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Am unteren Neckar kümmert sich der NABU um die seltene Äskulapnatter
Am Rand der kurz gemähten Wiese hat ein Wespenbussard ein Erdwespennest entdeckt und halb ausgegraben. Geschäftig bemühen sich einige Wespen, die schweren Schäden zu reparieren. Fünfzig Meter weiter, ein Stück den Hang hinunter Richtung Neckar, sitzt ein Neuntöter in einer Hecke und ruft herüber.
Es ist ein schöner Tag Ende Juni, ein Tag zum in der Sonne liegen. Aber von der Äskulapnatter keine Spur. Das muss wohl der Vorführeffekt sein. Schließlich ist Wärme tanken für die schlanken, gelbbraunen Schlangen lebenswichtig, damit sie auf Betriebstemperatur kommen. Und die Stelle am Rand einer Obstwiese mit alten Feldsteinmauern gilt als sicherer Platz, so Andreas Quell und Gerhard Eppler vom NABU-Kreisverband Bergstraße.
Vom Aussterben bedroht
Biologen haben die Tiere durch schmerzlose Einkerbungen an den Bauchschuppen markiert und so zählen können. Mehrere hundert Äskulapnattern leben hier im südlichsten Zipfel Hessens rund um Hirschhorn am Neckarufer und in kleinen, nach Norden in den Odenwald hinein reichenden Tälern. Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Äskulapnatter kümmert sich der NABU intensiv um den Schutz der Schlangen.
Nur an zwei weiteren Stellen kommt die Äskulapnatter in Deutschland noch vor, nämlich isoliert im südlichen Rheingau rund um Schlangenbad im Taunus und an den Donauhängen bei Passau als Ausläufer der österreichischen Populationen. Diese drei Gebiete sind so weit voneinander entfernt, dass kein Austausch mehr möglich ist. Lediglich die Würfelnatter ist bei uns noch seltener.
Harmlose Kämpfe
Die Äskulapnatter ist die mit Abstand größte einheimische Schlangenart. Allerdings überschätzen Laien, die die Schlange in Bewegung erleben, die Länge oft. Die Tiere am Neckar messen in der Regel um 120 Zentimeter, erwachsene Männchen meist sogar anderthalb Meter. Das bisher längste Exemplar brachte es auf knapp 180 Zentimeter. Damit sind Äskulapnattern gewöhnlich immerhin doppelt so lang wie Kreuzottern und auch größer als die noch häufigeren Ringelnattern.
Während letztgenannte Arten bereits im März ihre Winterquartiere verlassen, traut sich die Äskulapnatter erst Ende April oder Anfang Mai hervor. Da heißt es nicht viel Zeit zu verlieren. Besonders die Männchen sind schnell paarungsbereit. Treffen zwei Männchen aufeinander, versuchen sie sich gegenseitig auf den Boden zu drücken. Die Kämpfe sind jedoch harmlos; der Schwächere gibt nach und trollt sich.
Zur Eiablage sucht die weibliche Äskulapnatter Plätze mit leicht feuchter Gärwärme auf, zum Beispiel moderndes Gras, Komposthaufen im Garten oder auch Sägemehlhaufen. Gerne genutzt wurden früher Pferdemisthaufen, die die Bauern an den Rändern ihrer Äcker lagerten.
Die Jungschlangen sind beim Schlüpfen bereits rund 30 Zentimeter lang. In ihrem ersten Lebensjahr sieht man sie kaum, denn die Äskulapnattern gehen ab Oktober, manchmal sogar bereits im September in die Winterruhe. Als frostfreie Winterquartiere dienen häufig tief liegende Mäusegänge, als Sommerquartiere auch hohle Baumstümpfe ebenso wie Bienenstöcke, Keller oder Gartenhäuser mit morschen Böden.
Geschickte Kletterer
In ihren wenigen aktiven Sommermonaten ernährt sich die Äskulapnatter vor allem von Mäusen. Aber auch Vögel und Eidechsen stehen auf dem Speiseplan. Die für den Menschen harmlose Natter ist eine Würgeschlange. Langsam schleicht sie sich an ihre Beute an, packt dann fest zu, umwickelt das Tier blitzschnell und erstickt es so. Danach wird die Beute Kopf voran verschlungen.
Äskulapnattern hören ausgezeichnet – genauer: sie nehmen mit dem Innenohr Erschütterungen wahr, Trommelfell und Außenohr fehlen nämlich –, riechen wie alle Schlangen sehr gut und sind gewandte Kletterer. Andreas Quell erzählt, dass die Seitenschuppen der Äskulapnatter so rau sind, dass man sich beim Darüberstreichen mit der Hand verhakt. Die Schlange kann so fast senkrecht Bäume hoch klettern und dort in Vogelnestern Beute machen. Gerne durchstreift sie auch Mäusegänge und spürt dort Jungmäuse in ihren Nestern auf. Eine solche Mahlzeit reicht dann für ein paar Tage.
Schlange als Kulturfolgerin
„Die Äskulapnatter ist eine sehr vorsichtige Schlange. Wenn sie aus der Deckung kommend eine offene Fläche überquert, zum Beispiel eine frisch gemähte Wiese, kann sie sich erst einmal wie eine Kobra aufrichten, um die Lage zu peilen“, hat Andreas Quell beobachtet. Andererseits scheint sich die Schlange in der Nähe des Menschen wohl zu fühlen. Gerne sonnt sie sich in den Gärten der Neckarorte. Gerade erst war eine Äskulapnatter unter den losen Platten eines Garagendachs angetroffen worden. Aber auch hier lässt sie sich bei der Nachsuche später an diesem Tag nicht blicken.
Natürliche Feinde der Äskulapnatter sind Wildschweine, Marder und Greifvögel, für Jungtiere auch Krähen und Igel. Ihr schlimmster Feind aber ist wie so oft der Mensch. Der Handel mit den geschützten Nattern blüht, Terrarianer zahlen unter der Hand 150 Euro pro Tier. Nähert man sich einer Äskulapnatter langsam, flieht sie nicht, sondern bleibt vorsichtig liegen. „Die Äskulapnattern werden weniger gefangen, als vielmehr gepflückt“, beklagt Gerhard Eppler das illegale Treiben. Selbst bei rund 2000 NABU-Mitgliedern im Kreis Bergstraße ist es nicht möglich, die bekannten Fundorte der Schlangen rund um die Uhr im Auge zu haben. Immerhin stehen für alle Teilvorkommen auf hessischer und auf baden-württembergischer Seite Betreuer zur Verfügung, die auch die traurige Aufgabe haben, an Bahnstrecken und Straßen nach Verkehrsopfern unter den Äskulapnattern zu suchen.
Schutzmaßnahmen laufen an
Die Vorkommen im hessisch-badischen Grenzgebiet sind altbekannt. Aktiv geschützt werden sie aber erst seit wenigen Jahren. Einen deutlichen Aufschwung nahmen die Bemühungen erstmals in den achtziger Jahren durch die Kartierungen und Untersuchungen von Michael Waitzmann, der später unter anderem mit NABU-Mann Peter Sandmaier die Arbeitsgemeinschaft Äskulapnatter gründete. Die regionalen Verbände sorgten mit zahlreichen Unterschutzstellungsanträgen für die Ausweisung wichtiger Fundorte als Naturschutzgebiete.
Geld für die Erstellung und Umsetzung von Pflegeplänen fließt seitens der Naturschutzbehörden erst seit dem Jahr 2006. In den Jahren zuvor haben NABU und BUND daher erste kleine Flächen aufgekauft, der NABU Bergstraße trommelt seine Aktiven regelmäßig zu Pflegeeinsätzen zusammen. Viele Landwirte geben die Bewirtschaftung von Hanglagen auf. „Wir müssen jetzt die Rolle der Bauern übernehmen, damit die Äskulapnatter weiterleben kann“, resümiert Andreas Quell. Mauern zerfallen oder verbuschen und müssen wiederhergestellt werden. Wiesen und Brachen sind zu mähen, neue Eiablageplätze müssen geschaffen werden.
Aufklärung tut not
Eine weitere zentrale Gefahr für die Äskulapnatter ist immer noch die – unbegründete – Angst der Menschen. Vor allem neu hinzugezogene Bewohner fürchten sich und schlagen im Zweifelsfall die Tiere tot. Aufklärung tut also weiter not. Der NABU-Kreisvorsitzende Gerhard Eppler will dabei auch bei der Jugend ansetzen: „Lehrer wie Schüler sind für die Äskulapnatter leicht zu begeistern.“
Helge May
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