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Warum sind nahe verwandte Arten erfolgreicher als der Vogel des Jahres 2023?
Dank neuer Untersuchungsmethoden hat die Wissenschaft in den letzten Jahren so manche alte Gewissheit über den Haufen geworfen. Das betraf auch die Abgrenzung von Arten und deren Verwandtschaftsbeziehungen. Das Braunkehlchen hat diesen Wirbel bisher weitgehend unverändert überstanden. Wie Rot-, Blau- und Schwarzkehlchen gehört es zur Familie der Schnäpper, ebenso wie Nachtigallen, Rotschwänzchen oder Steinschmätzer. Die große Schnäpper-Familie wiederum steht im Vogelreich den Drosseln am nächsten.
Kulturfolger im Vorteil
Besonders nahe sind sich Braun- und Schwarzkehlchen. Als einzige heimische Arten gehören sie beide zur Gattung „Saxicola“ und werden oft gemeinsam als Wiesenschmätzer bezeichnet. Auch die Lebensraumansprüche und Gewohnheiten sind bei Rot- und Blaukehlchen andere. Rotkehlchen sind Waldbewohner, die zusätzlich gerne Parks und Gärten besiedeln. Blaukehlchen fühlen sich im Schilfröhricht und in Weidenbüschen am wohlsten.
Während Rotkehlchen als anpassungsfähige Kulturfolger zu unseren häufigsten Vögeln gehören, galt das Blaukehlchen lange als bedroht. Die Bestände haben sich aber so gut erholt, dass es inzwischen nicht mehr auf der Roten Liste steht. Ähnliches gilt für das Schwarzkehlchen, während das Braunkehlchen gerade in jüngster Zeit stark zurückging, in vielen Regionen sogar komplett verschwunden ist.
Gemeinsame Vorlieben
Dabei sehen sich Braun- und Schwarzkehlchen nicht nur auf den ersten Blick recht ähnlich – bei den Weibchen und Jungvögeln muss man sogar sehr genau hinschauen. Sie haben auch viele gemeinsame Gewohnheiten, von der Art des Nestbaus bis zur Jagdweise. Regelmäßig kommen beide Arten im gleichen Gebiet vor.
Die biologische Nähe macht sich sogar im Miteinander bemerkbar, wenn auch meist nur in Notsituationen. So berichtet Jürgen Feulner aus dem Jahr 2015 von einem Schwarzkehlchen-Männchen, das in der Teuschnitzaue im Frankenwald einem Braunkehlchenpaar beim Füttern der Jungvögel half. Feulner vermutet als Grund das „Fehlen eines artspezifischen Weibchens“ und ein „Abreagieren des aufgestauten Fütterungsverhaltens“.
Gemeinsamer Nachwuchs?
Noch weiter gehen Berichte aus mehreren Ländern über gemischte Zweierbeziehungen, wobei sich meist ein Braunkehlchen-Männchen und ein Schwarzkehlchen-Weibchen zusammentun. Obgleich die Elternschaft nicht immer eindeutig zuzuordnen ist, legen die Beobachtungen nahe, dass tatsächlich beide den Nachwuchs gemeinsam gezeugt haben. Auslöser dürfte auch hier Partnermangel sein. Von anderen eng verwandten Arten wie Haus- und Gartenrotschwanz ist dieses Phänomen schon länger bekannt.
Wenn sich die „Saxicolae“ so nahe sind, warum nehmen dann die Schwarzkehlchenbestände zu und die Braunkehlchen werden weniger? Ein Grund liegt in der im Detail doch größeren Lebensraum-Flexibilität des Schwarzkehlchens, ein anderer im Zugverhalten. Während das Schwarzkehlchen nur kurze Reisen unternimmt, ist das Braunkehlchen ein Langstreckenzieher. Die lange Reise erhöht nicht nur das Risiko, sie führt auch zu einer späteren Rückkehr ins Brutgebiet. Der Unterschied beträgt rund einen Monat. Das Schwarzkehlchen fängt mit der Brut also früher an, ist früher fertig und kommt so in der Regel sogar noch zu einer zweiten Brut.
Nun ist das nichts Neues, beide Arten waren in ihren Nischen über lange Zeit erfolgreich. Aber die Bedingungen haben sich geändert. In der modernen Agrarlandschaft verschwinden nicht nur immer mehr Kleinstrukturen sowie Brachen – und mit ihnen die Insekten –, die Nutzung setzt auch immer früher ein. Untersuchungen zeigen, dass bei einer Wiesenmahd vor Mitte Juli der Braunkehlchennachwuchs kaum eine Chance hat, während die Schwarzkehlchen dann schon flügge sind.
Helge May
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