Setzen Sie sich mit uns dafür ein, die Vielfalt unserer Tier- und Pflanzenwelt für unsere Kinder und Enkelkinder zu bewahren.
Jetzt spenden!Handlungsempfehlungen zur Freilandarbeit in und an aquatischen Lebensräumen
Erstellt vom NABU-Bundesfachausschuss Feldherpetologie/Ichthyofaunistik
Infektionskrankheiten sind Bestandteil natürlicher Interaktion zwischen Organismen. Zu den Erregern (Pathogenen) gehören Viren, Bakterien und andere Einzeller sowie Pilze und Flechten. Diese haben sich häufig im Laufe der Zeit mit ihren Wirten entwickelt und sind auch Motoren der Evolution. Allerdings hat der Mensch heute die Umwelt auf vielfältige Weise so verändert, dass Krankheitserreger zu einem Gefährdungsfaktor geworden sind. Dazu gehört der weltweiten Tierhandel, durch den auch eine Verbreitung von Pathogenen gefördert wird, ebenso wie der Klimawandel, der die Bedingungen für die Ausbreitung von Pathogenen begünstigt oder die Bedingungen von Amphibienpopulationen negativ beeinflusst. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Stressfaktoren (zum Beispiel Agrochemikalien), welche die Fähigkeit von Amphibien schwächen, mit Pathogenen „fertig zu werden“.
Pathogene – eine „neue“ Gefahr?
Heute ist klar, Pathogene gehören zu den wichtigsten Faktoren des weltweiten Amphibiensterbens. Auch wenn die Forschung insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten zu enormen Zuwächsen an Kenntnis über Amphibienkrankheiten geführt hat, so wissen wir heute noch immer vergleichsweise wenig über die Auswirkungen vieler Krankheitserreger und die aktuelle Betroffenheit heimischer Amphibienpopulationen.
Pathogene können an Individuen nachgewiesen werden, ohne dass diese im Einzelfall erkranken. Ob die Krankheit bei einem Individuum ausbricht, hängt neben den bereits erwähnten allgemeinen Faktoren auch von der Aggressivität des Pathogens, dem individuellen Ernährungszustand, dem Status des Immunsystems, dem Lebensalter und dem allgemeinen Gesundheitszustand ab. Bei der sogenannten Prävalenzrate spricht man von dem Anteil der Population beziehungsweise der untersuchten Tiere, bei denen das Pathogen nachgewesen werden konnte, unabhängig davon, ob es eine Erkrankung der betroffenen Individuen hervorgerufen hat, oder nicht. Diese Handlungsempfehlungen beschränken sich zunächst auf die drei am besten bekannten und nach allgemeinem Kenntnisstand für Deutschland relevanten Pathogene, die beiden Chytridpilze Bd und Bsal sowie die Ranaviren aus der Familie der Iridioviren.
Pathogene vorgestellt
Bd – Batrachochytridium dendrobatidis
Seit einigen Jahren wird weltweit über den Amphibien-Chytridpilz (Batrachochtytrium dendrobatidis - kurz genannt Bd) im Zusammenhang mit dem globalen Amphibiensterben berichtet, da diese Infektion zum Auslöschen ganzer Amphibienpopulationen und Arten geführt hat. Bd tritt weltweit auf, über seine Ausbreitung gibt es unterschiedliche Hypothesen. Bd wird bei Froschlurchen (Frösche, Kröten und Unken) und bei Schwanzlurchen (Molche und Salamander) nachgewiesen. Nach derzeit vorliegenden Erkenntnissen ist der Erreger deutschlandweit verbreitet, ohne dass es bislang zu bekannten Bestandseinbrüchen gekommen wäre. Anders ist die Situation in anderen Teilen Europas, wo bereits Massensterbeereignisse zum Beispiel bei Geburtshelferkröte, Feuersalamander und Erdkröte aufgetreten sind. Offenbar sind nicht alle Amphibienarten gleichermaßen betroffen und auch innerhalb des Areals einzelner Arten können große Unterschiede auftreten. Einige Arten sind sogar Bd-tolerant beziehungsweise Bd-immun, darunter der Teichfrosch und der Kleine Wasserfrosch. Der optimale Temperaturbereich von Bd liegt bei 17 bis 25 Grad Celsiuis. Die von Chytridpilzen wie Bd verursachte Krankheit wird Chytridiomykose genannt. Chytridiomykose wurde 1998 erstmals in Australien und Südamerika festgestellt, wo die Krankheit Massensterben bei Amphibien verursacht hat.
Bsal – Batrachochytridium salamandrivorans
Der Hautpilz Batrachochytridium salamandrivorans (kurz Bs oder Bsal) wurde erst im Jahr 2013 wissenschaftlich beschrieben. Der nach derzeitiger Kenntnis erst vor wenigen Jahren mit dem Lebendtierhandel aus Asien eingeschleppte Pilz wurde seit seiner Entdeckung in Europa bei einer Reihe von Schwanzlurch-Arten prävalent gefunden, ein-schließlich der auch in Deutschland vorkommenden Arten Bergmolch, Kamm-Molch, Fadenmolch und Teichmolch). Anlass der Entdeckung war ein Massensterben in einer der letzten niederländischen Populationen des Feuersalamanders im Jahr 2010 in Süd-Limburg und die pathologische Untersuchung der tot aufgefundenen Tiere. Weitere Ausbrüche in Belgien, den Niederlanden und Deutschland sind dokumentiert, darüber hinaus bei in Terrarien gehaltenen Tieren in Deutschland, Großbritannien und in der Schweiz.
Die verendenden Tiere sitzen tagsüber an der Oberfläche und sind dadurch relativ gut zu finden bzw. werden von Spaziergängern gemeldet. Dokumentierte Massensterbeereignisse traten bislang „nur“ beim Feuersalamander auf, auch wenn Bsal prävalent unter anderem bei Bergmolchen gefunden wurde. Der optimale Temperaturbereich von Bsal (10 bis 15 Grad Celsius) unterscheidet sich von Bd (17 bis 25 Grad Celsius). Im Unterschied zu Bd verursacht Bsal im späten Stadium deutlich sichtbare Hautulzerationen, anders als Bd frisst Bsal buchstäblich Löcher in die Haut – der durch die Medien verbreitete Name „Salamanderfresser“ ist also durchaus passend.
Die Schweiz reagierte bereits mit einem vorübergehenden Einfuhrverbot für asiatische Schwanzlurche, die USA verboten Anfang 2016 den Import fast aller nicht-nordamerikanischen Molch- und Salamanderarten sowie den Transport und Handel innerhalb des Landes. In Belgien, den Niederlanden und auf EU-Ebene erfolgen aktuell Abstimmungen zu Handelsbeschränkungen bis hin zum Verbot der Einfuhr von Salamandern und Molchen.
Ranavirus (Iridioviridae)
Im Gegensatz zu vielen bakteriellen Erregern und Pilzen, die oft einen sehr begrenzen Kreis von Wirten befallen (die Wirtsspezifität reicht dabei von art- oder gattungsspezifisch bis hin zur Spezifität auf eine ganze Tierklasse), befinden sich unter den Iridioviren und darunter auch der Gattung Ranavirus Formen, die sowohl Amphibien, als auch Fische und Reptilien (also das gesamte Spektrum exothermer Wirbeltiere) befallen können.
Kennzeichnend für virale Erreger ist, dass sie sich in relativ kurzen Zeiträumen verändern und neue Stämme bilden können. Das von Ranaviren ausgehende Gefährdungspotenzial ist noch immer unzureichend erforscht. Es gibt Hinweise dass zum Beispiel in Großbritannien ein Bestandseinbruch beim Grasfrosch binnen weniger Jahrzehnte mit hohen Prävalenzraten von FV3-Ranaviren in Verbindung steht. Drei Ranaviren sind aktuell bekannt, die Amphibien infizieren können: FV3 (Frog Virus 3), ATV (Ambystoma tigrinum Virus) und BIV (Bohle Iridovirus). Lediglich FV3-ähnliche Viren wurde bislang bei einer Reihe europäischer Arten in verschiedenen europäischen Staaten nachgewiesen – auch in Deutschland –, darunter Erdkröte, Geburtshelferkröte und Teichmolch.
Die Übertragungs- und Ausbreitungswege von Chytridpilzen und Ranaviren sind noch unzureichend erforscht. Bekannt ist, dass alle drei Pathogene durch direkten Kontakt sowie durch Wassertransport verbreitet werden können. Ranaviren sind darüber hinaus auch auf vollständig abgetrockneten Substraten noch fähig, Wirte zu infizieren.
Weder Panikmache noch Ignoranz werden dem Problem gerecht
Als Amphibienschützer sollten wir besonnen mit Pathogenen umgehen und die bisweilen durch Medien geschürte Hysterie nicht zum Maßstab unseres Handelns machen. Uns ist bewusst, dass wir als Amphibienschützer nur eine Minderheit unter den in der Landschaft aktiven Menschen sind. Dennoch kann man nur für ein Problem überzeugend sensibilisieren, wenn man selbst mit gutem Beispiel voran geht und nicht unbeabsichtigt selbst Pathogenen zur weiteren Ausbreitung verhilft und wichtige praktische Amphibienschutzmaßnahmen in Verruf bringt. Daher ist bei der Freilandarbeit an und in Gewässern sowie an Amphibienschutzzäunen die sorgfältige Einhaltung minimaler Hygieneanforderungen geboten.
Handlungsempfehlungen
Um eine weitere Verbreitung dieser Pathogene zu verhindern oder zumindest nicht als Amphibienschützer unbeabsichtigt zu ihrer Verbreitung beizutragen, empfiehlt der NABU-BFA Feldherpetologie/Ichthyofaunistik folgende Maßnahmen bei der Arbeit in und an aquatischen Lebensräumen sowie bei Amphibienschutzmaßnahmen an Straßen:
Fließgewässer immer stromabwärts begehen
Grundsätzlich sollte man bei der Arbeit an Fließgewässer, die Strecke immer in Fließrichtung begehen. So kann man verhindern, dass man Krankheitserreger aus dem Unterlauf in den Oberlauf überführt. Gerade wenn es im Gewässer noch Barrieren in Form von unüberwindbaren Querbauwerken (Wehen, Staustufen) gibt. Zudem kann es weitere Krankheitserreger auch für Fische und Flusskrebse im Unterlauf geben, so beispielsweise die Krebspest, welche bei Infektion zum Erlöschen ganzer Flusskrebspopulationen führt.
Nicht mehrere Gewässer / unterschiedliche Lebensräume an einem Tag aufsuchen
Bei der Freilandarbeit sollte man darauf achten, dass man nicht mehrere Gebiete, die räumlich voneinander getrennt sind an einem Tag aufsucht (zum Beispiel nicht zuerst in einen Steinbruch und danach an einen Waldtümpel oder von Steinbruch zu Steinbruch wechseln, sowie nie zwischen mehreren Fließgewässern wechseln). Sollte dies dennoch erforderlich sein, sollte man die nachfolgend beschriebenen Hygienemaßnahmen beachten.
Tiere nur in die Hand nehmen wenn notwendig
Man sollte an einem Gewässer nur Tiere fangen und in die Hand nehmen, wenn dies unbedingt erforderlich ist (auch Genehmigungspflicht beachten!). Es kann vorkommen, dass innerhalb eines Gewässers nur einzelne Tiere oder Arten mit Erregern infiziert sind.
Hygienemaßnahme: Mehrere Ausrüstungssätze
Die sicherste Form der Vorbeugung ist, dass man für jedes Gewässer oder zumindest jeden voneinander weiter entfernten Gewässerkomplex (die Entfernung richtet sich danach, ob es zu Individuen-Austausch zwischen den einzelnen Gebieten kommt beziehungsweise ob die Populationen voneinander isoliert sind) eine eigene Ausrüstung benutzt. Hierzu zählen alle Gegenstände, die mit Wasser in Berührung kommen können (Schuhe/Stiefel, Kescher, Becherlupe, Eimer, Reusen). Denken Sie beim Wechsel der Materialien auch daran, sich die Hände zu desinfizieren, sonst könnten Sie Erreger von den Händen auf die „frischen“ Materialien übertragen.
Hygienemaßnahme: Desinfektion
Wenn man mehrere Gewässer an einem Tag aufsuchen muss und nicht mehrere Sätze an Ausrüstung zum Austausch zur Verfügung hat, hilft die Desinfektion der einzelnen Materialien.
Ein nicht stark umweltgefährdendes Desinfektionsmittel, das man auch während der Feldarbeit anwenden kann, ist Virkon S (Wirkstoff Kaliummonopersulfat). Allerdings ist Virkon S für Gewässerorganismen toxisch, daher darf man die Desinfektion nicht unmittelbar am Gewässer durchführen und muss die desinfizierte Ausrüstung anschließend gut von Rückständen des Desinfektionsmittels gereinigt werden. Dieses von den Universitäten für die Arbeit im Umgang mit Amphibien empfohlene Desinfektionsmittel bewährte sich bereits für die Desinfektion von Bd und ist einfach über das Internet oder über Apotheken zu beziehen sowie im Vergleich zu anderen Mitteln kostengünstig. Bei der Anwendung mischt man zwei Gramm des Pulvers pro Liter Leitungswasser. Die Mischung kann man bereits zu Hause herstellen und abfüllen.
Desinfizieren muss man alle Gegenstände die mit dem Gewässer in Berührung gekommen sind (Schuhe/Stiefel, Kescher, Becherlupe, Eimer, Reusen). Dazu taucht man die Gegenstände für fünf Minuten in die Lösung und spült danach die Gegenstände mit neutralem Leitungswasser wieder ab. Die Lösung ist nach der Mischung rund eine Woche haltbar und kann mehrfach verwendet werden.
Hygienemaßnahmen: Austrocknen oder Erhitzen
Eine weitere Möglichkeit ist das vollständige Austrocknen der benutzten und mit dem Wasser in Berührung gekommenen Gegenstände. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Material in dem Sohlprofil von Stiefeln und Schuhe komplett durchgetrocknet sein muss und auch Kescher etwas länger brauchen zum kompletten Durchtrocknen. Das Austrocknen tötet zwar die Pathogene Bd und Bsal ab, allerdings nicht Ranaviren – hier hilft nur desinfizieren oder erhitzen!
Das Auskochen oder starkes Erhitzen der Ausrüstung tötet Pathogene zuverlässig. Zumindest Chytridpilze und Ranaviren werden bereits bei 5minütigem Erhitzen auf mindestens 60 Grad Celsius getötet beziehungsweise degeneriert.
Besondere Vorsicht bei der Amphibienwanderung
Bei der Amphibienwanderung gilt besondere Vorsicht, da hier an den Schutzzäunen und in den Fangeimern größere Mengen von Amphibien in kürzester Zeit auf engem Raum zusammenkommen können. Grundsätzlich sollte man es während der Amphibienwanderung vermeiden, an mehreren örtlich voneinander getrennten Zäunen zu helfen und Tiere anzufassen. Ist dies dennoch erforderlich, sollte man Einmalhandschuhe pro Zaun verwenden und die notwendigen Hygienemaßnahmen durchführen. Sollten kranke oder tote Tiere bei der Wanderung am und um den Zaun festgestellt werden, sollte man gegebenenfalls die Fangeimer gründlich nach getaner Arbeit desinfizieren und ausspülen.
Auffälligkeiten melden
Die Krankheiten und Krankheitsbilder sind nicht oder kaum mit dem bloßen Auge an den Amphibien feststellbar. Sollten Ihnen jedoch mehrere tote Amphibien am und im Gewässer auffallen oder sonstige Auffälligkeiten der Tiere (etwa sichtbare Hautgeschwüre, Hautablösungen ohne Verletzungseinwirkung und Ähnliches) melden Sie uns dies bitte mit Angaben zu Ort mit Koordinaten, Datum und Uhrzeit, Name und Kontakt des Finders, gerne auch mit Belegbildern.
Meldungen an: Tom Kirschey, Tom.Kirschey@NABU.de, Tel. 0172-3863968 und – für Bayern – an Philipp Wagner, P-Wagner@LBV.de, Tel. 0177-7448055.
Wir möchten mit dieser Handlungsempfehlung nicht vor der weiteren Arbeit mit Amphibien abschrecken, sondern in erster Linie eine Hilfestellung im Umgang mit den derzeit auftretenden Pathogenen geben. Die Maßnahmen sollen die unbeabsichtigte Verbreitung von Krankheitserregern bei der Amphibienkartierung und praktischen Amphibienschutzmaßnahmen verhindern.
Sascha Schleich, Tom Kirschey, Philipp Wagner und Holger Buschmann für den NABU-Bundesfachausschuss Feldherpetologie/Ichthyofaunistik
Der als „Salamanderfresser“ bekannte Pilz Batrachochytrium salamandrivorans ist nun auch in Deutschland im Freiland nachgewiesen. Betroffen sind das Belgenbachtal, die Weiße Wehe und das Solchbachtal – alle in der Eifel. In Belgien und den Niederlanden sind zudem Berg- und Teichmolche an dem Pilz gestorben. Mehr →
Straßenverkehr, Klimawandel und ein tödlicher Hautpilz machen dem Feuersalamander das Leben in Deutschland schwer. In Bayern, wo die Art als gefährdet gilt, soll ein Hilfsprogramm die Lebensbedingungen für die Tiere verbessern. Mehr →
Die Haut ist für Amphibien ein besonders wichtiges Organ. Durch sie nehmen sie Flüssigkeit ebenso wie Mineralien auf. Der die Amphibienhaut angreifende Chytridpilz gilt deshalb als Mitverursacher des Amphibiensterbens. Mehr →