Ackerhummel an Knoblauchsrauke - Foto: Helge May
Zwischen Märzfliege und Maikäfer
Im April nimmt der Insektenfrühling weiter Fahrt auf
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Hält selten still: Frühlings-Pelzbiene (erkennbar am elfenbeinfarbenen Kopfschild) an Purpurroter Taubnessel - Foto: Helge May
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Da haben sich zwei gefunden: Die Frühlings-Seidenbiene ist Wildbiene des Jahres 2023 - Foto: Helge May
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Ebenfalls früh unterwegs: Zweifarbige Sandbiene auf Scharbockskraut - Foto: Helge May
Die Wetterkapriolen des Aprils sind sprichwörtlich. Dass dieser Monat „macht was er will“, liegt an den jahreszeitlich besonders großen Temperaturunterschieden zwischen Land und Meer. Das Land erwärmt sich nach dem Winter schneller und so trifft gelegentlich einströmende Meereskaltluft auf bodennahe Warmluft. Allerlei Turbulenzen sind die Folge. Doch bei aller Unbeständigkeit: Die Richtung stimmt, es wird Frühling.
Für Insekten ist jetzt die wichtigste Frage, wo es etwas zu Fressen gibt, um bei Kräften zu bleiben oder um sich weiterzuentwickeln. Besonders auffällig sind die Hummelköniginnen. Erdhummeln waren oft schon im März aktiv, nun kommen auch Stein- und Ackerhummeln hinzu. Hummeln sind nicht wählerisch, Gehölzblüten werden ebenso angeflogen wie Kräuter. Zu den zuverlässigsten Nahrungsquellen gehört dabei die weit verbreitete Purpur-Taubnessel. Ebenfalls beliebt sind Ehrenpreis, Scharbockskraut, Frühjahrs-Kreuzkraut, Knoblauchsrauke und Löwenzahn.
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Raupe des Großen Frostspanners - Foto: Helge May
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Immer hungrig: Raupe des Kleinen Frostspanners - Foto: Helge May
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Keine Schmetterlingsraupen oder Blattwespenlarven, sondern Larven des Erlenblattkäfers - Foto: Helge May
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Wollig und klebrig: Erlenblattflöhe an Schwarzerle - Foto: Helge May
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Schon erwachsen: Pappelblattkäfer - Foto: Helge May
Anfang April sind die meisten Bäume noch kahl. Unter den wichtigsten Waldbäumen treiben Hainbuche, Ulmen und Eichen meist erst zur Monatsmitte aus, die Buche folgt danach. Als Windblütler haben sie Nektarsammlern allerdings nichts zu bieten, wogegen sich über das frische Laub Raupen wie die des Frostspanners hermachen. Ausgesprochen nektarreich sind die unscheinbar gelbgrünen Blüten von Feld- und Spitzahorn. Vor allem Fliegen und Schwebfliegen, aber auch Ameisen bedienen sich hier.
Besonders anziehend auf Hummeln, Wildbienen und Schmetterlinge wirken die weißen Blüten von Kirschpflaumen und Schlehen, denen kurz darauf Kirschen und später Birnen und Äpfel folgen. In der zweiten Monatshälfte punkten Weißdorn und Traubenkirsche ebenfalls mit der Kombination weiß und nektarreich.
Wann ist eigentlich Frühling?
Meteorologisch fängt der Frühling bereits am 1. März an. Im Kalender beginnt er dagegen erst drei Wochen später. Gar keinen festen Termin hat der sogenannte phänologische Frühlingsbeginn. Dieser richtet sich nach der Entwicklung der Pflanzen und die ist je nach Witterungsverlauf natürlich nicht immer gleich.
Dabei wird zwischen Vor-, Erst- und Vollfrühling unterschieden. Im langjährigen Mittel steht der April für den Erstfrühling, der mit dem Einsetzen der Forsythienblüte beginnt. Der Vollfrühling mit Einsetzen der Apfelblüte beginnt im langjährigen bundesweiten Durchschnitt dagegen erst Ende April. Durch die Klimakrise verschiebt sich die tatsächliche Entwicklung aber stark, so dass sich in den milden Lagen Apfelblüten immer öfter schon ab Anfang April öffnen.
Ähnlich abhängig von der Witterungsentwicklung sind die meisten Insekten. Zum einen, weil viele sich von Pflanzen ernähren und sich nach diesen ausrichten. Zum anderen, weil Insekten ihre Körpertemperatur nicht selbst regeln können. Ist es also länger zu kühl, verzögert sich auch deren Entwicklung.
Unter den Tagfaltern dominieren zunächst Zitronenfalter, C-Falter, Tagpfauenauge und Großer und Kleiner Fuchs, die alle als ausgewachsene Schmetterlinge überwintert haben. Bald gesellen sich von den häufigen Arten noch Landkärtchen, Kohlweißlinge, Grünader-Weißling und Aurorafalter hinzu. Männliche Aurorafalter sind mit ihren orangenen Flügelspitzen unverwechselbar. Bei den unscheinbaren Weibchen muss man schon etwas näher hinschauen, um sie nicht mit anderen Weißlingen oder im Flug auch mit weiblichen Zitronenfaltern zu verwechseln. Grünader-Weißling und Aurorafalter sind beide regelmäßig an Knoblauchsrauke und Wiesenschaumkraut zu finden.
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Und schon wieder die Knoblauchrauke, dieses Mal von einem Landkärtchen besucht – Foto: Helge May
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Großer Fuchs sonnt sich auf dem Boden - Foto: Helge May
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Auf den ersten Blick sieht der C-Falter dem Großen Fuchs sehr ähnlich - Foto: Helge May
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Keine Verwechslung möglich: Seinen Namen hat der C-Falter von dem kleinen weißen Mal auf der Flügelunterseite - Foto: Helge May
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Der Trauermantel ist selten geworden, hier sonnen sich gleich zwei an einem Birkenstamm - Foto: Karl-Heinz Römer/www.naturgucker.de
Hummeln gehören zu den wenigen Insekten, die in Grenzen ihre Körpertemperatur selbst regeln können. Für die richtige Betriebstemperatur ist direkte externe Energiezufuhr lebensnotwendig. Außer bei der Nahrungsaufnahme lassen sich Insekten deshalb besonders gut beim Sonne tanken beobachten, zumal sie sich dann still verhalten. Die Sonnenbank kann ein Blatt oder ein Halm sein, ein Baumstamm, eine Mauer oder der blanke Boden. Ideale Beobachtungszeit ist frühmorgens, dann sind die Tiere noch klamm. Mit erreichter Betriebstemperatur steigt bei Störung natürlich die Fluchtgefahr.
Schlechtwettertipps
Schlechtes Wetter mögen Insekten nicht wirklich. Erst recht, wenn es feucht wird, denn das erschwert das Insektenleben und auch die Gefahr von Krankheiten und Pilzbefall nimmt zu. Bei Regen wird der Flugverkehr eingestellt und viele Insekten verstecken sich. Um nun Sechsbeiner zu erleben, muss man die Strategie ändern und aktiv suchen.
Als Versteck besonders beliebt sind die Unterseiten von Blättern. Es lohnt sich unbedingt, von unten hinzuschauen oder die Blätter vorsichtig umzudrehen. Oft sitzen Käfer, Wanzen und Wildbienen auch in mehr oder minder geschlossenen Blüten. Hier sollte man sie aber nicht aufstöbern, Störungen können zu dieser Jahreszeit viel Energie kosten und die Tiere unnötig schwächen.
Warum ein Blick durchs Fernglas lohnt
Wer sich ein Fernglas anschafft, schaut dabei meist auf die Vergrößerung, die Lichtempfindlichkeit, die Verarbeitung und natürlich auf den Preis. Um per Fernglas Insekten zu beobachten, ist ein weiterer Faktor wichtig: die Naheinstellgrenze. Vor allem bei Billiggläsern liegt diese oft bei zehn Metern oder mehr, auch besondere Lichtstärke oder starke Vergrößerung wie bei Spektiven gehen zulasten der Naheinstellung. Das heißt, dass näher gelegene Objekte nicht scharf gesehen werden können. Sitzen die Heuschrecke oder der Käfer nur fünf Meter entfernt, ist das Fernglas nutzlos.
Bei guten Gläsern ist eine Naheinstellgrenze von ungefähr zwei Metern Standard. Damit wird die Insektenbeobachtung zu einem ganz neuen Erlebnis. Hauptgrund für den Fernglaseinsatz ist die geringere Störwirkung. Selbst wenn das Tier noch aus der Nähe fotografiert werden soll, lohnt sich vorab ein erster Blick aus der Ferne, bei dem sich vielleicht schon die Art erkennen lässt. Je näher man dem Insekt kommt, desto größer ist die Gefahr, dass es sich erschrocken versteckt oder wegfliegt.
Manchmal erlaubt das Gelände auch gar keine Annährung, weil es unwegsam ist, weil die Vegetation empfindlich ist oder weil man sich in einem Schutzgebiet befindet, wo die Wege ohnehin nicht verlassen werden dürfen. Selbst Insekten in Baumkronen werden so optisch erreichbar. Und schließlich ist es meist einfacher, einem Falter oder einer Libelle per Fernglas zu folgen als zu Fuß.
Nicht allzu groß ist die Fluchtgefahr bei Maikäfern. Sie lassen sich beim Fressen nicht aus der Ruhe bringen und sogar einfach in die Hand nehmen, ohne dass sie gleich Reißaus nehmen. Auch nahe Verwandte wie Trauer-Rosenkäfer oder Stolperkäfer sind eher stoisch. Obgleich sie in den Mai hinein weiterfressen, sind Maikäfer meist bereits ab Mitte April aktiv.
Märzfliegen wiederum sind auch noch den ganzen April über aktiv. Ihr Zweitname Markusfliege trifft es insofern ganz gut, denn Markustag ist erst am 25. April. Bei diesen zu den Haarfliegen gehörenden pechschwarzen Insekten erkennt man die Männchen an ihren übergroßen Augen. Ihre Paarung beginnt mit einem gemeinsamen Tanz, später sieht man Männchen und Weibchen „zusammengekoppelt“ auf Blättern sitzend.
Noch spektakulärer ist der Balzflug der verschiedenen Langhornmotten. Bei den häufigen Grünen Langfühlern vollführen die an ihren enorm langen Fühlern erkennbaren Männchen einen Gruppentanz, meist rund um Äste von Buchen, Eichen oder Ahorn. Die Weibchen fliegen einzeln hinzu, um sich mit einem der Männchen zu paaren.
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Märzfliegenpaar, links das großäugige Männchen - Foto: Helge May
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Grüne Langfühler - Foto: Helge May
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Grüne Langfühler in Paarungsstellung - Foto: Helge May
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Ende April frisch geschlüpft: Früher Schilfjäger mit Larvenhaut - Foto: Helge May
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Der voll ausgefärbte Frühe Schilfjäger erinnert an eine Mosaikjungfer, diese sind im April aber noch nicht geschlüpft.- Foto: Helge May
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Die Frühe Adonislibelle ist unverwechselbar - Foto: Helge May
Während die Paarung der Langfühler nur von kurzer Dauer ist, dauert sie bei vielen anderen Insekten stundenlang. Bei manchen Arten sitzt das kleinere Männchen auf dem Weibchen, oft sind die Geschlechter aber mit dem Hinterleib so verbunden, dass beide Tiere voneinander weg schauen. Auch wenn etwa Libellen oder Schnaken selbst in Paarungsstellung als Tandem fliegen können, ist der Fortpflanzungsakt neben dem Fressen und der Sonnenbank ein weiterer guter Zeitpunkt für die Insektenbeobachtung.
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