Tut, also ob sie stechen könnte, ist aber nur Täuschung: Hornissenschwebfliege (= Große Waldschwebfliege) auf Grauer Skabiose - Foto: Helge May
Immer mehr Gezirpe, immer mehr Geflatter
Tipps zur Insektenbeobachtung im Juli
-
-
Grüne Stinkwanzen bei der Paarung. Von dieser sehr häufigen Art sind oft Larven und erwachsene Tiere gleichzeitig unterwegs. - Foto: Helge May
-
Roter Kopf mit großen Augen: Brackwespe aus der Gattung Antanycolus - Foto: Helge May
-
Wo Insekten sind, lauern auch Tiere, die Insekten fressen: Glanzkrabbenspinne mit erbeuteter Biene. - Foto: Helge May
Linden sind in Deutschland die häufigsten Straßen- und Alleebäume. Wer Anfang Juli unter einer solchen Lindenallee hergeht, hört es kräftig summen und brummen. Es ist Blütezeit, unzählige Insekten schwirren in den Baumkronen, darunter Bienen und Hummeln. Wenn die Sommerlinden ihre Blüten öffnen, fängt laut phänologischem Kalender offiziell der Hochsommer an. Am Oberrhein ist das meist bereits unmittelbar nach Ende der ersten Insektensommer-Etappe Mitte Juni der Fall. Bis zum Monatsende blühte es auch in den Mittelgebirgslagen sowie an der Küste, rund zwei Wochen nach der Sommerlinde setzt dann die Blüte der Winterlinden ein.
Ideal für die Insektenbeobachtung sind Linden allerdings nicht. Vom geschäftigen Leben oben in den Baumkronen hört man viel und sieht wenig. Wo also sonst schauen? Wer einen Garten hat, muss da nicht lange überlegen. Mit etwas Kenntnis und Umsicht lässt sich auch ein kleiner Garten so insektenfreundlich gestalten, dass er mit vielen natürlichen Lebensräumen mithalten kann.
Insektenbesuch im Garten
Im Garten beginnt jetzt die hohe Zeit der Sommerstauden. Und soweit es sich um ungefüllte Blüten handelt, ist Insektenbesuch garantiert. Das können Rittersporne sein, Kandelaber-Ehrenpreis oder Boretsch aus dem Nutzkräuterbeet. Spannend sind Lippenblütler wie Ziest, Betonie und Knollen-Platterbse. Besonders beliebt sind Ziest und Betonien bei Wollbienen, die hier nicht nur Nahrung finden, sondern in Form von abgeschabten Pflanzenhaaren auch Baumaterial. Knollen-Platterbsen wiederum ziehen Hummeln und Holzbienen magisch an, auch Glockenblumen sind bei ihnen beliebt. Wer die spektakulären Taubenschwänzchen anlocken möchte – sie fliegen 2022 in ungewöhnlich großer Zahl –, sollte auf Flammenblumen (Phlox), Fuchsien oder Sommerflieder setzen.
-
Eindrucksvolle Gartenbesucherin: Die vor allem im Osten verbreitete Borstige Dolchwespe auf Mannstreu. - Foto: Helge May
-
Wärmeliebend: eine Bienenwolf-Goldwespe auf Rainfarn- Foto: Helge May
-
Gesellige Rüssel-Rotdeckenkäfer auf Giersch - Foto: Helge May
-
Schwefelkäfer auf Graukresse - Foto: Helge May
-
Rote Weichkäfer auf Gewürz-Kälberkropf. Ihre Zeit kommt jetzt langsam, im August findet man sie in großer Zahl. - Foto: Helge May
Korbblütler wie die Artischocke werden von Taubenschwänzchen ebenfalls gerne angeflogen. Damit wären wir bei einer Pflanzengruppe, die jetzt „draußen“ an Wegrändern, auf Brachen und Magerrasen ihre große Zeit hat. Dazu gehören Disteln und Kratzdisteln aller Art, Flockenblumen und Rainfarn. Hinzu kommen Doldenblütler wie Wilde Möhre, Wiesen-Bärenklau und Pastinak. Letztere sind mit ihren offenen Scheibenblüten ideal für Insekten mit kurzen Mundwerkzeugen, also etwa Fliegen, Schwebfliegen oder Käfer. Auch Bienen und Wespen tummeln sich dort, sie kommen aber mit vielen Blütentypen zurecht. Im Zweifelsfall tauchen sie halt ganz weit in die Blüten ein. Schmetterlinge haben dank ihrer langen Rüssel mit tief liegenden Nektarquellen ohnehin keine Probleme.
Aus- und Einwechslungen bei den Weißlingen
Neben Bienen und Hummeln sind Schmetterlinge wohl die beliebtesten Insekten. Hier hat sich im Verlauf der Sommerwochen einiges verschoben. 2024 ist als Schmetterlingsjahr nur schleppend angelaufen, aber nun sind doch mehr Schmetterlinge unterwegs als im Juni. Das liegt daran, dass viele der typischen Frühjahrsarten bereits mit der zweiten Generation des Jahres aufwarten. Dazu gehören unter anderem Admiral, Tagpfauenauge, Zitronenfalter und Kleiner Fuchs. Grünader-Weißlinge machen sich zunächst etwas rar, aber hier beginnt ebenfalls Stück für Stück die Sommergeneration zu fliegen. Dagegen ist bei den Aurorafaltern bereits Saisonende, die Nachkommen veringen den Rest des Jahres als Puppen.
-
Resedafalter (Resedaweißling) auf Graukresse – Foto: Helge May
-
Großer Kohlweißling im Garten an Betonie (Heilziest) - Foto: Helge May
-
Kleiner Feuerfalter im Garten - Foto: Helge May
-
Landkärtchen aus der dunkel gefärbten Sommergeneration auf einer Zaunwinde - Foto: Helge May
-
C-Falter aus der Sommergeneration im Garten - Foto: Helge May
Stark im Kommen sind Kleiner und Großer Kohlweißling. Sie werden bei der zweiten Zähletappe des Insketensommers deutlich vorrücken. Wer genau hinschaut, wird unter den Weißlingen vor allem im Osten auch die unterseits grünlich gemusterten Resedaweißlinge entdecken. Eher im Süden und Westen kann man auf Karstweißlinge treffen. Ihre schwarzen Flügelmarkierungen sind etwas eckiger als bei den Kohlweißlingen. Diese Mittelmeerart findet man in Deutschland erst seit wenigen Jahren, Nachweise gibt es inzwischen aus der ganzen Republik.
Ebenfalls weitgehend in schwarz-weiß, aber kein Weißling, ist das Schachbrett. Dieser Sommerfalter mit nur einer Generation pro Jahr ist erst seit Ende Juni unterwegs, ähnlich das in vielen Regionen recht häufige Große Ochsenauge. Bläulinge wie den Kleinen Feuerfalter und den Faulbaumbläuling kann man dagegen dank mehrerer Generationen im Jahr schon seit dem Frühling sehen.
Wenn Libellen zutraulich werden
Einen relativ späten Start ins Jahr haben viele Libellen. Hier ist jetzt deutlich mehr Verkehr im Luftraum als noch Anfang Juni. Wenn man sie nicht gerade noch etwas steif im Frühtau aufspürt, sind Arten wie die Mosaikjungfern allerdings kaum mal in Ruhe zu betrachten. Bessere Chancen gibt es bei vorsichtiger Annährung bei manchen Heidelibellen. Andere, wie Blaupfeil und Plattbauch, sonnen sich gerne auf ruhigen Feldwegen, auch weitab vom nächsten Gewässer.
-
Männlicher Großer Blaupfeil beim Sonnenbad - Foto: Helge May
-
Blutrote Heidelibelle (Männchen) - Foto: Helge May
-
Hufeisen-Azurjungfern-Paar; grünlich das Weibchen, blau das Männchen - Foto: Helge May
-
Große Pechlibelle (Männchen) - Foto: Helge May
-
Federlibelle (Männchen) - Foto: Helge May
-
Weibliches Grünes Heupferd - Foto: Helge May
-
Roesels Beißschrecke (Männchen) - Foto: Helge May
-
Winzige Grashüpferlarve. Die genaue Art ist in diesem Entwicklungsstadium nicht bestimmbar. - Foto: Helge May
Vergleichsweise gut stehen die Chancen bei Kleinlibellen wie Azur- und Becherjungfern, Granataugen, Pechlibellen oder Federlibellen. Gerade letztere schweben mehr, als dass sie fliegen, und lassen sich so mit dem Auge gut bis zur nächsten Landung verfolgen. Unabsichtlich aufgestöberte Libellen kehren oft nach kurzer Zeit wieder an den alten Ruheplatz zurück. Wer sich in der kurzen Zwischenzeit nicht bewegt, wird auch nicht mehr als Störung empfunden. Beobachtungen aus allernächster Nähe sind dann der Lohn.
Auch bei Regenwetter: Insektenbestimmung mithilfe von Gallen und Minen
Selbst wenn es regnet, was ja 2024 sehr regelmäßig vorkommt, gibt es Gelegenheit, Insekten kennenzulernen. Viele Sechsbeiner verstecken sich dann zwar. Damit bleiben aber immer noch Minen und Gallen. Das sind Spuren, die Tiere an Pflanzen hinterlassen, so typisch, dass sich damit bestenfalls die Tierart genau identifizieren lässt.
Minen sind Fraßspuren. Nicht unterirdisch wie eine Kohlemine, sondern meist an Blättern. Die Larven von Fliegen oder Kleinschmetterlingen fressen sich durch ein Blatt, aber nur durch die obere oder untere Schicht, so dass keine Löcher, sondern eine meist geschlängelte Fraßspur entsteht. Es gibt zwar auch Insekten, die wenig wählerisch sind. Die Kombination von angefressener Pflanzenart und Form der Mine ist aber oft eindeutig.
Noch vielfältiger sind Pflanzengallen. Neben Insekten können vor allem Milben – sie gehören zu den Spinnen – Verursacher sein. Durch Bisse oder Stiche unter Abgabe von Enzymen werden die Pflanzen stimuliert, um Eier und Larven der Verursacher herum Gallen auszubilden. Das kann von einfachen Schwellungen bis hin zu völlig bizarren Gebilden reichen. Wieder ist es die Kombination aus Pflanzenart und Erscheinungsbild, die die Täter überführt. Botanische Grundkenntnisse sind also unabdingbar. Eine Galle nur einem „Strauch“ oder einer „Blume“ zuzuordnen, wird leider nicht zum Ziel führen.
Minen-Identifikation ist oft Detektivarbeit. Diese beiden englischsprachigen Websites helfen, hier kann man sich die Minierer nach Pflanzenarten anzeigen lassen: Plant Parasites of Europe, British Leafmines.
Obwohl einige Arten recht gute Flieger sind, bewegen sich die meisten Heuschrecken eher hüpfend durch die Vegetation. Haupt-Heuschreckenmonat ist der August, also pünktlich zur zweiten Insektensommer-Etappe. Aber auch im Juli kommen schon erwachsene Schrecken vor. Während ein Monat zuvor nur die Feldgrillen zu hören waren, macht sich nun neben Heupferden vor allem Roesels Beißschrecke mit sirrendem Dauergesang bemerkbar. Eine bei Laien weitgehend unbekannte, aber dennoch häufige, weil anspruchslose Art. Viele andere Schrecken, wie die typischen Grashüpfer, sind aktuell nur in verschiedenen Larvenstadien zu finden, die keine Laute von sich geben.
Tipps für Juni und August
Beim „Insektensommer“ werden die meisten Beobachtungen im Garten gemacht. Doch auch an Wiesen und Wegrändern, an Hecken oder im Wald lassen sich die Sechsbeiner erforschen. Wir geben Tipps, welche spannenden Arten Anfang Juni unterwegs sind – und wie man selbst bei schlechtem Wetter fündig wird. Mehr →
Für viele Insekten ist der August der Höhepunkt des Jahres. Die Wespen- und Hornissenvölker erreichen ihre volle Größe, bei den meisten Tagfaltern fliegt die zweite oder auch schon dritte Generation, überall tummeln sich Heuschrecken. Und dann wären da noch die vielen Wanzen, Zikaden, Fliegen... Mehr →
Verwandte Themen
Ob Städtereise, Wandertour oder Badeferien: Auch im Urlaub müssen Naturfreund*innen nicht auf den Insektensommer verzichten. Insekten gibt es überall und eine Stunde Zeit für die Beobachtung von Schmetterlingen, Käfern oder Hummeln lässt sich immer einplanen. Mehr →
Mit der kostenlosen Web-App „NABU Insektensommer“ lassen sich viele der in Deutschland heimischen Insekten per KI-Bilderkennung bestimmen und per Smartphone bei der Mitmachaktion „Insektensommer“ melden. Mehr →
Gäbe es das Internet noch nicht, für die Insektenbestimmung müsste es erfunden werden. Im Web findet die ganze Insektenvielfalt Platz, neues Wissen wird schnell umgesetzt und Expert*innen leisten gerne Hilfe. Wir geben Tipps für Insektenfreund*innen und solche, die es werden wollen. Mehr →
Gehören Sie zu den Naturfreunden, die nach einem Ausflug ins Grüne mit Notizzetteln nach Hause kommen, um dann später ihre Naturbeobachtungen zu dokumentieren? Melden Sie jetzt bequem online und erhalten Sie Zugriff auf Tier- und Pflanzendaten aus aller Welt. Mehr →
Insekten spielen eine wichtige Rolle in der Natur. Als Bestäuber für viele Pflanzen oder als Nahrung für verschiedene Tiere wie Igel oder Vögel. Wir geben jede Menge konkrete Tipps, wie man die kleinen Nützlinge in den eigenen Garten locken kann. Mehr →
Für Gartenbesitzer, die bei sich zuhause Schmetterlinge erleben wollen, hat NABU-Experte Rainer Ulrich eine Schmetterlingsspirale entworfen. Gebaut wird sie wie eine normale Kräuterspirale, bepflanzt aber mit Hornklee sowie weiteren Saug- und Futterpflanzen. Mehr →