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Was hilft dem Braunkehlchen, welche Projekte gibt es?
Es war einmal ein kleiner brauner Vogel, dem schon 1987 eine Krone geschenkt wurde. Das Braunkehlchen trug bereits einmal den Titel Vogel des Jahres und konnte sich jetzt den Titel wieder erkämpfen. Doch was hat ihm die Wahl vor 35 Jahren gebracht? Die Bilanz sieht bescheiden aus: Das Braunkehlchen ist stark gefährdet, und steht stellvertretend als Leitart für alle Wiesenbrüter. Je nach Region gingen die Bestände seit den 50er Jahren um 50 bis 90 Prozent zurück, in vielen Gebieten gibt es keine Braunkehlchen mehr.
Schon in den achtziger Jahren wusste man, dass die intensive Landwirtschaft das Problem für den kleinen Vogel ist. Er ist zwingend auf offene Wiesenlandschaften angewiesen, wo es genug Sitzwarten gibt, ausreichend Insekten als Nahrung, die nicht durch Insektizide getötet werden, und vor allem spät gemäht wird (Ende Juli). Nur so werden die Nester der am Boden brütenden Vögel geschützt.
Unzureichende Reform der EU-Agrarpolitik
Für die Landwirt*innen ist das alles mit Kosten und Aufwand verbunden. 2019 hatte der NABU versucht, mehr Naturschutz in die Europäische Agrarpolitik zu bringen und eine ausreichende Honorierung für effektive Naturschutzleistungen zu erwirken, leider ohne Erfolg. Für das Braunkehlchen enorm wichtig sind Brachen. Deshalb hatten sich seine Bestände nach Einführung der EU-weiten verpflichtenden Flächenstilllegung vorübergehend erholt. 2007 wurde diese aber wieder abgeschafft. Zahlen aus der Roten Liste Brandenburg zeigen die Folgen: Gab es dort Ende der Neunziger noch bis zu 15.000 Brutpaare, waren es 20 Jahre später nur noch 4500.
Ende September 2022 hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir einen neuen Strategieplan vorgestellt. Mit den Nationalen Strategieplänen legen die EU-Mitgliedstaaten dar, wie sie die reformierte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die 2023 in Kraft tritt, auf nationaler Ebene umsetzen wollen. So gibt es im Plan einige Änderungen an den Basisanforderungen, die Landwirt*innen erfüllen müssen, um die volle Höhe der Zuschüsse zu erhalten, darunter ist auch ein Mindestanteil von Flächen, die der Natur zur Verfügung stehen müssen.
„Dieser Anteil ist aber viel zu gering. In der ursprünglichen Planung sollten vier Prozent der Flächen dafür zur Verfügung gestellt werden, diese Regelung ist vorerst für ein Jahr ausgesetzt“, so NABU-Expertin Christine Tölle-Nolting. Außerdem sollte es Änderungen am Katalog der Ökoregelungen geben, über die Landwirt*innen für freiwillige Umweltleistungen zusätzliche Zahlungen erhalten können. Doch das geht vielen Verbänden nicht weit genug. Aus Sicht von NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger stecken „mit oder ohne Nachbesserungen“ im Plan der Vorgängerregierung bereits „so viele grundsätzliche Konstruktionsfehler, dass auch die aktualisierte Version keine Trendumkehr beim Artensterben oder in der Klimabilanz der Landwirtschaft herbeiführen kann.“
Und nun? Müssen die Naturschutzverbände wieder selbst ran? Einige Landesverbände des NABU haben in den vergangenen Jahren Projekte und Studien zum Braunkehlchen durchgeführt und alle kamen zum gleichen Ergebnis: „Ohne die Mitarbeit von offenen engagierten Landwirt*innen hilft dem Braunkehlchen nichts“, so Dina Schmidt von der NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe. „Die Förderung von Maßnahmen und auch das Stellen der Anträge für Ausgleichszahlungen machen einen Haufen zusätzlicher Arbeit. Da müssen die Landwirt*innen von den Behörden unterstützt werden“, so Schmidt.
Kleinteilige Schutzprojekte
Dem NABU bliebt als einzige Möglichkeit, das Gespräch zu suchen, um die Landwirt*innen zu überzeugen. Auf 32 Hektar am Vogelsberg in Hessen werden Pflegemaßnamen durchgeführt. Dazu gehört Gehölze zu entfernen, um die Flächen offen zu halten, eine extensive Nutzung und eine Vereinbarung, die Flächen erst nach dem 15. Juli zu mähen. Mehrjährige Blühstreifen, die im Winter stehen gelassen werden, runden das Ganze ab.
In Sachsen zeigt sich das gleiche Bild. In der „Dokumentation von Vorkommen und Reproduktion des Braunkehlchens im Landkreis Bautzen 2016 bis 2018“ des Fördervereins Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz liest sich: Die Einrichtung alternierender Brachestreifen ist mit einem hohen Betreuungs- und Verwaltungsaufwand verbunden. Pächter hatten vergessen, die Streifen im Grundantrag zu stellen, oder das System musste erneut erklärt werden. Es gab keine Ansiedlung von Braunkehlchen.
Was braucht das Braunkehlchen?
Eine Ansiedlung sei sowieso sehr schwierig, sagt Louiza Krahn, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Michael-Otto-Institut im NABU (MOIN). Sie hat bis Ende 2019 ein Projekt zum Braunkehlchen in Schleswig-Holstein betreut. „Braunkehlchen orientieren sich stark daran, ob andere schon in einem Gebiet brüten, bei neuen Optionen müssen schon alle Bedingungen genau stimmen.“
Ideale Bruthabitate sind kleinteilige und extensiv bewirtschaftete Wiesenlandschaften mit blütenreicher Vegetation in vielfältiger Ausstattung. Eine niedrige, lückige Vegetation ist geeignet für die Nahrungssuche und Bereiche mit bodennaher Deckung sind gut für die Nestanlage. Da das Braunkehlchen als Wiesenvogel einen offenen Landschaftscharakter bevorzugt, werden Gebiete mit großen Vertikalstrukturen wie Hecken und Gehölzen gemieden. „Neben dem Mangel an geeigneten Brutplätzen liegt die Gefährdung der Braunkehlchen vor allem in fehlenden Nahrungstieren, die durch die landwirtschaftliche Flächennutzung nicht mehr in ausreichender Anzahl und Größe zur Verfügung stehen“, so Krahn.
Europaweite Rückgänge zu befürchten
Dies bestätigt auch Hans-Valentin Bastian, Sprecher des NABU-Bundesfachausschusses Ornithologie und Vogelschutz. Er ist Mitglied der „International Whinchat Working Group“. Diese 2015 gegründete Fachgruppe widmet sich ganz der Erforschung und dem Schutz des Braunkehlchens. Bastian befürchtet, dass die Bestände langfristig auch in anderen Ländern noch mehr zurückgehen werden. „Auffällig ist, dass in Ländern, die an die EU-Agrarförderung angeschlossen werden, sich das gleiche Bild abzeichnet wie in Deutschland schon vor 30 Jahren. Die Landwirt*innen stellen ihre Arbeitsweise um, um von den Förderungen zu profitieren.“
Jedes Märchen hat ein Happy End, die Geschichte des Braunkehlchens hoffentlich auch. Dann ist jetzt ein Jahr Zeit, als Vogel des Jahres einen neuen Anlauf zu starten. Jörg-Andreas Krüger fordert: „Der Bundeslandwirtschaftsminister muss umgehend einen ambitionierten Vorschlag für die GAP ab 2028 vorlegen und dabei den pauschalen Flächenzahlungen endgültig eine Absage erteilen.”
Nicole Flöper
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