalten, aber jeweils auf bestimmte Futterpflanzen spezialisiert. Anfang Mai sind die typischen blassgelben Raupen noch relativ klein. Sie legen aber schnell zu und bald sind die Gespinste vor allem an Traubenkirschen und Pfaffenhütchen überall zu sehen. Ab Ende Mai kann das zum kompletten Kahlfraß der Gehölze führen, diese erholen sich später.
Tagaktive Nachtfalter
Die fertigen Gespinstmotten schlüpfen erst im Juli. Im Mai bestimmen andere tagaktive Nachtfalter das Bild. In Wäldern recht verbreitet ist der bunte Prachtwickler, im Offenland tummeln sich Ackerwinden-Bunteulchen, Scheck-Tageule und Braune Tageule. Bei den Tagfaltern sind wie bereits im April viele Weißlinge unterwegs. Abgesehen von den männlichen Aurorafaltern mit ihren großen orangen Flügelflecken und den leuchtend gelben Zitronenfalter-Männchen ist eine sichere Artansprache der Weißlinge nur im Ruhezustand möglich. Ein Fernglas mit guter Naheinstellung leistet dabei wertvolle Dienste (siehe Tipp). Mit etwas Glück lässt sich nicht nur ein Blütenbesuch, sondern auch die Eiablage beobachten.
Die frühesten Bläulinge sind der blaugrau gepuderte Faulbaumbläuling, der grüne Brombeerzipfelfalter und der rot-braune Kleine Feuerfalter. Im Laufe des Monats erscheint nun auch der Gartenbläuling (in Bestimmungsbüchern manchmal noch unter dem alten Namen Hauhechelbläuling). Im Offenland fliegt zudem das Kleine Wiesenvögelchen, der häufigste unserer sogenannten Heufalter. Bei zusammengeklappten Flügel kann es leicht mit dem ebenfalls häufigen Großen Ochsenauge verwechselt werde, dieses ist aber frühestens Ende Mai zu erwarten.
Das Insektenleben ist (meist) kurz
Natürlich findet zum Monatsbeginn in der Natur kein Schichtwechsel statt und der genaue Zeitpunkt von Entwicklungen hängt zudem von Klima und Wetter ab. Artennamen geben ebenfalls nur groben Anhalt. So schlüpfen die Maikäfer manchmal bereits Mitte April, die als „Maiwurm“ bekannten Ölkäfer sind schon Ende März aktiv und die Märzfliegen schwirren unverdrossen bis in den Mai. Andererseits macht ein Monat im kurzen Insektenleben viel aus, nicht nur bei Eintagsfliegen. Während die Larvenphase einiger Insekten mehrere Jahre dauern kann – siehe Maikäfer –, leben erwachsene Sechsbeiner oft nur wenige Wochen. Partnersuche, Fortpflanzungsakt, Eier legen, dann hat die sogenannte Imago ausgedient. Brutpflege ist die große Ausnahme, der Nachwuchs muss alleine sehen, wie er zurechtkommt.
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Nach mehreren unterirdischen Jahren als Engerlinge leben die ausgewachsenen Maikäfer nur wenige Wochen - Foto: Helge May
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Maiglöckchenhähnchen - Foto: Helge May
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Mai-Langhornbiene an Sandgrasnelke - Foto: Peter Vesely/www.naturgucker.de
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Schon seit März aktiv: Schwarzblauer Ölkäfer (Maiwurm) - Foto: Helge May
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Auch im Mai noch aktiv: Märzfliegenpaar auf Eichenblatt - Foto: Helge May
Die Strategien zur Nachwuchssicherung lassen sich im Mai gut besichtigen. „Viel hilft viel“ ist eine typische Insektenstrategie. Die schiere Menge der Eier und Larven soll dafür sorgen, dass am Ende wenigstens einer durchkommt. Der Ölkäfer verfährt danach, auch so unterschiedliche Schmetterlinge wie Gespinstmotten oder Tagpfauenauge. Ebenfalls beliebt: Abschreckung und Schutz. Das können Giftstoffe sein wie bei den Raupen des Eichenprozessionsspinners, Schutzhüllen wie bei Köcherfliegen oder Gallen, die gleichermaßen Schutz und Nahrung bieten. Das Erzeugen von die Larven umhüllenden Pflanzengallen wird von unzähligen Wespen, Mücken und Blattläusen betrieben, auch die zu den Spinnentieren gehörenden Milben sind aktiv. Die meist winzigen Gallenverursacher sind kaum bestimmbar, an die Gallen in Kombination von Form und Pflanzenart können sich selbst Laien wagen.
Keine Strategie ohne Risiko
Eine Überlebensgarantie sind die Gallen allerdings nicht. So wie Gallwespen und -mücken die Pflanzen austricksen, nutzen Parasiten die Gallen, um dort ihre eigenen Larven zu platzieren, die wiederum die Galllarven auffressen. Und dann wären da noch die Parasiten, die Parasiten befallen… Keine Strategie ohne Risiko.
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