Mauereidechsen sind oberseits meist unscheinbar graubraun gefärbt. Die Unterseite kann weiße, gelbe oder rötliche Töne zeigen.
Stein und Wein
Die Mauereidechse im Porträt
War da was? „Eine Schlange, Mami, eine Schlange!“ Meist sind es die Kinder, die sie entdecken. Viele erwachsene Besucher des Bonner Botanischen Gartens können ausdauernd entzückt die Kartäusernelken oder Goldhaarastern betrachten und gehen dann weiter, ohne die tierischen Mitbewohner wahrgenommen zu haben. Tatsächlich war und ist da was. Keine Schlangen allerdings, sondern – man achte auf die Beine – Mauereidechsen.
Vor allem in den unverfugten Natursteinmauern und in der Miniatur-Felsenlandschaft der sogenannten Biotopanlage tummeln sich die braun gemusterten Reptilien. Sie sonnen sich regungslos und tauchen bei Störungen blitzschnell in Ritzen oder Spalten ab. Ist die Luft wieder rein, kehren sie bevorzugt zum alten Platz zurück.
Helfende Hände
Mauereidechsen sind Schnecken-, Insekten- und Spinnenjäger. Aus Wein machen sie sich vermutlich nichts. Dennoch deckt sich ihre Verbreitung bei uns weitgehend mit den wichtigsten Weinanbaugebieten. Rheinland-Pfalz plus angrenzende Regionen, um es grob zu sagen, vom Oberrhein bis hoch nach Bonn. Die Tiere im Botanischen Garten allerdings haben es nicht aus eigener Kraft dorthin geschafft. 1999 wurden dort einige wenige Exemplare aus dem nahegelegenen Ahrtal ausgesetzt. Auch wenn städtische „Beutegreifer“ wie Hauskatzen ihnen beständig nachstellen, haben sie sich inzwischen auf mehrere Dutzend vermehrt.
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Der Schwanz macht rund zwei Drittel der Gesamtlänge der Mauereidechse aus. Die Tiere wirken dadurch sehr schlank.
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Bei Angriffen können die Tiere den Schwanz an einer „Solbruchstelle“ abwerfen, ohne dass eine ernsthafte Wunde entsteht. Der Schwanz wächst verkürzt wieder nach.
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Mauereidechse im Botanischen Garten Bonn. Die Tiere können hier in der Regel von Mitte März bis in den Oktober hinein beobachtet werden.
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Idealer Sekundärlebensraum der Mauereidechse: Kleinparzellierte Weinberge an der Ahr mit unverfugten Schiefermauern.
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Mauereidechse in mit Drahtgeflecht gesicherter Weinbergsmauer im Ahrtal.
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Ebenfalls an der Ahr: An dieser verfugten Stützmauer findet die Mauereidechse keinen Unterschlupf mehr.
Natürliche Feinde der schlanken Mauereidechsen sind vor allem Greife, Krähen und Neuntöter. Auch die Schlingnatter weiß vor allem junge Maurereidechsen als Mahlzeit zu schätzen. Anders als die Vögel kann sie die Beute bis in die Spalten und Erdlöcher hinein verfolgen. Andererseits sind Mauereidechsen in der Lage, Schlingnattern anhand ihres Geruchs zu erkennen und Reißaus zu nehmen.
Wie alle wechselwarmen Tiere ist die Mauereidechse stark temperaturabhängig. Anders als die unmittelbare Verwandtschaft kann man Mauereidechsen bei sonnigem Wetter aber selbst in den Wintermonaten im Freiland beobachten. Sie unterbrechen dann die eigentlich von Oktober bis März reichende Winterruhe. Im Frühjahr werden zuerst die Männchen munter und starten ihre Revierkämpfe. Die Weibchen tauchen einige Wochen später auf und wählen sich dann anhand von Aussehen und Geruch ihre Partner. Bei optimalem Verlauf schlüpft der Nachwuchs bereits sechs Wochen nach der Eiablage und hat dann genügend Zeit, Energiereserven für den Winter aufzubauen.
Zweit- und Drittlebensräume
Echte ursprüngliche Wildnis ist rar in Deutschland. Mauereidechsen findet man deshalb vor allem an Kulturstandorten wie Weinbergen. Doch deren Bewirtschaftung ändert sich, Effizienz und maschinelle Bearbeitung sind Trumpf, die Weinberge werden „aufgeräumt“. Um darauf aufmerksam zu machen, hat die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) die Mauereidechse zum „Reptil des Jahres 2011“ gewählt.
Nach dem Zweitlebensraum Weinberg werden schotterreiche Gleisanlagen und Böschungen als Drittlebensraum immer wichtiger. Dabei stößt die Mauereidechse, ob per Anhalter im Güterwagen oder von wohlmeinenden „Naturfreunden“ ausgesetzt, auch in ganz neue Regionen vor. Im Ruhrgebiet zum Beispiel gibt es inzwischen zahlreiche Vorkommen und im südhessischen Hanau wurde 2008 wegen Bauarbeiten eine Population von immerhin 2000 Tieren aus der Innenstadt in einen alten Steinbruch umgesiedelt.
Freies Klettern
Fünf oder doch 15? Wenn Zoologen die Größe von Tieren beschreiben, meinen sie meistens die sogenannte Kopf-Rumpf-Länge, also nur den Körper ohne Extremitäten und was da sonst noch sein könnte. So gesehen misst eine ausgewachsene Mauereidechse gerade mal fünf bis sieben Zentimeter. Im Ganzen betrachtet, kommen die Tiere dank ihres langen Schwanzes aber auf 15 bis 20 Zentimeter – also Kopf-Rumpf-Länge mal drei.
Der lange Schwanz ist nicht nur dazu da, wie auch bei anderen Eidechsenarten an einer „Sollbruchstelle“ blutungsfrei abgebissen zu werden, er dient vor allem als Balancier- und Kletterhilfe. Auch der flache Körper und die kräftigen Beine helfen der Mauereidechse, sich an Felsen anzuschmiegen. Dabei kann sie sich mit ihren dünnen, langen Zehen selbst in den kleinsten Unebenheiten festkrallen. Oft sieht man die Tiere nahezu senkrecht ausharren.
Typisch für Mauereidechsen ist der ebenfalls flache, in der Draufsicht dreieckige Kopf. Rund um das Mittelmeer gibt es zahlreiche verschiedene, oft recht bunte Mauereidechsenarten. Unsere „gewöhnliche“ Mauereidechse hat das größte Verbreitungsgebiet von allen, es reicht von Griechenland bis in die Niederlande. Die einzelnen Populationen können sich in der Färbung deutlich unterscheiden. Meist sind die Tiere unscheinbar graubraun, es kommen aber auch grün angehauchte Tiere vor und welche mit leuchtend blauen Flecken. Besonders vielfältig, mit weißen, gelben oder rötlichen Tönen, kann die Unterseite sein.
Auf kleinstem Raum
Mauereidechsenreviere sind nur rund 25 Quadratmeter groß. Hier sollte dann vom Nahrungsangebot über die Sonnenbank bis zum Eiablageplatz und sicheren Verstecken möglichst alles vorhanden sein.
Die Mauereidechse ist EU-weit streng geschützt. Sie ist bei uns nicht vom Aussterben bedroht, aber durch den zunehmenden Schwund ihrer Lebensräume gefährdet. Weinberge werden totgespritzt, Mauern verfugt, Ausweichstandorte wie alte Gleisanlagen überwuchert. Giftfrei arbeitende Ökowinzer und in der Biotoppflege anpackende Naturschützer sind deshalb die besten Freunde der Mauereidechse. Dabei sollten Felsen, Mauern oder Schotter aber nie völlig freigelegt werden, denn Brombeer- oder Efeuranken sowie Krautsäume gehören zum perfekten Eidechsenbiotop dazu.
von Helge May
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