Jagdstopp für Turteltauben?

Fortschritte beim Kampf für jagdbare Vogelarten in schlechtem Erhaltungszustand

Überwältigende 75.453 Teilnehmer*innen haben mit ihren Unterschriften deutlich gemacht, dass die Jagd auf die Tauben, deren Bestände europaweit stark zurückgehen, nicht mehr hinnehmbar ist. Zum Valentinstag im Februar hat der NABU dem Bundesumweltministerium (BMU) die Petiton übergeben . Nur noch jede zehnte Turteltaube brütet heute im Vergleich zu 1980 noch bei uns. Sie gehört neben Rebhuhn und Kiebitz zu den am stärksten im Bestand abnehmenden Vogelarten Deutschlands.

Bundesregierung hat den Knall gehört

Die Forderung des NABU sich bei der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten für ein Ende der Jagd auf die Turteltaube einzusetzen, fiel beim Bundesumweltministerium auf fruchtbaren Boden. Bereits 2018 wurde beim ersten speziellen Treffen einer EU-Expert*innengruppe zur Vogelschutz- und FFH-Richtlinie (NADEG) zur Turteltaube ein Jagdmoratorium ins Spiel gebracht. Der Wunsch nach einem langfristigen Aussetzen der Jagd scheiterte vor allem an Spanien und Frankreich, den Haupt-Jagdländern.

Im Oktober 2020 erneuerte das BMU nun diese Forderung im Rahmen eines dreitägigen europaweiten Workshops zum Schutz der Turteltaube. Als offizielle politische Vertretung Deutschlands und mit Rückendeckung durch die NABU-Petition setzte sich das BMU vor Vertreter*innen aus Wissenschaft, Verwaltungen und Umweltverbänden unter Führung der EU-Kommission für einen Jagdstopp ein.

Was macht die EU?

Die EU-Vogelschutzrichtlinie (VRL) erlaubt es Spanien, Portugal, Frankreich, Italien, Malta, Zypern, Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Österreich Turteltauben zu jagen. Über 2 Millionen Vögel werden legal geschossen – jedes Jahr. Die Situation ist aus NABU-Sicht in keinster Weise mehr hinnehmbar, denn von einer nachhaltigen Jagd kann nicht die Rede sein. Mindestens bis die Bestände der Turteltaube, aber auch die anderer bestandsgefährdeter jagdbarer Arten nicht wieder steigen, muss die Jagd verboten werden.

Mit der Veranstaltung wollte die EU-Führung erste Schritte für eine Einschränkung der Jagd herbeiführen: eine nachhaltige Jagd soll weiterhin erlaubt sein, doch der Turteltaubenbestand nicht weiter sinken. Grundlage ist ein verbindlicher artspezifischer Aktionsplan zum Schutz der Turteltaube, den die genannten zehn EU-Staaten jedoch wegen drohender Jagdbeschränkungen nicht vollumfänglich mittragen.

Die NADEG-Expert*innengruppe der EU hat 35 der 42 jagdbaren Arten und Unterarten mit schlechtem Erhaltungszustand identifiziert, für die die Jagd eine hohe oder mittlere Bestandsgefährdung bedeutet. Dazu gehören Uferschnepfe, Kiebitz, Feldlerche und viele Wasservögel. 84 Arten und Unterarten sind insgesamt nach Anhang II der VRL jagdbar.

Ihre Hoffnung legen die Expert*innen unter anderem in die neue EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, die im Mai vorgelegt wurde. Sie besagt, dass sich die Durchsetzung in Bezug auf die Vogelschutz- und FFH-Richtlinien unter anderem auf Artenschutzbestimmungen und Arten mit rückläufigen Trends konzentrieren wird. Zusätzliche Maßnahmen müssen für jagdbare Arten in Betracht gezogen werden, wenn die erforderlichen Maßnahmen, ihren anhaltenden Rückgang zu bekämpfen und umzukehren, nicht getroffen werden.

Die Jagdstaaten stehen weiter auf der Bremse

Dass die Turteltaube geschützt werden muss, wird in den EU-Ländern mit starker Jagdlobby durchaus erkannt. Hier wird jedoch der Spieß umgedreht. Die Notwendigkeit, die Lebensräume für Turteltauben zu verbessern, wird priorisiert und gezielt den Jägern zugute gehalten. Durch deren Aktivitäten, Hecken und Bäume zu erhalten, Futterpflanzen einzusäen und zuzufüttern, würden sie Turteltauben schützen. Dass dies nur geschieht um mehr Tauben schießen zu können, spielt anscheinend keine Rolle. Tatsächlich sinken die Brutbestände in Spanien und anderen Teilen Südeuropas nicht so stark, jedoch wird ignoriert, dass zur Jagdzeit Turteltauben aus anderen Teilen Europas dort durchziehen.

Auf der westlichen Zugroute erlegen spanische Jäger Turteltauben aus Belgien, den Niederlanden und Großbritannien, wo die Art in ihrem Bestand genauso zurückgegangen ist wie bei uns oder fast ausgestorben ist. In Malta und Griechenland sind es tschechische und polnische Vögel. Malta ignoriert sogar das Verbot der Frühjahrsjagd, indem es die Jagdzeiten für andere jagdbare Arten in die Hauptzeit des Turteltauben-Durchzugs verlegt. Unsere Besenderungsergebnisse zeigen deutlich, dass jede Turteltaube meist mehrere Länder quert, die die Turteltaubenjagd erlauben.

Wichtige Teilerfolge gibt es in Frankreich. Aufgrund eines eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens der EU wurde die dort eh bereits von 90.000 auf 18.000 Vögel reduzierte Jagdquote noch einmal verhandelt. Der Druck, auch durch den NABU, führte im September zum vorzeitigen Ende der Jagdsaison. Die Jagdstrecke wurde auf „nur“ 7.000 Turteltauben begrenzt. Eine Konsultation brachte dort bereits Ende 2019 auch die Jagd auf den Großen Brachvogel zum Erliegen.

Was ist weiterhin zu tun?

Während der Ball zur Beschränkung der Jagd nun im Feld der EU-Kommission und südlicher Mitgliedstaaten liegt, ist die Verbesserung der Lebensraum- und Nahrungssituation für die Turteltaube Deutschlands eigene nationale Aufgabe. Der NABU hat einen Vorschlag für gezielte Agrarumweltmaßnahmen für die Turteltaube erarbeitet und in die politische Diskussion zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eingebracht. Dabei geht es unter anderem um eine ausreichende Nahrungsversorgung der Jungen, um gezielte Ansaaten von Wildkräutern und die Wiederherstellung von Kleingewässern in der Agrarlandschaft. Die Verhandlungsergebnisse zur GAP auf EU-Ebene blieben leider weit hinter unseren Erwartungen zurück, doch der NABU wird sich mit aller Kraft für die Umsetzung auf nationaler und landesweiter Ebene stark machen.

Nach Ansicht der EU-Expert*innen müsste angesichts der zum Teil massiven Bestandsrückgänge auch geprüft werden, ob das Netz von Vogelschutzgebieten (SPAs) für jagdbare Arten in schlechtem Erhaltungszustand ausreichend ist oder für sie weitere Ausweisungen gemäß der Vogelschutzrichtlinie und darüber hinaus erfolgen könnten. Dies steht im Zusammenhang mit dem Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie, Schutzgebiete auf 30 Prozent der Landgebiete Europas auszudehnen.

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