Fakten zum Insektenschwund – und wie man helfen kann
Was sind die Gründe für das Insektensterben und was kann man dagegen tun? Hier finden Sie die Antworten. Mehr →
Die Insektenvielfalt in Deutschland nimmt seit Jahrzehnten rapide ab, selbst in Naturschutzgebieten. Doch was sind die Gründe dafür und wie kann diese verheerende Entwicklung aufgehalten werden? Das ist Gegenstand des interdisziplinären Forschungsprojekts DINA, das im April 2023 beendet worden ist.
„Die Betroffenheit war groß, als vor sechs Jahren das Ausmaß des dramatischen Rückgangs der Insektenvielfalt öffentlich wurde. Doch es fehlte an Daten, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten und in einen positiven Trend umzukehren. DINA hat hierbei die bislang umfangreichste Datenbasis zur Anzahl und Vielfalt fliegender Insektenarten in den ausgewählten Schutzgebieten in Deutschland geschaffen. Wesentliche Treiber des Biodiversitätsverlustes wurden untersucht – etwa negative Umwelteinflüsse durch den Pestizideinsatz oder die Zerstörung von Lebensräumen. Das Forschungsprojekt leistet damit einen wichtigen Beitrag bei der Ausgestaltung politischer Rahmenbedingungen und ist richtungsweisend für die künftige Erforschung der Pflanzen- und Insektenwelt.“ – Prof. Dr. Gerlind Lehmann, DINA-Projektleiterin beim NABU
Das Projekt schlos sich an die Krefelder Studie an, die vor sechs Jahren weltweit für großes Aufsehen sorgte. Das besorgniserregende Ergebnis damals: Über einen Zeitraum von 30 Jahren ist die Biomasse der Fluginsekten in Schutzgebieten um rund 75 Prozent zurückgegangen. Auch heute sieht es nicht besser aus. Vier Jahre lang haben acht wissenschaftliche Institutionen unter Leitung des NABU untersucht, was das Insektensterben verursacht und und was dagegen unternommen werden kann. Forscher*innen untersuchten dabei die wesentlichen Gründe, warum die biologische Vielfalt immer weiter abnimmt. Dabei haben sie nachgewiesen, dass auch die Anzahl von Insekten in Schutzgebieten schrumpft.
Die zentralen Ergebnisse im Überblick:
Das Forschungsprojekt hat mit Hilfe sogenannter Malaise-Fallen, die in 21 Naturschutzgebieten und Flächen des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 aufgestellt wurden, die Vielfalt von Fluginsekten erfasst.
„Ausgehend von den 2017 vom Entomologischen Verein Krefeld veröffentlichten Insektenbiomassen ist aktuell keine Erholung der Biomassen für die Jahre 2020 und 2021 feststellbar und der Trend zu einem niedrigen Stand kann deutschlandweit bestätigt werden. Angrenzende konventionell bewirtschaftete Ackerflächen wirken sich zudem nachteilig auf das Vorkommen gefährdeter Pflanzenarten in benachbarten, geschützten Lebensräumen aus.“ (Thomas Hörren, EVK - Entomologischen Verein Krefeld)
Eine bedeutende Zahl von Ackerflächen befindet sich innerhalb und in unmittelbarer Nachbarschaft von Naturschutz- und Natura-2000-Gebieten. Bisher werden diese Ackerflächen in der Regel konventionell bewirtschaftet. In den Schutzgebieten konnten eine Veränderung der Vegetation und negative Randeffekte nachgewiesen werden. Da die untersuchten Insekten außerdem einen größeren Aktionsradius haben, als bisher angenommen, bedeutet das auch, dass die unmittelbare Umgebung von Schutzgebieten einen großen Effekt auf sie hat.
In allen untersuchten Schutzgebieten konnten Pestizide an Insekten nachgewiesen werden. In der Nähe von Flächen, die landwirtschaftlich intensiv genutzt wurden, stieg die Anzahl der Pestizide an. Aufgrund des Aktivitätsradius der Fluginsekten erfolgt die Belastung mit Pestiziden vor allem außerhalb der Schutzgebiete.
Der Verlust an Insektenvielfalt ist alarmierend. Um den negativen Trend umzukehren, braucht es jetzt verbindliche Grundlagen, um die Insekten zu schützen.
„Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zeichnen ein alarmierendes Gesamtbild: Selbst in Naturschutzgebieten schreitet der Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen ungebremst voran. Mitverantwortlich dafür sind Pestizide und eine nicht-naturverträgliche Landnutzung“, sagt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Damit die Trendumkehr beim Insektensterben gelingen könne, müsse die Belastung durch Pestizide in der gesamten Landschaft halbiert werden. In den besonders sensiblen Schutzgebieten gehöre ihr Einsatz untersagt. „Zudem müssen wir Safe-Spaces für Fluginsekten schaffen – etwa durch Pufferstreifen und zusammenhängende Biotop-Netze“, fordert er.
Damit die Gebiete auch wirklich geschützt sind, muss auch die umliegende landwirtschaftliche Fläche einbezogen werden. Die Ergebnisse des Projekts zeigen, dass Randeffekte und Umwelteinflüsse mit bis zu zwei Kilometer Radius auf die Schutzgebiete wirken.
Der Erhalt der biologischen Vielfalt muss gegenüber der Landnutzung stärker priorisiert werden. Das bedeutet auch, dass Ackerflächen innerhalb von Schutzgebieten dem Erhalt artenreicher Ackerbiotope dienen müssen.
Forschungsgrundlagen schaffen: Um die Risiken für die Insekten besser einschätzen zu können, brauchen wir ein dauerhaftes Monitoring und Pestizidanalysen. Auf Grundlage der gewonnenen Daten lassen sich charakteristische Arten der geschützen Gebiete identifizieren und damit besser schützen.
Priorität sollten die Flächen haben, die als besonders schützenswert eingestuft sind sowie gefährdete Ackerbiotoptypen.
Mehr Dialog: Damit die Schutzmaßnahmen auf lokaler Ebene wirksam umgesetzt werden können, müssen alle Beteiligsten aus Landschaftspflege, Landwirtschaft, Naturschutz, Politik und Zivilgesellschaft für das Thema sensibiliert und in Planung und Umsetzung einbezogen werden.
Dieser Dialog muss staatlich gefördert werden, um auf lokaler Ebene passende Maßnahmen durchführen zu können. Es es wichtig, die Relevanz der biologischen Vielfalt als unsere Lebensgrundlage zu vermitteln.
Die wissenschaftliche Studie fand im Rahmen des NABU-Forschungsprojektes DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) von Mai 2019 bis April 2023 statt, das vom NABU wissenschaftlich geleitet wurde. Neben dem IÖR (Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung) und EVK (Entomologischer Verein Krefeld) gehörten fünf weitere Hochschulen und Forschungsinstitute zum Projektverbund. Gefördert wurde DINA durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der FONA-Strategie (Forschung für nachhaltige Entwicklung).
Kontakt:
Prof. Dr. Gerlind Lehmann (Projektleitung)
Gerlind.Lehmann@NABU.de
Tel. +49 (0)172.18 16 420
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