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Amphibien als Beute von Iltissen, Krähen, Reihern und Waschbären
Zu Millionen machen sich im Frühjahr Kröten, Frösche und Molche auf den Weg an die Laichgewässer und zu tausenden helfen ihnen dabei Naturfreunde, Straßen gefahrlos zu überqueren. Doch Massenansammlungen von Tieren rufen immer auch Fressfeinde auf den Plan, ob nun amerikanische Lachse, afrikanische Antilopen oder europäische Amphibien unterwegs sind.
Immer wieder finden die Amphibienschützer deshalb bei ihren Einsätzen tote und angefressene Erdkröten, Gras- und Moorfrösche sowie stellenweise auch Molche. Oft sind die Tiere stark verstümmelt, es fehlen die Gliedmaßen, die Haut ist auseinandergerissen oder einem Handschuh gleich umgestülpt. Trotz schwerster Verletzungen leben viele der Amphibien noch und versuchen davonzukriechen oder bewegen sich, wenn man sie berührt.
Innereien und Hinterschenkel bevorzugt
„Um Ufer lagen fast hundert tote, zerhackte Kröten und Frösche“, schildert Achim Schumacher vom NABU Düren einen aktuellen Fall. „Es schien, als ob jemand die Haut vom Rücken abgezogen hätte und an ein bestimmtes Organ wollte, vielleicht die Leber.“ Tatsächlich werden von einigen Fleischfressern nach einiger Zeit gezielt nur noch die „besten Stücke“ verzehrt, weil der Tisch so reichlich gedeckt ist.
Als Täter infrage kommen eine ganze Reihe Säugtiere und Vögel – von Igeln und Mardern, Iltissen, Füchsen und Fischottern über Raben- und Nebelkrähen, Eichelhäher und Möwen, Graureiher und Weißstörche bis zu Eulen und Greifen wie dem Mäusebussard. Oft ist es nicht möglich, Verletzungs- und Fraßbilder eindeutig einem bestimmten Beutegreifer zuzuordnen. „Nahezu alle Beobachtungen weisen ähnliche Spuren auf“, erläutert Uwe Manzke, Leiter des Amphibienschutzprojekts „Ein König sucht sein Reich“ beim NABU-Regionalverband Hannover. „Es werden nur Teile der Amphibien gefressen, bevorzugt Innereien und die Muskelstränge der Hinterbeine.“ Die giftige Haut der Erdkröten und der Laich von Erdkröten- oder Braunfroschweibchen dagegen wird praktisch immer verschmäht.
Bussarde und Ratten auf Krötenjagd
Am sichersten gelingt ein Nachweis, wenn man die Täter in flagranti ertappt. In Berlin konnte NABU-Artenschutzreferent Jens Scharon einen Mäusebussard beobachten, der sich auf die Jagd von wandernden Erdkröten spezialisiert hatte. „In der Nähe des Laichgewässers bezog er abends seine Sitzwarte und jagte gezielt wandernde Erdkröten am Boden. Er öffnete die Haut bauchseitig und fraß die Kröten aus. Die ausgefressenen Häute blieben liegen.“
In Gevelsberg (Ennepe-Ruhr-Kreis) wiederum waren es „eindeutig Wanderratten, die an einem Regenrückhaltebecken hunderte Kröten angefressen hatten“, berichtet Michael Schüngel vom örtlichen Arbeitskreis Natur- und Umweltschutz. Auch Monika Bub vom Forstamt Pfälzer Rheinauen konnte nach einigen „Nachtwachen“ Wanderratten als Verursacher identifizieren. Als gute Schwimmer erbeuten Ratten die Amphibien nicht nur an Land, sondern auch im Wasser. Ähnliches gilt für den Iltis. Der Marder mit der typischen braun-weißen Gesichtsmaske wurde wiederholt beobachtet, wie er auf Erdkröten zu schwamm, kurz vor diesen abtauchte und dann von unten zupackte.
Die Zeit der Krötenwanderungen von Februar bis April trifft genau mit der Fortpflanzungszeit des Iltisses zusammen. Iltisse legen sich gerne in Verstecken Nahrungsvorräte an und können bei Überangebot geradezu in einen Tötungsrausch geraten. Rolf Kuhn und Hans-Dieter Bast schildern zwei eindrucksvolle Fälle aus dem Raum Rostock. An einem Amphibienzaun wurden innerhalb eines guten Monats 230 tote Lurche gefunden, vor allem Erdkröten. Dies entsprach einem Zehntel der insgesamt am Zaun erfassten Tiere.
Frischfleisch-Vorrat für den Iltis
An einer weiteren Stelle wurden an einem Weiherufer sogar 600 tote und verletzte Gras- und Moorfrösche sowie 27 zerbissene Ringelnattern gefunden. Die Kröten wiesen an Hals und Nacken typische lochförmige Bissstellen mit einem Reißzahnabstand von 15 Millimetern auf. Die Bisse hatten die Tiere bewegungsunfähig gemacht, vielfach aber nicht getötet. Auf diese Weise bleiben die Erdkröten später in der Vorratskammer noch lange am Leben und verderben nicht.
Die Liste der Amphibienfresser wäre nicht vollständig ohne einige Neubürger in der heimischen Tierwelt wie Bisamratte, Amerikanischer Nerz (Mink) und Waschbär. So berichtet Otfried Wüstemann in der Jahresschrift für Feldherpetologie des NABU Sachsen, dass 2001 Waschbären an einem Feuerlöschteich in Wernigerode fast die Hälfte der dort laichenden Erdkröten töteten: „Überall am Gewässerrand lagen bis zu den Vorderbeinen aufgefressene Kröten und zum Teil auch von innen nach außen gekehrte Erdkrötenhäute, an denen meist nur noch Teile des Kopfes und der Wirbelsäule verblieben waren. Die Waschbären hatten scheinbar gelernt, die Erdkröten durch geschickten Einsatz ihrer Vorderpfoten von der lästigen Haut zu befreien.“
Wildschweine am Amphibienzaun
In besonderen Fällen können auch Wildschweine auf den Geschmack kommen und die Amphibienkonzentration an Schutzzäunen als willkommene Quelle für hochwertiges tierisches Eiweiß nutzen. Einen Fall aus dem Mittelharz bei Benneckenstein schildert ebenfalls Otfried Wüstemann. Auch hier waren von den Opfern nur die Haut und Teile des Skeletts zu finden. Wahrscheinlich bearbeiteten die Wildschweine die leicht zu erbeutenden Erdkröten durch vorsichtiges Zerkauen so, dass sie das Fleisch der Kröten regelrecht aus der ungenießbaren Haut heraus lutschten. Teils suchten die Schweine sogar gezielt die Fangeimer auf.
Nicht immer waren bei lädierten und getöteten Amphibien Fraßfeinde am Werk. Das Ursachenspektrum reicht von Verletzungen durch Baumfällarbeiten oder sonstigen Maschineneinsatz im Winterquartier bis zu Verätzungen durch Dünger, Brandkalk oder Pestizide aus der Landwirtschaft. Arndt Kleinherbers beobachtete bei Wesel am Niederrhein, „wie Erdkröten von einem salzhaltigen Dünger angegriffen wurden. An der feuchten Haut der Tiere klebten die Düngerkörner und sofort begann das Salz sich an der Amphibienhaut zu lösen und fraß sich gleich regelrecht ein.“ Oberflächliche Hautwunden können auch von Pilzbefall oder Parasiten herrühren.
Verkehrstod der anderen Art
Vor einigen Jahren fand Prof. Dietrich Hummel von der Uni Braunschweig in Windkanaltests außerdem heraus, dass der von Autos auf der Straße erzeugte so genannte Strömungsdruck Amphibien auch ohne Direktkontakt töten kann. Je größer die Geschwindigkeit der Autos, desto stärker der Druck. Die Kröten und Frösche erleiden inneren Verletzungen. Typisches Zeichen ist die aus dem Maul heraushängende Zunge, oft zusammen mit anderen Organen wie der Lunge. Dazu kommen aufgeblähte Körperstellen, vor allem auf dem Rücken.
Manche Tiere, so Uwe Manzke, werden auch hochgewirbelt und unter das Bodenblech geschleudert. Bei anwandernden „Doppeldeckern“, also Weibchen mit Männchen huckepack, lösen die Männchen die Umklammerung und man findet dann oft beide Geschlechter nebeneinander auf der Straße liegen. Erreichen die Tiere noch das Laichgewässer, können sie der Bauchhöhlen-Verletzungen wegen meist nicht mehr abtauchen und treiben an der Wasseroberfläche.
Helge May
- Infos und Fotodokumentation des NABU-Regionalverbands Hannover
- Fall-Zusammenstellung des Naturschutzzentrums Ökowerk Berlin von 2009 (PDF)
Literaturtipps
- Große, W.-R. (1999): Laich und adulte Erdkröten als Beuteobjekte. – Salamandra 35: 123-124.
- Klewen, R. (1984): Welchen Schaden verursachen der Iltis und andere Beutegreifer in Erdkrötenpopulationen? – Herpetofauna 6: 17-20.
- Schonert, A. (2007): Einheimische Amphibien als Nahrung von Neozoen? – Rana 8: 40-44.
- Wüstemann, O. (2003): Amphibienverluste durch Waschbären und Wildschweine im Landkreis Wernigerode/Sachsen-Anhalt. – Jahresschrift für Feldherpetologie und Ichthyofaunistik Sachsen 7: 166-168.
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