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Interview mit Dietrich Hummel zum Verkehrstod der Amphibien
Sobald das Thermometer nachts deutliche Plusgrade zeigt, beginnen im zeitigen Frühjahr die Laichwanderungen von Kröten, Fröschen, Unken und Molchen. Doch auf den Straßen gilt das Recht des Stärkeren. Wegen ihrer ausgedehnten Wanderungen sind Amphibien von den Auswirkungen des ständig wachsenden Straßennetzes besonders betroffen. Dabei sterben viele Tiere, obwohl sie nicht direkt überfahren werden. Wie Professor Dietrich Hummel vom Institut für Strömungsmechanik der TU Braunschweig herausfand, ist es der Strömungsdruck der Autos auf die Fahrbahn, der die Amphibien tötet:
Herr Professor Hummel, wie kommt ein Fachmann für Aerodynamik dazu, sich mit Fröschen und Kröten zu beschäftigen?
Eigentlich habe ich schon immer versucht, Beruf und Hobby in Verbindung zu bringen. Allerdings waren es nicht die Amphibien, sondern die Vögel, denen vor allem meine Leidenschaft galt und gilt. Vogelkundlich und als NABU-Aktiver bin ich sozusagen ein alter Hase. Ich habe mich mein Leben lang mit Flugzeugen beschäftigt, da war der Weg zum Vogelflug nicht weit. Als ich zum Beispiel Anfang der 70er Jahre die Energieeinsparung im Formationsflug der Gänse und Kraniche untersuchte, zeigte sich, dass auch ein Strömungsmechaniker einen Erkenntnisbeitrag in der Ornithologie leisten kann.
Und weshalb nun die Aufmerksamkeit für Amphibien?
Der Anstoß kam vom einem Krötenschützer aus der Schweiz, der mich bei einer Urlaubsreise ansprach, weil er erfahren hatte, dass ich mich mit Aerodynamik befasse. Das Phänomen ist ja vielerorts bekannt: Immer wieder findet man tote Amphibien auf der Straße, denen Teile der Innereien aus dem Mund heraushängen, die aber offensichtlich nicht von Reifen überfahren wurden. Die Vermutung liegt nahe, dass die Tiere durch den Strömungsdruck der Autos umkommen. Die genauen Zusammenhänge waren aber bislang unerforscht.
Also haben Sie nun entsprechende Experimente angestellt?
Das war gar nicht nötig. Daten aus dem Windkanal zum Beispiel liegen längst in Hülle und Fülle vor, sie sind bloß nie auf dieses konkrete Problem angewandt worden. Also habe ich mir von der Volkswagen AG Messwerte besorgt und daraus die Kräfte ermittelt, die bei der Fahrt vom Auto auf die Fahrbahn und damit auch auf die dort befindlichen Kröten wirken.
Und dabei stellte sich heraus, dass die Tiere vom Strömungsdruck der Autos zerquetscht werden?
Im Prinzip ja, aber es ist nicht etwa der Fahrtwind, sondern der auf der Fahrbahn wirksame Druck. Vor dem Auto baut sich ein Überdruck auf, ein paar Zentimeter vor der Stoßstange ist er am größten. Unter dem Auto dagegen entsteht ein Unterdruck. Fährt das Auto über die Kröte hinweg, so ist das Tier dieser Druckverteilung ausgesetzt. Die Drücke wachsen mit dem Quadrat der Fahrgeschwindigkeit an, und sie nehmen an Heftigkeit und natürlich auch an Plötzlichkeit enorm zu. Ob die Kröten jetzt an der Stärke des Drucks oder eher an der Ruckartigkeit sterben, wäre noch zu erforschen. Die Frage ist aber eher müßig, denn fest steht: Schon bei Überfahrtempo 50 haben die Kröten kaum eine Überlebenschance.
Slalomfahren, um den Tieren auszuweichen, hilft also gar nicht?
Nein, wer versucht, die Kröten zwischen die Räder zu nehmen, wird beim genauen Blick in den Rückspiegel feststellen, dass sie trotzdem getötet werden. Es gibt zwar Unterschiede zwischen den Fahrzeugtypen, also mehr und weniger krötenfreundliche Autos. Ganz schlimm sind niedrig liegende Sportwagen, da möchte ich keine Kröte sein. Aber die einzige Maßnahme, die sicher hilft, ist langsamer zu fahren.
Und wie viel langsamer?
Auf den Stundenkilometer genau lässt sich das nicht sagen, da müsste man ziemlich unappetitliche Versuche an den Amphibien durchführen. Bei Tempo 30 jedenfalls würden viele der Tiere überleben.
Tempolimit für Kröten und Frösche also?
Unbedingt. Nur müssen Tempolimits auch eingehalten werden, Schilder alleine reichen nicht. Zumindest an weniger befahrenen Straßen, die aus welchen Gründen auch immer nicht gesperrt werden können, sollte man während der Laichwanderungen eigentlich Tempohindernisse einbauen. Das durchzusetzen, wäre eine wichtige Aufgabe für den NABU.
Mit Professor Hummel sprach Helge May. Aus "Naturschutz heute", Ausgabe 1/2003.