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Ein Pilz bedroht Kröten und Frösche
Man kennt das ja vom Schwimmbad: Einmal nicht richtig aufgepasst und schon hat man diesen unangenehmen Fußpilz an den Hacken. So ähnlich geht es auch vielen Kröten und Fröschen. Neben zahlreichen schon länger bekannten Krankheitserregern haben sie immer häufiger mit einem Pilz zu kämpfen, der die oberen Hautschichten befällt.
In vielen Fällen endet dies tödlich. Die Haut ist für Amphibien ein besonders wichtiges Organ. Durch sie nehmen sie Flüssigkeit ebenso wie Mineralien auf, geben aber auch Abfallstoffe ab. Sie atmen sogar über die Haut. Der erst 1998 entdeckte Pilz Batrachochytrium dendrobatidis – kurz Chytridpilz, noch kürzer BD – gilt deshalb vor allem in den Tropen als Mitverursacher des weltweiten Amphibiensterbens.
Lebendiger Schwangerschaftstest
Inzwischen ist der Chytridpilz im Freiland auch schon aus Spanien, Italien, der Schweiz, Deutschland und Großbritannien nachgewiesen. Niemand weiß sicher, woher er stammt und wie er zu uns gekommen ist. Ein BD-Fund auf einem alten Museumsexemplar eines Krallenfrosches legt nahe, dass die Heimat des Pilzes Südafrika ist. Krallenfrösche wurden einige Zeit als „Apothekerfrösche“ für Schwangerschaftstests verwendet – impft man einen Krallenfrosch mit dem Urin einer schwangeren Frau, entwickelt dieser Eier – und weltweit exportiert.
Der Handel mit Amphibien ist auf jeden Fall eine wesentliche Quelle der BD-Verbreitung. In Deutschland ist nach Einschätzung des auf Amphibien und Reptilien spezialisierten Tierarztes Frank Mutschmann die sogenannte Chytridiomykose bei Terrarientieren inzwischen die häufigste Todesursache. Mutschmanns Berliner Labor gelang im Jahr 2000 bei frisch aus Costa Rica importierten Pfeilgiftfröschen der europäische Erstnachweis von Batrachochytrium dendrobatidis.
Nicht immer tödlich
Der Pilzbefall muss nicht zwangsläufig zu einer tödlichen Erkrankung führen. Es ist offen, wie gefährlich der Pilz für unsere heimischen Arten ist und ob es möglicherweise verschieden gefährliche Pilz-Stämme gibt. In Europa kam es bisher lediglich in Zentralspanien zu einem regionalen Massensterben von Geburtshelferkröten und Feuersalamandern.
Frank Mutschmann vermutet, dass BD vielen Amphibien mit intakten Abwehrkräften und guten Umweltbedingungen nichts anhaben kann. Erst Stress, Klimaänderungen oder auch die Kombination mit anderen Erregern führen dann zum Ausbruch der Krankheit. So zeigen sich Ochsenfrösche, die in südamerikanischen Farmen zur Froschschenkel-Produktion gezüchtet werden, sowohl gegenüber BD wie auch dem hochgefährlichen Rana-Virus unbeeindruckt. Erst bei Doppelbefall von BD und Rana-Virus erkranken und sterben die Ochsenfrösche.
Nachweis per DNA-Analyse
Am sichersten lässt sich der Chytridpilz im Labor nachweisen, wobei ein DNA-Stückchen wie bei einem Strichcode identifiziert wird. Der Pilz bereitet auch den ehrenamtlichen Amphibienschützern Sorgen. „Wir sehen die Gefahr, dass unsere vollen Fangeimer eine hervorragende Ansteckungsquelle darstellen“, erläutert Karl-Heinz Fuldner vom NABU Bad Sobernheim an der Nahe.
Als im Vorjahr an einem der Bad Sobernheimer Krötenzäune ein starker Rückgang der wandernden Tiere zu verzeichnen war, wollten es die NABU-Aktiven genau wissen. Sie ließen an allen Zäunen bei Hinwanderern, später noch einmal im Laichgewässer und ein drittes Mal bei Rückwanderern Tupferproben nehmen und analysieren. Ergebnis: Die Bad Sobernheimer Amphibien sind BD-frei, der örtliche Bestandsrückgang muss also andere Ursachen haben.
Schwindende Vielfalt
Der deutsche Lurch hat es nicht leicht. Überall lauern Gefahren. Als Frosch oder Kröte wird man wahlweise vom Storch gefressen, vom Mäher zerstückelt oder von Autoreifen zerquetscht. Gleichzeitig bleibt immer weniger Raum zum Leben, Wiesen werden trockengelegt, Teiche zugeschüttet. Im globalen Maßstab jedoch sind die zwei Dutzend heimischen Arten nur Peanuts. Je wärmer und feuchter die Weltgegend wird, desto mehr verschiedene Kröten, Frösche, Unken, Molche und Salamander gibt es. So mancher Hektar Regenwald beherbergt mehr Arten als ganz Mitteleuropa. 5.800 Amphibienarten sind bisher bekannt und wissenschaftlich beschrieben.
Allerdings nimmt die Lurch-Vielfalt deutlich ab. Alleine in den vergangenen 25 Jahren sind 34 Arten ausgestorben, weitere 130 Arten gelten als verschollen. Forscher sprechen von einem „neuartigen Amphibiensterben“, soll heißen: über die genauen Ursachen wird noch gerätselt. Ganz wesentlich ist natürlich der Lebensraumverlust, gerade tropische Regenwälder werden in enormem Umfang abgeholzt. Eine unerwartete Rolle spielt zudem ein winziger, erst vor zehn Jahren entdeckter Pilz namens Batrachochytrium dendrobatidis, der die Amphibienhaut angreift. Vor allem in Australien und Südamerika rottet er Populationen und ganze Arten aus. Inzwischen wurde der Pilz auch bei uns nachgewiesen.
Amphibiensterben melden
Um mehr über die Verbreitung von BD in Deutschland und sein Gefährdungspotenzial zu erfahren, startet nun ein Dreijahresprojekt, an dem das Museum für Naturkunde Berlin, die Charité, die Humboldt-Universität, die Naturschutzstation Rhinluch und das Labor Mutschmann zusammenarbeiten. Wer ein gehäuftes Amphibiensterben ohne erkennbare Todesursache beobachtet, kann sich an das Projekt wenden.
Solange vor Ort kein BD nachgewiesen ist, hält Frank Mutschmann am Amphibienzaun spezielle Sicherungsmaßnahmen nicht für nötig. Wer allerdings mehrere Zäune betreut oder für Forschungszwecke mehrere Amphibienteiche ansteuert, sollte grundsätzlich seine Gummistiefel und Gerätschaften desinfizieren – nicht nur wegen BD. Als Öko-Desinfektionsmittel bietet sich zum Beispiel Per-Essigsäure an: „Das stinkt zwar gewaltig, zerfällt aber umweltverträglich zu Essig.“
von Helge May
Extra: Langfassung einschließlich Adressen und Links
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