Distelfalter an Liguster - Foto: Helge May
Distelfalter, Azurjungfer und Widderbock
Tipps zur Insektenbeobachtung im Juni
Noch vor Bienen sind Schmetterlinge die beliebtesten Insekten. Sie wirken elegant, sind nicht bedrohlich und recht auffällig, also leicht zu entdecken und vergleichsweise gut zu bestimmen. Schaut man auf die Ergebnisse des NABU-Insektensommers, befindet sich unter den Top 10 der Juni-Zählung allerdings in der Regel kein einziger Schmetterling. Der Grund: Anfang Juni haben viele der frühen Falter ihren ersten Saisonhöhepunkt schon hinter sich und die Bestände der typischen Sommerfalter sind noch im Aufbau.
Sex auf nüchternen Magen
Zuneigung finden wir auch im Tierreich, das Konzept der romantischen Liebe haben wir Menschen aber wohl exklusiv. Das gilt erst recht für Tiere mit einer nur kurzen Lebensspanne, wie den meisten Insekten. Zudem dauert hier die Larvenphase oft länger als das „Erwachsenenleben“. Das fertige Insekt ist daher neben Nahrungsaufnahme vor allem mit Partnersuche und Fortpflanzung beschäftigt. Bei einigen anderen wird sogar im gesamten Erwachsenenleben auf Ernährung verzichtet.
Die meisten Insekten setzen bei der Fortpflanzung auf zahlreichen Nachwuchs, Wissenschaftler nennen das r-Strategie. Hohe Verluste durch Fressfeinde, Krankheiten oder Nahrungsmangel sind dabei fest eingeplant. Sind die Bedingungen gut, können sich Insekten in kurzer Zeit enorm vermehren, sind die Bedingungen schlecht, kommt es zu massiven Einbrüchen. Die Größe der Insektenbestände schwankt daher von Jahr zu Jahr stark – auch ohne Klimawandel oder Gifteinsatz. Für belastbare Aussagen zur Bestandsentwicklung sind möglichst lange Zeitreihen und möglichst viele Messpunkte nötig.
Anfang Juni führte der Kleine Fuchs die Zahl der im NABU-Naturgucker gemeldeten Arten an. Auch Kleines Wiesenvögelchen, Waldbrettspiel und Kleiner Kohlweißling wurden oft gesehen, von den Frühjahrsarten vor allem Admiral und Zitronenfalter. Und dann ist da noch ein Gast aus dem Süden, auf den Naturfreund*innen besonders achten sollten: In der Regel ab Mitte Mai werden mehr und mehr Distelfalter beobachtet. Dieser Wanderschmetterling zieht im Laufe mehrerer Generationen aus Afrika von südlich der Sahara bis nach Skandinavien und im Herbst dann wieder zurück. Die jährliche Zahl der Distelfalter schwankt allerdings sehr stark.
Im Juni macht ein weiterer Wanderfalter von sich reden, das sich kolibri-ähnlich bewegende Taubenschwänzchen. Anders als beim Distelfalter geht dessen außergewöhnlich häufiges Erscheinen aber nicht auf den Einflug aus dem Süden zurück. Vielmehr überwintern klimawandelbedingt immer mehr Taubenschwänzchen in Deutschland, vor allem am Oberrhein.
-
Blauflügel-Prachtlibelle - Foto: Frank Derer
-
Hufeisen-Azurjungfern-Paar - Foto: Helge May
-
Große Pechlibelle (Männchen) - Foto: Helge May
-
Federlibelle (Weibchen) - Foto: Helge May
-
Großer Blaupfeil (Männchen) - Foto: Helge May
-
Junges Plattbauchmännchen - Foto: Hartmut Glinkemann/www.naturgucker.de
-
Frisch geschlüpfter Vierfleck mit Larvenhaut (Exuvie) - Foto: Helge May
Die Libellensaison ist ebenfalls in vollem Gang. Längst sind nicht nur die knallrote Frühe Adonislibelle oder der Frühe Schilfjäger unterwegs. Bei den eindrucksvollen Großlibellen begegnet man jetzt vor allem Plattbauch, Vierfleck, Großem Blaupfeil und Königslibelle. Selbst die Blaugrüne Mosaikjungfer fliegt bereits, wenn auch längst nicht so zahlreich wie im Hochsommer.
Wann ist eigentlich Sommer?
Meteorologisch fängt der Sommer genau am 1. Juni an. So können die Wetterfrösche die Jahreszeiten immer in ganzen Monaten abrechnen. Im Kalender beginnt der Sommer dagegen erst drei Wochen später am 21. Juni. Gar keinen festen Termin hat der sogenannte phänologische Sommerbeginn. Dieser richtet sich nach der Entwicklung der Pflanzen und die ist natürlich nicht immer gleich. Phänologisch beginnt der Frühsommer, sobald Holunder, Robinie und Roggen blühen. Meist ist das im Flachland in den ersten Junitagen der Fall.
Ähnlich abhängig von der Witterungsentwicklung sind die meisten Insekten. Zum einen, weil viele sich von Pflanzen ernähren und sich nach diesen ausrichten. Zum anderen, weil Insekten ihre Körpertemperatur nicht selbst regeln können. Ist es also länger zu kühl, verzögert sich auch deren Entwicklung.
Bei den schlanken Kleinlibellen – Flügel im Sitzen fast immer geschlossen – ist die Hufeisen-Azurjungfer jetzt mit Abstand am häufigsten. Beim Spaziergang entlang eines Gewässerufers fliegen die gestörten Azurjungfern immer wieder auf und landen nach kurzem Schweben auf dem nächstgelegenen Grashalm oder Zweig. Bei geduldiger Annäherung lassen sie sich gut aus der Nähe betrachten. Dabei lohnt es, genauer hinzuschauen. Je nach Form der Zeichnung auf dem zweiten Hinterleibssegment – Helm, Speer, Haube, Mond oder Fledermaus –, also ganz vorne kurz vor der Brust, kann es sich nämlich auch um eine der deutlich selteneren Schwesterarten handeln. Ebenfalls häufig und gut zu erkennen sind Pechlibelle und Federlibelle, letztere anhand ihrer verbreiterten und mit langen Dornen versehenen Beine. Besonders auffällig an Fließgewässern sind die Prachtlibellen.
-
Gemeiner Widderbock auf Buchenblatt - Foto: Helge May
-
Asiatischer Marienkäfer an Klatschmohnknospe - Foto: Helge May
-
Siebenpunkt-Marienkäfer - Foto: Helge May
-
Gartenlaubkäfer - Foto: Helge May
-
Trauerrosenkäfer an Klappertopf - Foto: Helge May
-
Rosenkäfer - Foto: Helge May
-
Auch der Zweifleckige Zipfelkäfer ist eine typische Frühsommerart - Foto: Helge May
-
Wo Spargel wächst, ist das Spargelhähnchen nicht weit - Foto: Helge May
Während man bei Schmetterlingen und Libellen in der Annäherung recht vorsichtig sein muss, lassen sich die meisten Käfer kaum stören. Oft kann man ihnen ganz nah kommen, sie sogar auf den Finger nehmen. Besonders häufig sind jetzt die Asiatischen Marienkäfer und ihre grauschwarzen Larven mit den beiden orangenen Seitenstreifen. Auch wenn beide Arten übers Jahr etwa gleichauf liegen, sind Siebenpunkt-Marienkäfer im Juni etwas seltener.
Ebenfalls häufig sind die im Vergleich zu den Marienkäfern riesigen, glanzendgrünen Rosenkäfer und die etwas kleineren Trauerrosenkäfer. Tatsächlich werden Heckenrosen von den Rosenkäfern gerne besucht, auch Gartenlaubkäfer findet man dort, mit Vorliebe an den Blütenblättern knabbernd. Wer niedrig wachsende Zweige an Waldrändern absucht, wird im Juni dort die auffälligen Widderböcke finden. Das gelbe Streifenmuster auf schwarzem Grund hat ihnen auch den Namen Wespenbock eingebracht.
Schlechtwettertipps
Schlechtes Wetter mögen Insekten nicht wirklich. Erst recht, wenn es feucht wird, denn das erschwert das Insektenleben und auch die Gefahr von Krankheiten und Pilzbefall nimmt zu. Bei Regen wird der Flugverkehr eingestellt und viele Insekten verstecken sich. Um nun Sechsbeiner zu erleben, muss man die Strategie ändern und aktiv suchen. Als Versteck besonders beliebt sind die Unterseite von Blättern, ob nun von Brennnesseln oder von Eichen. Es lohnt sich unbedingt, von unten hinzuschauen oder die Blätter vorsichtig umzudrehen. Oft sitzen Käfer, Wanzen und Wildbienen auch in mehr oder minder geschlossenen Blüten.
Wer sonst vor allem bunten Faltern nachjagt oder laut brummenden Holzbienen, wird an einem dichten Krautsaum oder einem niedrig hängenden Zweig zunächst einmal nur ein grünes Nichts sehen. Das Auge muss sich erst an die feinen optischen Unterschiede gewöhnen, um auch dort Insekten zu erkennen.
-
Rosenblattläuse - Foto: Helge May
-
Brennnessel-Röhrenschildläuse - Foto: Helge May
-
Wo es Blattläuse gibt, sind Blattlausjäger wie Marienkäfer und Florfliegen (im Bild), beziehungsweise deren Larven nicht weit - Foto: Helge May
-
Tropfengallen der Buchengallmücke Mikiola fagi - Foto: Helge May
-
Die sehr große Galle der Eichenschwammgallwespe (Biorhiza pallida) - Foto: Helge May
-
Auch an Kräutern kommen Gallen vor, hier welche der Gallmücke Geocrypta galii an einem Labkraut - Foto: Helge May
Zu den ohnehin nicht besonders auffälligen Insekten gehören die zahlreichen Blattlausarten. Leider sehen sie sich oft sehr ähnlich und selbst die Identifikation der Wirtspflanze hilft bei der Lausbestimmung nicht immer. Noch relativ „sicher“ sind die wahlweise roten oder grünen Großen Rosenblattläuse, die weißen Brennnessel-Röhrenschildläuse und die hochspezialisierten Rindenläuse, etwa an Eichenzweigen oder an Birken.
Noch weniger störanfällig sind die Bewohner von Gallen in Blättern oder Stielen. Oft verbergen sich darin Insekten, etwa Gallwespenlarven oder winzige Blattlauskolonien. Ort und Form der Galle in Verbindung mit der Pflanzenart lässt in vielen Fällen eine genaue Bestimmung zu. An verbreiteten Baumarten wie Buche, Eiche, Linde, Ulme oder Ahorn findet man fast immer Gallen. Besonders auffällig sind die tropfenartigen Gallen der Buchengallmücke und die roten Hörnchengallen auf den Lindenblättern. Letztere werden allerdings von Gallmilben verursacht und dies sind keine Insekten, sondern Spinnentiere.
Vorher und nachher: Tipps für Mai und Juli
Natürlich findet zum Monatsbeginn in der Natur kein Schichtwechsel statt, Entwicklungen hängen zudem von Klima und Wetter ab. Andererseits macht ein Monat im kurzen Insektenleben viel aus, nicht nur bei Eintagsfliegen. Während die Larvenphase einiger Insekten mehrere Jahre dauern kann, leben erwachsene Sechsbeiner oft nur wenige Wochen. Mehr →
Zwei Mal pro Saison, im Juni und August, ruft der NABU zu Insektensommer-Zählungen auf. Doch die bunte Vielfalt der Sechsbeiner lässt sich fast das ganze Jahr über erleben – mit immer wieder neu gemischtem Artenspektrum. Wir werfen einen Blick auf den Juli, die Zeit zwischen den Insektensommer-Etappen. Mehr →
31. Mai bis 9. Juni: Insektensommer 2024
Insekten beobachten, an einer bundesweiten Aktion teilnehmen und dabei die Natur vor der eigenen Haustür besser kennenlernen – all das vereint der „Insektensommer“. Ob Falter, Biene, Käfer oder Libelle: Ab dem 2. August geht es in die nächste Zählrunde. Mehr →
Verwandte Themen
Gäbe es das Internet noch nicht, für die Insektenbestimmung müsste es erfunden werden. Im Web findet die ganze Insektenvielfalt Platz, neues Wissen wird schnell umgesetzt und Expert*innen leisten gerne Hilfe. Wir geben Tipps für Insektenfreund*innen und solche, die es werden wollen. Mehr →
In mehreren Bildergalerien bieten wir eine Übersicht über die häufigsten heimischen Marienkäfer-Arten vom Zweipunkt bis zum 24 Punkte zählenden Luzerne-Marienkäfer. Weitere Bilder zeigen Marienkäferlarven. Mehr →
Weltweit gibt es rund 40.000 Wanzenarten, in Deutschland sind es knapp 1.000. Tendenz zunehmend, denn der Klimawandel lässt südliche Arten wie die Hasel-Randwanze, die Grüne Reiswanze oder die Lindenwanze ihr Areal stark nach Norden ausdehnen. Mehr →
Für den Menschen sind Florfliegen und andere Netzflüglerartige harmlos, auch wenn zu sehr drangsalierte Larven mal zwicken können. Die ausgewachsenen Insekten lassen sich am besten im Frühling beobachten. Mehr →
Blattläuse sind schweigsame Tierchen. Sie reden wenig. Eigentlich gar nicht, soweit wir das beurteilen können. Dennoch vermögen sie sich mitzuteilen, gegenüber Ameisen zum Beispiel. „Achtung, bitte unbedingt mal den Hintern abwischen!“, lautet so eine typische Blattlaus-Mitteilung. Mehr →
Gallen sind Gewebe-Wucherungen. Im Prinzip reagiert das Pflanzengewebe auf eine Verletzung, etwa durch Biss oder Stich. Alleine in Deutschland gibt es mehrere Tausend verschiedene Gallen. Meist sind es Wespen, Fliegen, Blattläuse oder Milben, die die Gallen verursachen. Mehr →